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  • 28.11.2016 · IWW-Abrufnummer 190165

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 20.09.2016 – 10 K 2412/13 E

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Düsseldorf

    10 K 2412/13 E

    Datum: 20.09.2016

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    1

    Tatbestand:

    2

    Streitig ist, ob die anlässlich der Überspannung eines Grundstücks gezahlte Einmalentschädigung steuerbar ist.

    3

    Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

    4

    Der Kläger ist Eigentümer des bebauten und von den Ehegatten selbst bewohnten Grundstücks A in B (Gemarkung …, Flur …, Flurstück …). Anlässlich der Planung der Hochspannungsleitung C, welche genau über das Grundstück des Klägers führen sollte, schloss der Kläger mit der D GmbH am 06./09.10.2008 eine Vereinbarung, wonach letztere „zum Zwecke von Bau, Betrieb und Unterhaltung elektrischer Leitungen nebst Zubehör einschließlich Steuer- und Telekommunikationskabel und aller dazu erforderlichen Vorkehrungen“ berechtigt war, das Grundstück des Klägers in Anspruch zu nehmen. Hierfür wurde dem Kläger, der sich zu der Bewilligung einer entsprechenden beschränkten persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch verpflichtete, eine einmalig zu zahlende Gesamtentschädigung von 17.904 € gewährt. Der Betrag wurde wie folgt ermittelt: Verkehrswert für Bau/Gewerbeland 170 €/qm, davon 10 % = 17 €/qm, x 1.050 qm = 17.850 €, zzgl. 54 € für 36 m Telekommunikationslinie. Etwaige Verpflichtungen hinsichtlich der künftigen Nutzung bzw. Nichtnutzung des Grundstücks wurden dem Kläger nicht auferlegt. Die Zahlung erfolgte am 27.11.2008. Ein Mast wurde auf dem Grundstück des Klägers nicht erbaut; dieses wird lediglich überspannt.

    5

    In ihrer ESt-Erklärung für das Jahr 2008 ließen die Kläger den obigen Vorgang unberücksichtigt. Die Einkommensteuer 2008 wurde mit Bescheid vom 16.09.2009 auf 17.529 € festgesetzt.

    6

    Im Oktober 2012 erfuhr der Beklagte durch eine Kontrollmitteilung des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E von dem o.g. Vertrag. Er nahm dies zum Anlass, die Einkommensteuer 2008 mit Änderungsbescheid vom 31.10.2012 unter Verweis auf § 173 Abs.1 Nr. 1 AO auf 24.094 € heraufzusetzen. Dabei wurden Einkünfte aus sonstigen Leistungen i.H.v. 17.904 € berücksichtigt.

    7

    Die Kläger haben hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 11.06.2013) Klage erhoben. Sie sind der Ansicht, dass sich aus dem Vertrag vom 06./09.10.2008 keine steuerlichen Folgen ergeben würden. Es lägen weder Einkünfte nach § 21 EStG noch nach § 22 Nr. 3 EStG vor.

    8

    Die hoheitliche Belastung von Grundstücken mit Leitungsdienstbarkeiten stelle eine entschädigungspflichtige Enteignung dar. Da keine Chance bestanden habe, sich gegen den enteignungsgleichen Eingriff erfolgreich zu wehren, könne in keiner Weise von einer freiwilligen Leistung und einer ausgewogenen Gegenleistung gesprochen werden. Durch die enteignungsgleiche, erzwungene Gestattung der Überbauung mit der Hochspannungsleitung und die dafür ins Grundbuch eingetragene beschränkte Dienstbarkeit sei der Verkehrswert des Grundstücks erheblich wertgemindert und die Wiederverkäuflichkeit des Grundstücks erheblich eingeschränkt worden. Die ortsüblichen Baulandpreise seien bei einem Verkauf bei weitem nicht mehr zu erzielen. Die gezahlte Entschädigung betreffe damit letztlich einen Vorgang auf der Vermögensebene und sei als solcher nicht steuerbar. Tatsächlich richte sich die Höhe der Entschädigung bei der D auch grundsätzlich danach, ob und in welchem Umfang das belastete Grundstück gegenüber einem unbelasteten Grundstück minderbewertet sei.

    9

    Die Kläger verweisen zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung auf das Urteil des BFH vom 17.05.1995 – X R 64/92.

    10

    Die Kläger beantragen,

    11

    1. den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 31.10.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.06.2013 aufzuheben,

    12

    2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    13

    Der Beklagte beantragt,

    14

    die Klage abzuweisen.

    15

    Er hält daran fest, dass die erhaltene Entschädigungszahlung den steuerbaren Einkünften der Kläger zuzuordnen sei, wobei letztlich dahinstehen könne, ob die Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder als Einnahmen aus einer sonstigen Leistung (§ 22 Nr. 3 EStG) zu erfassen seien, da sich am steuerlichen Ergebnis nichts ändere. Nach der Rechtsprechung des BFH sei es für die Besteuerung unerheblich, durch welches Rechtsverhältnis das Nutzungsrecht begründet worden sei und ob es sich hierbei um einen enteignungsgleichen Vorgang handele, da generell jede Gebrauchsüberlassung von unbeweglichen Vermögen steuerlich zu erfassen sei.

    16

    Das von den Klägern zitierte BFH-Urteil X R 64/92 sei nicht einschlägig, da das Grundstück im dortigen Fall im Wesentlichen nicht überspannt worden sei, sondern lediglich im sog. Schutzstreifen gelegen habe und deshalb der Verbotsinhalt der dortigen Dienstbarkeit im Vordergrund gestanden habe.

    17

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegten Steuerakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

    18

    Entscheidungsgründe:

    19

    Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

    20

    Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 31.10.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Entschädigungszahlung der Besteuerung zu unterwerfen ist.

    21

    1. Zwar gehört der Entschädigungsbetrag nicht zu den Einkünften i.S. des § 22 Nr.3 EStG.

    22

    Nach dieser Vorschrift sind Leistungen steuerbar, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6) noch zu den Einkünften im Sinne der Nr. 1, 1a, 2 oder 4 gehören. Leistung i.S. des § 22 Nr.3 EStG ist – mit Ausnahme von Veräußerungsvorgängen - jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und um des Entgelts willen erbracht wird. Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des BFH, dass ein freiwilliges Handeln oder Unterlassen des Steuerpflichtigen vorliegt; bei hoheitlichen Eingriffen ist § 22 Nr. 3 EStG unanwendbar. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige zur Vermeidung einer förmlichen Enteignung daran mitwirkt, eine dem Ergebnis eines Enteignungsverfahrens entsprechende Beschränkung seines Eigentums gegen Entschädigung hinzunehmen (BFH, Urteil vom 17.05.1995 - X R 64/92, BStBl II 1995, 640; BFH, Urteil vom 10.08.1994 - X R 45/91, BFH/NV 1995, 387).

    23

    So verhält es sich auch hier. Gem. § 45 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz -EnWG-) i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Landesenteignungs- und -entschädigungsgesetz (EEG NW) ist für Vorhaben zum Zwecke der Energieversorgung die Entziehung oder die Beschränkung von Grundeigentum oder von Rechten am Grundeigentum im Wege der Enteignung zulässig. Bezogen auf den Streitfall bedeutet das, dass sowohl die Überspannung des Grundstücks als auch die Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit notfalls auch zwangsweise durch Enteignung hätten durchgesetzt werden können, wenngleich auch erst nach längerem Zeit- und Kostenaufwand. Aufgrund der ansonsten drohenden förmlichen Enteignung ist in dem Abschluss der Vereinbarung vom 06./09.10.2008 keine freiwillige Leistung des Klägers zu sehen.

    24

    2. Es liegen jedoch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 EStG vor.

    25

    Zu den Einkünften des § 21 Abs. 1 Nr.1 EStG gehören die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, insbesondere von Grundstücken. Grundsätzlich kann auch das Entgelt für die Belastung eines Grundstücks mit einer Dienstbarkeit als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu beurteilen sein. Durch die Belastung eines Grundstücks mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) kann der Eigentümer dem Berechtigten die Befugnis einräumen, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu nutzen. Hat eine solche Belastung keinen endgültigen Rechtsverlust (Eigentumsverlust) zur Folge, kann das Entgelt hierfür als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu beurteilen sein, wenn es sich nach seinem wirtschaftlichen Gehalt als Gegenleistung für die Nutzung eines Grundstücks des Privatvermögens darstellt (vgl. BFH, Urteil vom 17.05.1995 – X R 64/92, BStBl II 1995, 640 m.w.N.)

    26

    Im Streitfall ist es zu keinem endgültigen Rechtsverlust gekommen. Der Kläger hat weder das zivilrechtliche Eigentum an dem Grundstück bzw. an Grundstücksteilen verloren noch wurde seine wirtschaftliche Herrschaftsmacht maßgeblich eingeschränkt. Es steht ihm nach wie vor frei, das Grundstück nach eigenem Belieben zu nutzen, was er in Form der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch tut. Lediglich der durch die Hochspannungsleitung beanspruchte Luftraum steht ihm nicht mehr zur Nutzung zur Verfügung, was jedoch angesichts der im Übrigen verbleibenden Nutzungsmöglichkeiten des Grund und Bodens von völlig untergeordneter Bedeutung ist. Die mit dem Eigentum am Grund und Boden typischerweise verbundenen Chancen bzw. Möglichkeiten der Eigennutzung, der Fremdnutzung und der Veräußerung sind beim Kläger verblieben und nicht vollständig entwertet worden.

    27

    Ein die Vermögensebene betreffender veräußerungsähnlicher Vorgang liegt auch nicht allein deshalb vor, weil sich der Verkehrswert des Grundstücks durch die Eintragung der Grunddienstbarkeit gemindert hat. Denn der darin liegende Substanzverlust hängt nicht mit der Übertragung von Vermögen zusammen, sondern ist letztlich bloß die bewertungsrechtliche Folge der von dem Kläger bewilligten Dienstbarkeit. Letztere bzw. die Überspannung haben den Wert des Grundstücks auch nicht so stark gemindert, dass das Grundstück völlig wertlos geworden wäre.

    28

    Anders als in dem Verfahren X R 64/92, auf das sich die Kläger berufen, wurde die Entschädigung im hiesigen Streitfall auch nicht für Unterlassungen des Klägers gezahlt. Der BFH hat in dem vorgenannten Urteil klargestellt, dass Einkünfte i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur vorliegen, sofern einem Dritten die Nutzung des Grundstücks eingeräumt wird. Entgelte, die der Grundstückseigentümer dafür erhält, dass er auf dem belasteten Grundstück gewisse Handlungen unterlässt, fallen dagegen nicht unter § 21 Abs.1 Nr. 1 EStG, sondern allenfalls unter § 22 Nr. 3 EStG. Kommt die steuerliche Zuordnung des Entgelts aus ein und demselben Rechtsgeschäft zu mehreren Einkunftsarten in Betracht, richtet sich, wenn beide Inhalte eng miteinander verflochten sind, die Qualifizierung grundsätzlich nach dem Teil der Leistung des Steuerpflichtigen, der der Gesamtleistung das Gepräge gibt. In dem Verfahren X R 64/92 hat der BFH den Schwerpunkt in dem Unterlassen gesehen. Denn das dortige Grundstück war nur im Randbereich überspannt worden und es war zusätzlich vereinbart worden, dass auf dem Grundstück innerhalb des Schutzstreifens die Errichtung von Bauwerken, die Unterhaltung von Anlagen und Anpflanzungen nur in bestimmtem Umfang und nur mit Zustimmung des Leitungsbetreibers zulässig waren. Damit stand der Verbotsinhalt deutlich im Vordergrund.

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    So verhält es sich hier jedoch nicht. Der Kläger hat sich nicht zu irgendwelchen Unterlassungen verpflichtet, sondern vielmehr besteht seine Gegenleistung ausschließlich darin, der D GmbH einen Teil des Luftraums über seinem Grundstück für den Betrieb der Hochspannungsleitung zur Nutzung zu überlassen und der Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit zuzustimmen. Damit liegt nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung eine Nutzungsüberlassung gegen Entgelt und damit letztlich eine Einnahme i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor.

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    Dass das Entgelt als Einmalbetrag gezahlt wurde, steht der Annahme von Vermietungseinkünften nicht entgegen.

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    Auch spielt es - anders als bei § 22 Nr. 3 EStG - keine Rolle, dass die Gebrauchsüberlassung nicht freiwillig erfolgt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH erfasst § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG generell jede Gebrauchsüberlassung von unbeweglichem Vermögen gegen Entgelt unabhängig davon, durch welches Rechtsverhältnis das Nutzungsrecht begründet wurde (vgl. BFH, Urteil vom 19.04.1994 – IX R 19/90, BStBl II 1994, 640).

    32

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wurde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen.