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  • 15.11.2016 · IWW-Abrufnummer 189887

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 22.12.2015 – 11 K 1567/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Baden-Württemberg

    Urt. v. 22.12.2015

    Az.: 11 K 1567/10

    In dem Finanzrechtsstreit
    Kl GmbH
    - Klägerin -
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    Hauptzollamt
    - Beklagter -

    wegen Einfuhrabgaben

    hat der 11. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Dezember 2015 durch
    Vorsitzenden Richter am Finanzgericht
    Richterin am Finanzgericht
    Richter am Finanzgericht
    Ehrenamtliche Richter

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist die Festsetzung von Einfuhrabgaben, u.a. von Antidumpingzoll in sechsstelliger Höhe, für nichtrostende Muttern.

    Die Klägerin handelt mit Schrauben und Schraubenmuttern aus verschiedenen Werkstoffen und in verschiedenen Abmessungen, u. a. der Codenummer 7318 1630 der Kombinierten Nomenklatur (KN).

    Für Waren u. a. dieser Codenummer mit Ursprung in bestimmten ostasiatischen Ländern hatte die Kommission der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1997 zunächst einen vorläufigen Antidumpingzoll festgesetzt (Verordnung (EG) Nr. 1732/97 der Kommission vom 4. September 1997 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Verbindungselementen und Teilen aus nichtrostendem Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China, Indien, Malaysia, der Republik Korea, Taiwan und Thailand, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABl. - 1997 Nr. L 243/17, im Folgenden VO Nr. 1732/97). Mit Verordnung (EG) Nr. 393/98 vom 16. Februar 1998 führte der Rat der Europäischen Gemeinschaften dann einen endgültigen Antidumpingzoll ein. Dieser betrug für Waren der bezeichneten Codenummer je nach Hersteller im Falle eines Ursprungs in der Volksrepublik China zwischen 13,6 und 74,7 %, für solche mit Ursprung Taiwan zwischen 5,3 und 23,1 % (siehe zu den Einzelheiten Verordnung (EG) Nr. 393/98 vom 16. Februar 1998 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Verbindungselementen und Teilen aus nichtrostendem Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China, Indien, der Republik Korea, Malaysia, Taiwan und Thailand, ABl. 1998 Nr. L 50/1, im Folgenden AntidumpingVO Nr. 393/98). Die Verordnung war ab 21. Februar 1998 bis einschließlich 20. Februar 2003 gültig.

    Zwischen dem 3. August 2000 und dem 10. Dezember 2002 (BS-Nummern zwischen dem 11. September 2000 und dem 15. Januar 2003) führte die Klägerin in zehn Lieferungen unter unterschiedlichen Positionen rostfreie Muttern der Taric-Codenummern 7318 1630 29 und 7318 1630 99 mit einem Zollwert von rund 800.000 € in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein. In den Zollanmeldungen gab sie als Ursprung der Waren Vietnam an und legte auch entsprechende Ursprungsnachweise vor, die jedoch nachweislich gefälscht waren. Tatsächlich handelte es sich um Waren chinesischen bzw. taiwanesischen Ursprungs.

    In einem deswegen gegen den Geschäftsführer der Klägerin durchgeführten Strafverfahren wurde dieser mit Urteil des Landgerichts L vom 18. Februar 2011 wegen gewerbsmäßigen Schmuggels u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt (Aktenzeichen). Gegenstand des Verfahrens waren die auch vorliegend maßgeblichen Einfuhren im Zeitraum September 2000 bis Dezember 2002. Dabei ging das Landgericht L davon aus, dass durch das Handeln des Geschäftsführers 555.690,49 € Antidumpingzoll, 26.797,59 € Zoll und 92.436,89 € Einfuhrumsatzsteuer, und somit Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 674.924,97 € zunächst nicht erhoben worden waren. Es sah es als erwiesen an, dass die streitbefangenen Schraubenmuttern nicht aus Vietnam, sondern aus China bzw. Taiwan stammten und die hierfür bei den Zollanmeldungen vorgelegten Ursprungsnachweise unecht waren. Der Geschäftsführer der Klägerin habe diese gesamten Umstände jeweils als möglich erkannt und wegen des von ihm erstrebten Vorteils billigend in Kauf genommen. Die Schraubenmuttern seien mit seiner Kenntnis beim Zoll als Waren vietnamesischen Ursprungs angemeldet worden. Das Urteil ist rechtskräftig.

    Bereits mit Bescheid vom 17. August 2005 Registrierkennzeichen xxx hatte das beklagte Hauptzollamt (HZA) für die eingeführten Waren Zoll, Antidumpingzoll und Einfuhrumsatzsteuer nacherhoben:

    Bescheid vom 17. August 2005 (Registrierkennzeichen xxx)
     
    Abgabenart    festgesetzt    nachzuerheben      
    Zoll    46.067,59 €    38.950,57 €      
    Antidumpingzoll    815.754,32 €    815.754,32 €      
    Einfuhrumsatzsteuer    335.963,99 €    335.963,99 €      
    Summe        1.190.668,88 €     

    Dem Bescheid war als Anlage eine Tabelle beigefügt, aus der hervorgeht, welche Einfuhren und Positionen von der Nacherhebung betroffen sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zum Abgabenbescheid vom 17. August 2005 verwiesen.

    Auf den hiergegen gerichteten Einspruch der Klägerin erließ das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 12. April 2010 ... Einfuhrumsatzsteuer in voller Höhe (335.963,99 €). Gleichzeitig nahm es Korrekturen bei den anderen Einfuhrabgaben vor, um Fehler der Berechnung durch unzutreffende Währungsangaben zu bereinigen. Hierzu verwies es auf eine "Anlage/Berechnung". Beigefügt war der Einspruchsentscheidung ein auf den 14. April 2010 datierter Bescheid Registrierkennzeichen yyy. Mit dem Bescheid und den Anlagen wurden unter Berufung auf Art. 236 Abs. 1 des Zollkodex (Verordnung [EWG] Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften - ZK -) folgende Abgaben festgesetzt bzw. erlassen:

    Bescheid vom 14. April 2010 (Registrierkennzeichen yyy)
     
    Abgabenart    festgesetzt    erlassen      
    Zoll    38.950,57 €    2.729,49 €      
    unbenannt    815.754,32 €    218.499,41 €      
    unbenannt    335.913,99 €    335.963,99 €      
    Summe    1.690.618,88 €    557.192,89 €      
    insgesamt zu zahlen        633.475,99 €     

    Hinsichtlich der festgesetzten Abgaben wurde in dem Bescheid auf die "Anlage" verwiesen. Beigefügt waren zwei Berechnungsbögen. Der erste Berechnungsbogen (ohne Überschrift) enthielt Angaben zu den Umrechnungskursen von DM in Euro und von US-Dollar in Euro sowie die nachfolgende Tabelle:
     
                Antidumping-Zoll    zu erheben/€    erhoben wurden/€      
    a) DM    50.877,58 =    26.013,29 €    74,7 %    19.431,92    38.005,85      
    b) DM    165.210,19 =    84.470,62 €    74,7 %    63.099,55    123.412,01      
    c) DM    64.163,58 =    32.806,31 €    74,7 %    24.506,31    47.930,19      
    d) DM    115.202,20 =    58.901,94 €    74,4 %    43.999,74    86.056,04      
    e) DM    121.659,24 =    62.203,38 €    74,7 %    46.465,92    90.879,45      
    f) DM    75.971,62 =    38.843,67 €    74,7 %    29.016,22    56.750,73      
    g) USD    41.518,82 =    40.584,64 €    23,1 %    9.375,05    9.590,85      
    k) USD    86.113,76 =    83.745,63 €    74,7 %    62.557,98    64.326,98      
                    Summe: 298.452,69    516.952,10      
                zu erlassen        218.499,41 €     

    Der zweite beigefügte Berechnungsbogen enthielt die folgenden Angaben:

    "Zollberechnung neu - 3,7 %
     
                    erhoben      
    a)    26.013,29 €    x 3,7 % =    962,49 €    1.271,95 €      
    b)    84.470,62 €    x 3,7 % =    3.125,41 €    4.130,25 €      
    c)    32.806,31 €    x 3,7 % =    1.213,83 €    1.604,09 €      
    d)    58.901,94 €    x 3,7 % =    2.179,37 €    2.880,06 €      
    e)    62.203,38 €    x 3,7 % =    2.301,52 €    3.041,48 €      
    f)    38.843,67 €    x 3,7 % =    1.437,21 €    1.899,29 €      
    g)    40.584,64 €    x 3,7 % =    1.501,63 €    1.536,20 €      
    h)    83.745,63 €    x 3,7 % =    3.098,58 €    3.186,21 €      
            SUMME    15.820,04 €    18.549,53 €     
    "
    Darunter stand "Zu erlassen: 2.729,49 € Zoll".

    Dieser Bescheid vom 14. April 2010 nimmt Bezug auf "Zollbeleg xzx". Der vorangegangene Bescheid vom 17. August 2005 hatte allerdings das Registrierkennzeichen xxx (Hervorhebung durch den Senat). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 14. April 2010 und die beigefügten Anlagen verwiesen.

    Mit bei Gericht per Fax am 20. April 2010 eingegangenem Schriftsatz ließ die Klägerin Klage erheben.

    Am 28. April 2010 erließ das HZA einen weiteren Bescheid (Registrierkennzeichen nnn) unter Berufung auf Art. 220 Abs. 1 ZK und Art. 242 ZK und Bezug nehmend auf "Registrierkennzeichen yyy" (Bescheid vom 14. April 2010) "ursprünglicher Bescheid: xxx-Aktenzeichen Einspruchsentscheidung", mit dem Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 101.356,15 € nacherhoben wurde. In der Begründung zu diesem Bescheid führte das HZA sinngemäß aus, der vollständige Erlass der Einfuhrumsatzsteuer sei zu Unrecht erfolgt; bei hinterzogener Einfuhrumsatzsteuer sei diese auch dann nachzuerheben, wenn sie als Vorsteuer geltend gemacht werden könne. Das beklagte HZA legte dem Gericht den Bescheid vor mit dem Hinweis, dass dieser seiner Ansicht nach "in das Klageverfahren einzubeziehen" sei. Die Klägerin hat indessen entsprechend der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung Einspruch gegen den Bescheid eingelegt.

    Am 29. September 2014 fand ein Erörterungstermin statt, in dessen Rahmen die Sache sowohl in verfahrensrechtlicher als auch materiellrechtlicher Hinsicht erörtert wurde. Im Nachgang erließ das HZA wegen angenommener Nichtigkeit des Bescheides vom 14. April 2010 unter Berufung auf Art. 220 Abs. 1 und Art. 236 Abs. 1 ZK und Bezug nehmend auf den Bescheid vom 17. August 2005 sowie die Bescheide vom 14. und 28. April 2010 am 14. September 2015 einen weiteren Bescheid, mit dem es eine Erstattung von Zoll und Antidumpingzoll vornahm und Einfuhrumsatzsteuer nacherhob. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Festsetzungen:

    14. September 2015 (Registrierkennzeichen vvv)
     
    Abgabenart    festgesetzt    bereits gezahlt    zu erstatten    nachzuerheben      
    Zoll    26.910,76 €    36.221,08 €    9.310,32 €          
    Antidumpingzoll    574.492,26 €    597.254,91 €    22.762,65 €          
    Einfuhrumsatzsteuer    228.330,99 €    101.356,15 €        126.974,84 €      
    insgesamt    829.734,01 €                  
    zu zahlen                94.901,87 €     

    Dem Bescheid waren zwei Anlagen beigefügt, zum einen eine Begründung, zum anderen eine Tabelle, die jeweils Angaben zu den einzelnen Einfuhren enthält. In der Begründung heißt es u. a., "Die Einfuhrabgaben werden daher mit Einfuhrabgabenbescheid Registrierkennzeichen vvv vom 10. September 2015 neu festgesetzt. Die detaillierte Berechnung bitte ich der anliegenden Tabelle, die Teil des Einfuhrabgabenbescheides ist, zu entnehmen." Der Bescheid enthält den Hinweis, dass er zum Gegenstand des vorliegenden Gerichtsverfahrens werde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid und seine Anlagen verwiesen. Die Klägerin hat entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung Einspruch gegen diesen Bescheid eingelegt.

    Parallel zu dem vorliegenden Klageverfahren beantragte die Klägerin am 19. April 2010 bei der EU-Kommission die Erstattung der mit Bescheid vom 17. August 2005 festgesetzten Antidumpingzölle gemäß Art. 11 Abs. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (im Folgenden GrundVO Nr. 1225/2009, ABl. 2009 Nr. L 343/51). Die Kommission lehnte den Antrag mit Beschluss K (2011) 9112 vom 13. Dezember 2011 wegen Überschreitung der Antragsfrist als unzulässig ab. Auf die dagegen gerichtete Klage erklärte das Gericht der EU (EuG) den Beschluss mit Urteil vom 14. Februar 2014 für nichtig (T-81/12, [...]Datenbank). Die Entscheidung in dem daraufhin wieder aufgenommenen Erstattungsverfahren wurde im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ausgesetzt.

    Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 22. Dezember 2015 erklärten die Vertreter des HZA zu Protokoll des Gerichts einen weiteren Änderungsbescheid, mit dem unter Änderung der vorausgegangenen Bescheide bezogen auf die Einfuhren Fall 7, 8 und 10 (BS- Nrn. 41, 134 und 101) die Festsetzung von Drittlandszoll und Antidumpingzoll aufgehoben wurden, soweit für
     
    Fall 7 (BS-Nr. 41)    Pos. 18    Drittlandszoll    mehr als 2.171,45 €      
        Pos. 19    Drittlandszoll    mehr als 1.142,76 €      
    Fall 8 (BS-Nr. 134)    Pos. 18    Drittlandszoll    mehr als 1.536,20 €      
        Pos. 18    Antidumpingzoll    mehr als 9.590,85 €      
    Fall 10 (BS-Nr. 101)    Pos. 15    Antidumpingzoll    mehr als 47.390,67 €     

    nacherhoben worden waren.

    Zur Begründung der vorliegenden Klage lässt die Klägerin vortragen, der Einfuhrabgabenbescheid vom 12. April 2010 sei nichtig. Da dieser im Rahmen der Einspruchsentscheidung ergangen sei, die ihrerseits den ursprünglichen Bescheid in ihrem Regelungsgehalt aufgenommen habe, sei auch der ursprüngliche Bescheid vom 17. August 2005 unwirksam. Zwar sei damit die Klage unzulässig geworden, auch ersetze die widerspruchslose Einlassung des beklagten HZA das erforderliche Vorverfahren nicht; sie, die Klägerin, könne jedoch geltend machen, durch den Schein der Rechtswirksamkeit in ihren Rechten verletzt zu sein.

    Der Bescheid vom 28. April 2010 sei nicht Gegenstand des Verfahrens, da die Voraussetzungen des § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht erfüllt seien. Diese Vorschrift setzte voraus, dass der Änderungsbescheid nach Bekanntgabe einer wirksamen Einspruchsentscheidung ergangen sei. Daran mangele es, da über den Einspruch gegen den Bescheid vom 28. April 2010 bis heute nicht entschieden sei. Dasselbe gelte für den Bescheid vom 14. September 2015, gegen den sie ebenfalls Einspruch eingelegt habe.

    Ungeachtet dessen sei auch der Änderungsbescheid vom 14. September 2015 nichtig oder zumindest rechtsunwirksam, denn er sei nicht hinreichend bestimmt. Er verweise auf die Anlage zum Bescheid, in der jedoch Bezug genommen werde auf eine Neufestsetzung mit Bescheid vom 10. September 2015. An diesem Tag sei ihr gegenüber jedoch kein Einfuhrabgabenbescheid ergangen. Die zusätzlich beigefügte und als Gegenstand des Bescheides bezeichnete Tabelle über die Berechnung der Abgaben stelle keine hinreichende Konkretisierung dar, da sie einen Bescheid vom 10. September 2015 erläutern solle, der nicht existiere.

    Im Übrigen sei der Bescheid vom 14. September 2015 aber rechtswidrig, da die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) abgelaufen gewesen sei. Da sämtliche vorangegangenen Einfuhrabgabenbescheide unwirksam seien, stelle der Bescheid vom 14. September 2015 eine erstmalige Festsetzung dar. Zu diesem Zeitpunkt sei sowohl die Festsetzungsfrist von drei Jahren nach Art. 221 Abs. 3 ZK als auch die seit Auswertung des Fahndungsergebnisses mit Bescheid vom 17. August 2005 laufende zehnjährige Festsetzungsfrist nach Art. 220 Abs. 4 ZK i. V. m. § 169 Abs. 2 Satz 3, § 171 Abs. 5 und § 171 Abs. 4 Satz 3 AO analog abgelaufen gewesen.

    Die Feststellungen im Urteil des Landgerichts L vom 18. Februar 2011 bestreite sie nicht mehr soweit sachliche Feststellungen zur Herkunft der eingeführten Muttern getroffen worden seien, wohl aber die Feststellungen zur angeblichen Produktion bzw. Herstellung von Muttern in der Europäischen Gemeinschaft sowie sämtliche subjektiven Tatsachen- und Tatbestandsfeststellungen in Bezug auf die Person ihres Geschäftsführers.

    Unabhängig davon seien die VO Nr. 1732/97 und die AntidumpingVO Nr. 393/98 nichtig. Die von der Klägerin eingeführten und von den Verordnungen betroffenen Muttern der Taric-Codenummern 7318 1630 29 und 7318 1630 99 seien schon bei Erlass der Verordnung nicht als "Verbindungselemente und Teile aus nicht rostendem Stahl" im Sinne einer "einzigen Ware" anzusehen gewesen. Auch seien solche Muttern in der Gemeinschaft nicht hergestellt worden, so dass ein Dumping ausgeschlossen gewesen und eine bedeutende Schädigung eines Wirtschaftszweiges der Gemeinschaft weder festgestellt worden sei noch vorgelegen haben könne. Die Volksrepublik China sei zu Unrecht als Land ohne Marktwirtschaft behandelt worden. Schließlich sei das Gemeinschaftsinteresse fehlerhaft beurteilt worden.

    Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Klageschrift, die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten vom 20. März und 20. Oktober 2015 sowie das von diesem vorgelegte und in Bezug genommene Gutachten des Gutachters vom 20. August 2010 verwiesen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Einfuhrabgabenbescheid des beklagten HZA vom 17. August 2005 Registrierkennzeichen xxx in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2010 Aktenzeichen Einspruchsentscheidung und der Bescheide vom 14. April 2010 Registrierkennzeichen yyy, vom 14. September 2015 Registrierkennzeichen vvv und vom 22. Dezember 2015 aufzuheben, soweit in den genannten Bescheiden jeweils ZOLL EU und Antidumpingzoll festgesetzt worden sind, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Das HZA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist es zunächst auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung vom 12. April 2010, mit der der Einspruch der Klägerin teilweise als unbegründet zurückgewiesen worden war. Der Erlass der Einfuhrumsatzsteuer sei dabei nicht rechtens gewesen, weshalb sie mit Bescheid vom 28. April 2010 wieder nacherhoben worden sei.

    Der Bescheid vom 14. April 2010 sei nichtig und deshalb durch den Bescheid vom 14. September 2015 ersetzt worden.

    Von einer Stellungnahme zur vorgetragenen Nichtigkeit der der Festsetzung von Antidumpingzoll zugrundeliegenden AntidumpingVO Nr. 393/98 hat das HZA unter Hinweis darauf, dass es hierrüber nicht zu entscheiden habe, abgesehen.

    Mit Verfügung vom 24. September 2015 hat das Gericht der Klägerin eine Ausschlussfrist nach § 79 b Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - bis zum 20. Oktober 2015 gesetzt zur Vorlage der von ihr angeführten Auskünfte des zuständigen Fachverbandes zum Beleg, dass es in der Gemeinschaft keine nennenswerte Produktion von Waren der Taric-Codenummern 7318 1630 290 und 7318 1630 990 gegeben hat, und zur Bezeichnung aller bisher nicht genannten Tatsachen und Beweismittel, die den Klägervortrag stützen. Sie wurde darauf hingewiesen, dass das Gericht ohne entsprechende Vorlage keine Veranlassung habe, ohne entsprechende Anhaltspunkte weitere Tatsachen zu ermitteln. Die Verfügung war mit einem Hinweis auf die Folgen eines Fristversäumnisses versehen. Wegen der daraufhin abgegebenen Stellungnahme wird auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 20. Oktober 2015 mit Anlagen verwiesen.

    Am 22. Dezember 2015 wurde die Sache mündlich verhandelt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erließ das HZA den bereits erwähnten weiteren Bescheid. Im Übrigen wird wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    A.

    Die Klage ist zulässig.

    I. Ursprünglich richtete sich die am 20. April 2010 eingegangene Klage gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 17. August 2005 Registrierkennzeichen xxx in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2010 ..., der ein auf den 14. April 2010 datierter Bescheid Registrierkennzeichen yyy als Anlage beigefügt war. Nachdem in dieser Einspruchsentscheidung die im ursprünglichen Bescheid vom 17. August 2005 enthaltene Einfuhrumsatzsteuer von 335.963,99 € in voller Höhe erlassen worden war, bezog sich die Klage von vornherein nur auf die Abgabenarten Zoll und Antidumpingzoll. Hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer hatte die Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung keinen Anlass zur Klage. Aufgrund des Erlasses dieser Abgaben war sie insoweit nicht mehr beschwert. Dass sich dies schon wenige Tage nach Klageerhebung dadurch änderte, dass das HZA mit Bescheid vom 28. April 2010 Registrierkennzeichen nnn einen den vollständigen Erlass der Einfuhrumsatzsteuer teilweise korrigierenden Bescheid erließ, führt nicht dazu, die bereits zuvor erhobene Klage als - auch - gegen die Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer gerichtet zu verstehen.

    II. Die gegen die Nacherhebung von Zoll und Antidumpingzoll gerichtete Klage ist nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO auch ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, da über den Einspruch ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.

    Zwar ist in Fällen, in denen - wie in Bezug auf einen Einfuhrabgabenbescheid nach Art. 243 ZK i.V.m. § 347 Abs. 1 AO - ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, nach § 44 Abs. 1 FGO eine Klage grundsätzlich nur zulässig, wenn das Verfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Dies gilt indessen nur unter dem Vorbehalt der in den §§ 45 und 46 FGO getroffenen Regelungen. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Klage indessen auch ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.

    Danach war die Erhebung der Klage im April 2010 gegen den Bescheid vom 17. August 2005 zulässig, auch wenn die auf den 12. April 2010 datierte Einspruchsentscheidung - mindestens teilweise - nichtig und damit unwirksam war. Denn zum Zeitpunkt ihres Erlasses war auch unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles eine angemessene Frist für eine Entscheidung über den im Sommer 2005 eingelegten Einspruch verstrichen. Ein zureichender Grund, weshalb eine solche Entscheidung noch immer nicht getroffen werden konnte, ist weder ersichtlich noch war der Klägerin ein solcher mitgeteilt worden. Das HZA führt in der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2010 (auf Seite 9) selbst aus, es sei "nunmehr in der Lage, über den Einspruch zu entscheiden". Sollten bei der Abfassung und/oder Bekanntgabe dieser Entscheidung Fehler unterlaufen sein, die ihre Wirksamkeit in Frage stellen, stellt dieser Umstand jedenfalls keinen zureichenden Grund dar, der der Zulässigkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes noch hätte entgegenstehen können.

    III. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist der ursprünglich angefochtene Bescheid in Gestalt des Bescheides vom 14. September 2015 Registrierkennzeichen vvv - soweit darin Zoll und Antidumpingzoll festgesetzt worden ist - und des im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Bescheides vom 22. Dezember 2015.

    Nach § 68 Satz 1 FGO wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung durch ihn geändert oder ersetzt wird.

    1. Angefochtener Bescheid i. S. d. § 68 FGO ist vorliegend der Einfuhrabgabenbescheid vom 17. August 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2010 inklusive des beigefügten Bescheides vom 14. April 2010 - soweit er durch ihn eine Änderung erfahren hat. Nach § 68 Satz 4 Nr. 2 FGO gilt Satz 1 der Vorschrift entsprechend, wenn ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt. Daher ist es für die Frage, ob der Bescheid vom 14. September 2015 Gegenstand des Verfahrens geworden ist, unerheblich, ob der mit diesem ersetzte frühere Bescheid vom 14. April 2010 nichtig ist.

    2. Der Bescheid vom 14. September 2015 ist als ändernder Bescheid i. S. d. § 68 FGO anzusehen. Zwar handelt es sich bei diesem Bescheid nicht um einen Änderungsbescheid im engeren Sinne, da das Zollrecht solche nicht kennt, sondern Fehler in der Abgabenerhebung mit Hilfe von Nacherhebungs- bzw. Erstattungs-/Erlassbescheiden korrigiert; gleichwohl werden in diesen die nach Auffassung der Zollbehörden insgesamt entstandenen Einfuhrabgaben neu berechnet und den Beteiligten zusammen mit den Berechnungsgrundlagen und dem nachzuerhebenden oder zu erstattenden/erlassenden Betrag mitgeteilt. Somit stellen diese Bescheide im Ergebnis eine Änderung der jeweils ergangenen Erstbescheide dar (vgl. dazu BFH, Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 1/09, BFHE 229, 14, BFH/NV 2010, 1566, [BFH 23.02.2010 - VII R 1/09]HFR 2010, 956, ZfZ 2010, 249; FG Sachsen, Urteil vom 12. Dezember 2007 7 K 760/04, ZfZ Beilage 2008, 41; Großmann, Anwendung von § 68 FGO bei nachträglicher buchmäßiger Erfassung und bei Erstattung von Einfuhrabgaben?, ZfZ 2008, 169; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 68 FGO Rn. 8; a. A. FG Hessen, Urteil vom 13. Juni 2005 7 K 3831/04, [...]Datenbank; FG Hamburg, Urteil vom 6. November 2008 4 K 218/06, [...]Datenbank).

    Art. 243 Abs. 2 ZK steht der Geltung des § 68 FGO auch bei Einfuhrabgabenbescheiden nicht entgegen, weil weder der Wortlaut noch der Zweck des Art. 243 Abs. 2 ZK verlangen, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs auf der ersten Stufe die notwendige Voraussetzung eines Rechtsbehelfs der zweiten Stufe ist (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 15. April 2015 7 K 440/12, [...]Datenbank Rn. 40; vgl. Witte/Alexander, Zollkodex Art. 243 Rz. 17 m. N. in der EuGH-Rechtsprechung).

    3. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 14. September 2015 ist allerdings nur insoweit Gegenstand des Verfahrens geworden, als er Zoll und Antidumpingzoll betrifft. Soweit er in Bezug auf die streitbefangenen Einfuhren auch Festsetzungen von Einfuhrumsatzsteuer enthält, gilt das nicht. Denn insoweit trifft er keine Regelung, die eine mit der Klage angefochtene Abgabenart betrifft und diese ändert oder ersetzt. § 68 FGO findet keine Anwendung, wenn und soweit ein teilbarer Bescheid hinsichtlich des nicht angefochtenen Teils geändert wird (vgl. dazu die BFH-Urteile vom 29. Januar 2003 VIII R 60/00, BFH/NV 2003, 927 und vom 9. Februar 2011 IV R 15/08, BStBl II 2011, 764, sowie den Beschluss vom 20. Dezember 2013 X B 160/12, BFH/NV 2014, 558). Soweit der Bescheid vom 14. September 2015 die Einfuhrumsatzsteuer betrifft, wurde er nach § 365 Abs. 3 AO Gegenstand des gegen den Bescheid vom 28. April 2010 eingeleiteten Einspruchsverfahrens; dort ist über die Rechtmäßigkeit der mit diesem Bescheid erfolgten (weiteren) Nacherhebung zu befinden.

    4. Der im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebene Bescheid vom 22. Dezember 2015 ist danach ebenfalls gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

    B.

    Die Klage ist nicht begründet. Der Abgabenbescheid vom 17. August 2005 in Gestalt des Bescheides vom 14. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    I. Die Bescheide vom 17. August 2005, 14. September 2015 und vom 22. Dezember 2015 sind wirksam. Nicht wirksam geworden ist dagegen die Einspruchsentscheidung vom 12. April 2010, soweit mit ihr die Festsetzung von Drittlands- und Antidumpingzoll geändert werden sollte, und der Bescheid vom 14. April 2010.

    Gem. Art. 221 ZK ist der Abgabenbetrag dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist. Die Form der Mitteilung ist nicht näher bestimmt und richtet sich daher nach nationalem Recht (vgl. Urteile des EuGH vom 23. Februar 2006 Rs. C-201/04 - Molenbergnatie - Rn. 54, Slg. 2006, I-02049, BFH/NV 2006, Beilage 3, 323, ZfZ 2006, 161, und vom 28. Januar 2010 Rs. C-264/08 ECLI:EU:C:2010:43 - Direct Parcel Distribution Belgium - Rn. 29, Slg 2010, I-731, ZfZ 2010, 68).

    Nach dem somit von den Vorschriften des ZK nicht überlagerten § 157 AO müssen schriftliche Steuerbescheide die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Dies ist eine Ausprägung des in § 119 Abs. 1 AO allgemein niedergelegten Grundsatzes, dass Verwaltungsakte inhaltlich hinreichend bestimmt sein müssen. Danach muss der Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts diesem eindeutig entnommen werden können. Zur Auslegung des Regelungsinhalts kann bei Bedarf der gesamte Inhalt des Verwaltungsakts, einschließlich seiner Begründung, herangezogen werden (vgl. z.B. den Beschluss des BFH vom 5. Juli 1978 II B 50/77, BFHE 125, 312, BStBl II 1978, 542 [BFH 05.07.1978 - II B 50/77] sowie das Urteil des BFH vom 22. November 1995 II R 26/92, BFHE 179, 177, BStBl II 1996, 162 [BFH 22.11.1995 - II R 26/92]).

    1. Hinsichtlich des Bescheides vom 17. August 2005 ergeben sich insoweit keine Zweifel. Er ist hinreichend bestimmt und enthält alle Angaben, die für die Wirksamkeit des Bescheides erforderlich sind. Insbesondere sind die Festsetzungen bezüglich der einzelnen Abgabenarten in Bezug auf die einzelnen Einfuhren in der jeweiligen Höhe und die zur Berechnung herangezogenen Zollwerte eindeutig zu entnehmen.

    2. Dagegen ist weder die Einspruchsentscheidung vom 12. April 2010 noch der Bescheid vom 14. April 2010 - soweit sie die Festsetzung von Drittlands- und Antidumpingzoll betreffen - hinreichend bestimmt.

    a) Soweit als Ergebnis der behördlichen Überprüfung des angefochtenen Abgabenbescheids auch ein Teilerlass von Zoll und Antidumpingzoll ausgesprochen werden sollte, ist dies nicht gelungen. Insofern genügt die Einspruchsentscheidung den sich aus § 119 Abs. 1 AO ergebenden Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes nicht. Die Einspruchsentscheidung und die beiden ihr beigefügten Tabellen lassen nämlich nicht erkennen, in welchem Umfang die für die einzelnen streitbefangenen Einfuhren zuvor festgesetzten Zoll- und Antidumpingzoll-Beträge erlassen werden sollten.

    Im Tenor der Einspruchsentscheidung (dort im dritten Absatz) heißt es lediglich, "Weiterhin werden wegen unzutreffender Anwendung von EURO statt DM und EURO statt US-Dollar (siehe Anlage / Berechnung) erlassen." Auch die Ausführungen in den Gründen der Einspruchsentscheidung enthalten zur Feststellung des betragsmäßigen Umfangs der danach für einen Erlass vorgesehenen Abgaben keine bezifferten Angaben.

    b) Die Angaben in der beigefügten, als Einfuhrabgabenbescheid gekennzeichneten und auf den 14. April 2010 datierten Anlage lassen ebenfalls nicht erkennen, in welcher Höhe die Klägerin Zoll und Antidumpingzoll für die einzelnen streitbefangenen Einfuhren schuldet. Dabei mag man noch darüber hinwegsehen können, dass das Datum der Anlage mit dem Datum der Entscheidung um 2 Tage differiert und dass im "Einfuhrabgabenbescheid vom 14. April 2010" in Feld 1 ein Bezug zu einem Zollbeleg mit dem Registrierkennzeichen Registrierkennzeichen xzx hergestellt wird, der vorausgegangene Bescheid vom 17. August 2005 indessen das Registrierkennzeichen xxx (Hervorhebungen durch den Senat) aufwies. Ein schwerwiegender Fehler liegt jedoch darin, dass im Feld 3 "Festsetzung der Einfuhrabgaben" als Abgabenart lediglich zu a) mit dem Kürzel "ZOLLEU" die Abgabenart angegeben ist, zu b) und c) hingegen nicht.

    Auch lassen sich die in Feld 3 als "Summen der Abgabenbeträge" wiedergegebenen Beträge trotz des Hinweises "siehe Anlage" nicht mit den in den beigefügten Tabellen enthaltenen Zahlen in Einklang bringen. Schließlich fehlt auch eine nachvollziehbare Zuordnung der in den beiden beigefügten Tabellen enthaltenen Einzelbeträge zu den jeweiligen streitbefangenen Einfuhren. Mangels entsprechender Angaben kann auch im Wege der Auslegung nicht festgestellt werden, für welche Einfuhren Zoll und Antidumpingzoll in welcher Höhe erlassen werden sollte. Damit fehlt es an einer für das Verständnis des Regelungsinhalts eines Abgabenbescheids notwendigen Voraussetzung. Der offenbar beabsichtigt gewesene Teilerlass von Zoll und Antidumpingzoll konnte so nicht wirksam werden.

    3. Der Bescheid vom 14. September 2015 leidet dagegen nicht an einem entsprechenden Verfahrensmangel. Insbesondere ist er hinreichend bestimmt. Zwar verweist er zur Begründung auf die "Anlage" zum Bescheid, in der es heißt, "Die Einfuhrabgaben werden daher mit dem Einfuhrabgabenbescheid Registrierkennzeichen vvv vom 10. September 2015 neu festgesetzt"; auch ist der Klägerin zuzugeben, dass ein entsprechender Bescheid vom 10. September 2015 nicht existiert. Zur Berechnung wird jedoch auf die anliegende Tabelle verwiesen, die Teil des Bescheides sei. Anders als die Klägerin meint, wird mit dieser Tabelle nicht ein Bescheid vom 10. September 2015 konkretisiert, sondern vielmehr der vorliegende Bescheid vom 14. September 2015, dem sowohl die Begründung als auch die Tabelle beigefügt waren. Dies ergibt sich zum einen eindeutig aus dem Zusammenhang, zum anderen aus der Angabe des Registrierkennzeichens des Bescheides, das mit demjenigen auf dem Bescheid vom 14. September 2015 übereinstimmt (Registrierkennzeichen vvv). Aus dem Bescheid geht auch deutlich hervor, welche Abgabenart in welcher Höhe festgesetzt wird und welche Einfuhrvorgänge dies im Einzelnen betrifft.

    4. Das gleiche gilt für den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 22. Dezember 2015 von den Vertretern des HZA zu Protokoll des Gerichts erklärten Änderungsbescheid. Auch er bezieht sich auf konkret bezeichnete Einfuhren, Positionen und Abgabenarten.

    II. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 17. August 2005 in Gestalt des Bescheides vom 14. September und 22. Dezember 2015 ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für eine Nacherhebung des Antidumping- und des Drittlandszolls - soweit er bei der Einfuhr noch nicht buchmäßig erfasst worden war - lagen vor.

    Nach Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK setzt die nachträgliche buchmäßige Erfassung voraus, dass der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend sowohl hinsichtlich des bisher teilweise zu gering, teilweise überhaupt nicht erfassten Drittlandszolls als auch hinsichtlich des Antidumpingzolls erfüllt.

    Für die Waren ist Drittlandszoll und Antidumpingzoll entstanden, da ihr Ursprung anders als in den Zollanmeldungen angegeben in Ländern liegt, für die im maßgeblichen Zeitraum keine Präferenzmaßnahme galt und für deren Waren der betreffenden Codenummern ein Antidumpingzoll festgelegt war.

    1. In seinem Urteil vom 18. Februar 2011 hat das Landgericht L u. a. festgestellt, dass die eingeführten Waren nicht aus Vietnam stammten, sondern einen chinesischen bzw. taiwanesischen Ursprung hatten.

    Diese Feststellungen erachtet der erkennende Senat als zutreffend und legt sie seiner Entscheidung zugrunde. Er ist an die Beurteilung des Strafgerichts zwar nicht gebunden, kann sich aber die tatsächlichen Feststellungen des Strafverfahrens zu eigen machen, wenn diese nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zutreffend sind und keine substantiierten Einwendungen gegen sie erhoben werden (BFH, Urteil vom 1. Dezember 2003 VII R 17/03, BFH/NV 2004, 597, ZfZ 2004, 162; BFH-Beschluss vom 17. März 2010 X B 120/09, BFH/NV 2010, 1240; Paetsch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 169 AO Rn. 48).

    Im Übrigen bestreitet auch die Klägerin die Feststellungen zur tatsächlichen Herkunft der eingeführten Muttern aus China bzw. Taiwan nicht mehr.

    2. Unstreitig ist mit der Einfuhr der Waren nach Art. 201 Abs. 1 ZK demnach Drittlandszoll entstanden. Präferenzen konnten nicht gewährt werden, da die vorgelegten Ursprungsnachweise gefälscht und die Waren chinesischen bzw. taiwanesischen Ursprungs waren.

    Der Drittlandszoll für Waren der Taric-Codenummern 7318 1630 29 und 7318 1630 99 betrug im gesamten Einfuhrzeitraum 3,7 %. Da bei einem Teil der Einfuhren lediglich ein geringerer Zollsatz von 1,2 % angewendet und der andere Teil der Waren zollfrei belassen worden war, war der Differenzbetrag grundsätzlich nachzuerheben.

    3. Auch die Festsetzung von Antidumpingzoll begegnet keinen Bedenken. Die von der Klägerin eingeführten Muttern der Taric-Codenummern 7318 1630 29 und 7318 1630 99 unterlagen im jeweiligen Einfuhrzeitpunkt einem Antidumpingzollsatz in der festgesetzten Höhe.

    Die Klägerin durfte sich zwar im vorliegenden Verfahren darauf berufen, dass die der Erhebung von Antidumpingzöllen zugrundliegende AntidumpingVO Nr. 393/98 nichtig sei (dazu unter lit. a); eine Nichtigkeit der Verordnung konnte indessen nicht festgestellt werden (dazu unter lit. b).

    a) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH setzt die für den Rechtsuchenden bestehende Möglichkeit, beim angerufenen Gericht die Unwirksamkeit von Bestimmungen in Rechtsakten der Union geltend zu machen, voraus, dass diese Partei nicht berechtigt war, gemäß Art. 263 AEUV unmittelbar gegen diese Bestimmungen zu klagen. Eine solche unmittelbare Klagebefugnis ist u. a. bei denjenigen Importeuren der betreffenden Waren gegeben, deren Weiterverkaufspreise für die rechnerische Ermittlung der Ausfuhrpreise berücksichtigt werden und die daher von den Feststellungen über das Vorliegen eines Dumpings betroffen sind (vgl. Urteile Nashua Corporation u. a./Kommission und Rat, C-133/87 und C-150/87, EU:C:1990:115, Rn. 15, und Urteil Gestetner Holdings/Rat und Kommission, C-156/87, EU:C:1990:116, Rn. 18; Urteil vom 18. September 2014 Rs. C-374/12 - Valimar -, EU:C:2014:2231 Rn. 28 und 31).

    Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zu den Importeuren gehört, deren Wiederverkaufspreise bei der rechnerischen Ermittlung der Ausfuhrpreise berücksichtigt wurden und die daher von den Feststellungen über das Vorliegen einer Dumpingpraktik betroffen sind.

    b) Der mit der Klage angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die zugrunde liegende AntidumpingVO Nr. 393/98 ist wirksam. Sie stützt sich auf die Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. Nr. L 1996, 56/1, im Folgenden GrundVO Nr. 384/96) und steht im Einklang mit dieser Verordnung.

    Nach Art. 1 Abs. 1 der GrundVO Nr. 384/96 kann ein Antidumpingzoll auf jede Ware erhoben werden, die Gegenstand eines Dumping ist und deren Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Gemeinschaft eine Schädigung verursacht.

    Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH setzt die Feststellung einer Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union die Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte voraus, so dass die gerichtliche Kontrolle einer solchen Beurteilung auf die Prüfung der Frage zu beschränken ist, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen. Dies gilt insbesondere für die Beurteilung der Faktoren im Rahmen einer Antidumpinguntersuchung, die eine Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union hervorrufen (vgl. Urteile des EuGH vom 27. September 2007 Rs. C-351/04 - Ikea Wholesale -, EU:C:2007:547, Rn. 41; vom 4. September 2014 Rs. C-21/13 - Simon, Evers & Co. -, EU:C:2014:2154, Rn. 29; vom 18. September 2014 Rs. C-374/12 - Valimar -, EU:C:2014:2231, Rn. 51; vom 16. April 2015 Rs. C-143/14 - TMK Europe -, EU:C:2015:236, Rn. 34 und vom 10. September 2015 Rs. C-569/13 - Bricmate AB -, EU:C:2015:572, Rn. 46; vgl. auch BFH-Urteil vom 19. Juni 2012 VII R 28/11, BFH/NV 2012, 1842, ZfZ 2012, 326).

    aa) Anhaltspunkte dafür, dass die Verfahrensvorschriften nicht eingehalten wurden, sind nicht ersichtlich und wurden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Sowohl in den Erwägungsgründen zur VO Nr. 1732/97 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls als auch in denen zur AntidumpingVO Nr. 393/98 ist das auf Grundlage der GrundVO Nr. 384/96 durchgeführte Verfahren genau beschrieben. Abweichungen von dem in der GrundVO Nr. 384/96 geregelten Verfahren haben sich danach nicht ergeben.

    bb) Der Sachverhalt des Dumpings wurde zutreffend festgestellt.

    Nach Art. 1 Abs. 2 GrundVO Nr. 384/96 gilt eine Ware als gedumpt, wenn ihr Preis bei der Ausfuhr in die Gemeinschaft niedriger ist als der vergleichbare Preis der zum Verbrauch im Ausfuhrland bestimmten gleichartigen Ware im normalen Handelsverkehr.

    aaa) Dass der Verordnungsgeber Muttern (Waren des KN-Codes 7318 1630) in den von der Antidumpingmaßnahme betroffenen Warenbegriff einbezog, ist nicht zu beanstanden.

    Regelungen dazu, wie die von einer Antidumpingmaßnahme betroffene Ware zu bezeichnen oder abzugrenzen ist, enthält die GrundVO Nr. 384/96 nicht. Sie legt weder fest, wie die Ware oder das Warensortiment, die Gegenstand einer Dumpinguntersuchung sein können, definiert werden soll, noch verlangt sie eine genaue Klassifizierung der Ware. Vielmehr verfügen die Gemeinschaftsorgane bei der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte über ein weites Ermessen (Urteile des EuG vom 28. September 1995 Rs. T-164/94 - Ferchimex/Rat -, Slg. 1995, II-2681, Rn. 66, vom 25. September 1997 Rs. T-170/94 - Shanghai Bicycle Corporation -, Slg 1997, II-1383, Rn. 63 und vom 17. Dezember 2010 Rs. T-369/08 - EWRIA - Slg 2010, II-6283).

    Das Vorbringen, dass eine bestimmte Ware von der Definition der betroffenen Ware auszunehmen sei, muss daher auf Gründen beruhen, mit denen dargetan werden soll, dass die Gemeinschaftsorgane die von ihnen für einschlägig gehaltenen Kriterien falsch beurteilt haben oder dass diese Ware unter Anwendung anderer, einschlägiger Kriterien von der Definition der betroffenen Ware hätte ausgeschlossen werden müssen (Urteil des EuG vom 4. März 2010 T-401/06 - Brosmann Footwear [HK] u. a./Rat -, Slg. 2010, II-671, Rn. 131, 132).

    Die Gemeinschaftsorgane können bei der Definition der betroffenen Ware mehrere Kriterien berücksichtigen, wie materielle, technische oder chemische Merkmale der Waren, ihre Verwendung, ihre Austauschbarkeit, die Vorstellung, die sie beim Verbraucher erwecken, Vertriebswege, Herstellungsprozess, Produktionskosten usw. (Urteile des EuG vom 4. März 2010 T-401/06 - Brosmann Footwear [HK] u. a./Rat -, Slg. 2010, II-671, Rn. 131, 132 und vom 17. Dezember 2010 Rs. T-369/08 - EWRIA Rn. 82, 83). Die Definition der durch die Antidumpingmaßnahmen betroffenen Ware hängt - auch wenn sie einer in einer Norm festgelegten Klassifizierung entsprechen kann - nicht von einer derartigen Klassifizierung ab (vom 17. Dezember 2010 Rs. T-369/08 - EWRIA Rn. 87). Daher kann der Verordnungsgeber für die Bestimmung der von einer Antidumpingmaßnahme betroffenen einheitlichen Ware auch Waren mehrerer verschiedener Codenummern zusammenfassen oder aus den in einer Codenummer erfassten Waren einzelne Waren herausgreifen.

    Gleichwohl kann jedes Antidumpingverfahren jeweils nur eine einzige einheitliche Ware betreffen. Betrifft die zur Untersuchung führende Beschwerde mehrere Produkte, die nicht als einheitliche Ware angesehen werden können, so sind auch mehrere getrennte Verfahren einzuleiten und durchzuführen (Baule in Krenzler/Herrmann/Niestedt, AD-GVO, Art. 1 Rn. 37).

    In Art. 1 der AntidumpingVO Nr. 393/98 hat der Rat die von der Antidumpingmaßnahme betroffene Ware definiert als "Verbindungselemente und Teile aus nichtrostendem Stahl der KN-Codes 7318 1210, 7318 1410, 7318 1530, 7318 1551, 7318 1561, 7318 1570 und 7318 1630 mit Ursprung in der Volksrepublik China, Indien, der Republik Korea, Malaysia, Taiwan und Thailand." Der Verordnungsgeber hat dabei die in den einzelnen KN-Positionen aufgeführten Waren in nicht zu beanstandender Weise als Teile von Verbindungselementen verstanden und sie insgesamt als einheitliche Ware "Verbindungselemente" angesehen.

    Zwar wurden Muttern in den nachfolgenden Antidumpingverordnungen (VO Nr. 771/2005 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls und AntidumpingVO Nr. 1890/2005) von den Antidumpingmaßnahmen ausgenommen; das macht die vorliegend allein maßgebliche AntidumpingVO Nr. 393/98 indessen nicht per se rechtswidrig.

    In der Verordnung (EG) Nr. 771/2005 der Kommission vom 20. Mai 2005 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente und Teile davon aus nichtrostendem Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China, Indonesien, Taiwan, Thailand und Vietnam (ABl. EG 2005 Nr. L 128/19, im Folgenden VO Nr. 771/2005) hatte der Verordnungsgeber in Erwägungsgrund 13 unter "Ware" ausgeführt,

    "Während der vorläufigen Untersuchung kamen allerdings Zweifel daran auf, ob Muttern und andere VNS" (Verbindungselemente aus nichtrostendem Stahl) "überhaupt als eine einzige Ware angesehen werden können. Zur Klärung dieser Frage musste eine Reihe anderer Aspekte eingehender untersucht werden, so z. B. ob und inwieweit Bolzen und Muttern als zusammengehörende Bestandteile eines Ganzen (System) vertrieben bzw. zusammen entwickelt werden. Ferner wird ebenfalls zu prüfen sein, inwieweit die Gemeinschaftshersteller in der Lage sind, solche Systeme anzubieten. Auf dieser Grundlage wurde vorläufig beschlossen, die Muttern, die gemeinhin dem KN-Code 7318 16 30 zugewiesen werden, nicht in die Definition der betroffenen Ware einzubeziehen."

    In der nachfolgenden Verordnung (EG) Nr. 1890/2005 des Rates vom 14. November 2005 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente und Teile davon aus nicht rostendem Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China, Indonesien, Taiwan, Thailand und Vietnam und zur Einstellung des Verfahrens gegenüber den Einfuhren bestimmter Verbindungselemente und Teile davon aus nicht rostendem Stahl mit Ursprung in Malaysia und den Philippinen (ABl. EG 2005 Nr. L 302/1, im Folgenden AntidumpingVO Nr. 1890/2005) führt der Verordnungsgeber unter Erwägungsgrund 11 aus,

    "Nach der Einführung der vorläufigen Maßnahmen übermittelten Gemeinschaftshersteller und Einführer Beweise dafür, dass Muttern und Bolzen weder zusammen entwickelt noch als System hergestellt und vermarktet werden. Muttern werden zwar in der Regel zusammen mit Bolzen verwendet, aber sie werden normalerweise nicht als System verkauft. ..."

    Die jeweiligen Erwägungsgründe zeigen lediglich auf, welche Kriterien der Verordnungsgeber bei Erlass der Nachfolgeverordnungen Nr. 771/2005 und Nr. 1890/2005 für relevant gehalten hat, nicht aber, dass die in der AntidumpingVO Nr. 393/98 vom Verordnungsgeber damals zur Abgrenzung verwendeten Kriterien unzutreffend gewesen wären. In den Verordnungen Nr. 771/2005 und Nr. 1890/2005 hat der Verordnungsgeber die gemeinsame Entwicklung, Herstellung und Vermarktung der einzelnen Verbindungselemente als System in den Vordergrund gestellt. Dagegen waren bei Erlass der VO Nr. 1732/97 und der AntidumpingVO Nr. 393/98 Hauptkriterium für die Definition der "einzigen Ware" die materiellen Eigenschaften, der Verwendungszweck und die Vertriebskanäle bezogen auf die einzelnen Verbindungselemente. So heißt es in Erwägungsgrund 7 der VO Nr. 1732/97,

    "Bei der betroffenen Ware handelt es sich um Verbindungselemente aus nichtrostendem Stahl (nachstehend "VNS" genannt), d. h. um Bolzen, Muttern und Schrauben aus nichtrostendem Stahl, die dazu dienen, zwei oder mehr Elemente mechanisch miteinander zu verbinden."

    und in Erwägungsgrund 8,

    "... Allerdings haben sämtliche betroffenen Waren, die unter die weite Definition des Begriffs "Verbindungselemente" fallen, die gleichen grundlegenden materiellen Eigenschaften und die gleichen Verwendungen und werden über die gleichen Vertriebskanäle vermarktet. Sie werden daher im Rahmen dieser Untersuchung als eine einzige Ware angesehen."

    An diesen Kriterien hat der Verordnungsgeber bei Erlass der endgültigen AntidumpingVO Nr. 393/98 nichts geändert.

    Bei Zugrundelegen dieser im Rahmen des vorliegenden Verfahrens allein maßgeblichen Kriterien besteht keine Veranlassung, Muttern aus dem Warenbegriff der Verbindungselemente herauszunehmen. Sie dienen zweifellos dazu, zwei oder mehr Elemente mechanisch miteinander zu verbinden und weisen die gleichen materiellen Eigenschaften und Verwendungen auf, wie Schrauben und Bolzen. Sie werden zwar nicht als System gemeinsam mit Schrauben und Bolzen, wohl aber über die gleichen Vertriebskanäle vermarktet. Dass sich der Verordnungsgeber im Rahmen der nachfolgenden vorläufigen und endgültigen Antidumpingmaßnahmen entschlossen hat, bei der Bestimmung der "einzigen Ware" andere Kriterien zugrunde zu legen, insbesondere die Betrachtung der Verbindungselemente als System in den Vordergrund zu stellen, macht die AntidumpingVO Nr. 393/98 nicht unwirksam.

    bbb) Der Antidumpingverordnung lag auch ein Dumping zugrunde. Insbesondere wurden im maßgeblichen Zeitraum im Gemeinschaftsgebiet Muttern produziert.

    Bereits im Verfahren zur Einführung einer vorläufigen Antidumpingmaßnahme hatten einige Ausführer behauptet, diese Waren würden in der Gemeinschaft nur wenig oder überhaupt nicht hergestellt. Dort hatte die Kommission in Erwägungsgrund 10 zur VO Nr. 1732/97 darauf hingewiesen, dass der Ausschluss eines bestimmten Produkttyps aus dem Antidumpingverfahren nicht allein aufgrund der Tatsache beschlossen werden könne, dass dieser Typ vom Wirtschaftszweig der Gemeinschaft nicht mehr hergestellt werde. Darüber hinaus hatte die Kommission festgestellt, dass die in der Gemeinschaft verbrauchten Muttern zwar zu einem beträchtlichen Teil eingeführt worden waren, und zwar insbesondere aus den von der Dumpingmaßnahme betroffenen Ländern, dass aber auch der Wirtschaftszweig der Gemeinschaft eine gewisse Produktion von Muttern aufrechterhielt, auf die sich die betreffenden Einfuhren nachteilig auswirken könnten.

    Im Verfahren zur Einführung des endgültigen Antidumpingzolls wurde dieser Einwand erneut vorgetragen (Erwägungsgrund 8 der AntidumpingVO Nr. 393/98). In Erwägungsgrund 9 der AntidumpingVO Nr. 393/98 verweist der Rat auf die erneute Untersuchung im Rahmen des Verfahrens zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und führt aus, die Einwendungen würden durch die Ergebnisse der Untersuchung nicht bestätigt. Sie zeige vielmehr, dass Muttern von den Gemeinschaftsherstellern produziert würden. Daher werde es nicht als gerechtfertigt angesehen, Muttern aus diesem Verfahren auszuschließen.

    Dass im maßgeblichen Zeitraum auch in der Gemeinschaft Muttern hergestellt wurden, wird zudem durch die Feststellungen des Landgerichts L in seinem Urteil vom 18. Februar 2011 belegt, wonach es im maßgeblichen Zeitraum deutsche, belgische und italienische Hersteller von Muttern gab (S. 39 des Urteils).

    Der Senat hat keine Zweifel an diesen Feststellungen und macht sie sich zu eigen. Auch die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme des Fachverbandes des Schrauben-Großhandels e.V. (FDS) vom 1. Oktober 2004 gibt ihm keine Veranlassung, hieran zu zweifeln.

    Unter I. führt der FDS zwar aus, seiner Kenntnis nach würden von den betroffenen Waren der KN-Codenummern 7318 1210, 7318 1410, 7318 1530, 7318 1551, 7318 1561, 7318 1570 und 7318 1630 von europäischen Herstellern nur noch Waren der KN-Codenummern 7318 1561 und 7318 1570 produziert; die Antragsteller stellten keine Muttern her. Auch sind zum Beleg Aufstellungen über den Import von Waren aus den betroffenen Ländern in die EU beigefügt; sie erfassen jedoch ausschließlich die Jahre 2000 bis 2003. Maßgeblich für die Frage, ob die Muttern in die AntidumpingVO Nr. 393/98 mit einbezogen werden durften und ob danach Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Antidumpingmaßnahme bestehen, sind indessen nicht die Verhältnisse in dem vom FDS untersuchten Zeitraum, sondern die Verhältnisse in dem nach der GrundVO Nr. 384/96 maßgeblichen Untersuchungszeitraum.

    Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 GrundVO Nr. 384/96 wird für die Zwecke einer repräsentativen Feststellung ein Untersuchungszeitraum gewählt, der im Fall von Dumping normalerweise einen der Einleitung des Verfahrens unmittelbar vorangehenden Zeitraum von mindestens sechs Monaten umfassen sollte. Vorliegend ist das der 1. Januar bis 30. November 1996 (Erwägungsgrund 6 VO Nr. 1732/97). Ausdrücklich fügt der Verordnungsgeber der GrundVO an, dass Informationen, die für einen Zeitraum nach diesem Untersuchungszeitraum vorgelegt werden, normalerweise nicht berücksichtigt würden (Art. 6 Abs. 1 Satz 4 GrundVO Nr. 384/96).

    Die von der Klägerin vorgelegten Nachweise beziehen sich aber nicht nur auf einen nach dem Untersuchungszeitraum liegenden Zeitraum, sondern sogar auf einen solchen, in dem die AntidumpingVO bereits seit zwei Jahren in Kraft war. Selbst bei Unterstellung, dass in diesem - späteren - Zeitraum in der Gemeinschaft keine oder keine nennenswerte Produktion von Waren der KN-Codenummern 7318 1630 stattgefunden hat, könnte dies nicht zur Nichtigkeit der AntidumpingVO Nr. 393/98 führen. Das gleiche gilt hinsichtlich der - nicht bewiesenen - Tatsachenbehauptung der Klägerin, diese Sachlage sei in den Jahren 1998 und 1999 dieselbe gewesen. Denn auch dieser Zeitraum betrifft nicht den für die Rechtmäßigkeit der Verordnung maßgeblichen Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1996 bis 30. November 1996 (Rn. 6 der Erwägungsgründe zur VO Nr. 1732/97).

    cc) Der Senat hat auch keinen Zweifel an den in der AntidumpingVO Nr. 393/98 getroffenen Feststellungen zum Vorliegen einer Schädigung und der Schadensursache (Erwägungsgründe 60 ff. und 85 ff.).

    Soweit der Gutachter in seinem von der Klägerin vorgelegten und in Bezug genommenen Gutachten vom 20. August 2010 auf S. 6 ff. unter Verweis auf die Feststellungen in der VO Nr. 1732/97 und in den - auf Grundlage eines späteren Untersuchungszeitraums ergangenen - Nachfolgeverordnungen aus dem Jahr 2005 Zweifel äußert, ob die dort getroffenen Feststellungen zur Produktion von Muttern in der Gemeinschaft ausreichen, um eine Schädigung des Wirtschaftszweiges zu unterstellen, ist auf die vorliegend allein maßgebliche AntidumpingVO Nr. 393/98 zu verweisen, die sich in den Erwägungsgründen 8 und 9 mit diesem Argument auseinandersetzt. Dort wird ausgeführt, die Behauptung einer wenn überhaupt lediglich geringen Produktion von Muttern in der Gemeinschaft sei durch die Ergebnisse der Untersuchung nicht bestätigt, die gezeigt habe, dass Muttern von den Gemeinschaftsherstellern produziert werden.

    Unabhängig davon muss der Verordnungsgeber bei einer "einzigen Ware" gerade nicht für jeden einzelnen Bestandteil der von der Antidumpingmaßnahme betroffenen Ware eine Antidumpinguntersuchung durchführen (vgl. Baule in Krenzler/Herrmann/Niestedt, AD-GVO, Art. 1 Rn. 37). Wenn also wie vorliegend die Bestimmung der Verbindungselemente und Teile davon als "einzige Ware" vom weiten Ermessen des Verordnungsgebers gedeckt ist (s. o. unter B. II. 3. lit. b bb aaa), muss auch nicht für jeden Bestandteil der "einzigen Ware" getrennt der betroffene Wirtschaftszweig bestimmt und eine Schädigung festgestellt werden. Vielmehr ist es ausreichend, den betroffenen Wirtschaftszweig im Hinblick auf die "einzige Ware" zu bestimmen und eine entsprechende Schädigung festzustellen. Gleichwohl hat sich der Verordnungsgeber mit dem Argument des Fehlens einer Schädigung in Bezug auf Muttern auseinandergesetzt und festgestellt, dass es im Untersuchungszeitraum mehr als einen Hersteller in der Gemeinschaft sowie eine Schädigung des Wirtschaftszweiges gab.

    Unter Beachtung der oben unter B. II. 3. lit. b dargestellten Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle kann hinsichtlich der Beurteilung der Faktoren, die eine Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union hervorrufen, im Rahmen der vorliegenden Antidumpinguntersuchung weder ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften noch eine unzutreffende Darstellung des Sachverhalts, eine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung desselben oder ein Ermessensmissbrauch festgestellt werden.

    dd) Die Volksrepublik China ist auch nicht zu Unrecht als Land ohne Marktwirtschaft behandelt worden.

    Nach Art. 2 Abs. 7 der GrundVO Nr. 384/96 in seiner ursprünglichen Fassung vom 22. Dezember 1995 ist die Volksrepublik China im Anwendungsbereich dieser Verordnung ausdrücklich als Land ohne Marktwirtschaft anzusehen, da es sich dabei um ein Land handelt, auf das die Verordnung (EG) Nr. 519/94 des Rates vom 7. März 1994 über die gemeinsame Regelung der Einfuhren aus bestimmten Drittländern und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nrn. 1765/82, 1766/82 und 3420/83 Anwendung findet (ABl. 1994 Nr. L 67, 89; dort Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Anhang I). Zwar hat der Verordnungsgeber bereits im April 1998 und damit lediglich zwei Monate nach Erlass der AntidumpingVO Nr. 393/98 die Volksrepublik China nicht mehr als Land ohne Marktwirtschaft angesehen (Art. 2 Abs. 7 lit. a der GrundVO Nr. 384/96 i. d. F. der Verordnung (EG) Nr. 905/98 des Rates vom 27. April 1998, ABl. 1998 Nr. L 128, 18). Gleichwohl war auch in der Folgezeit im Rahmen der Feststellung des Dumpings der Normalwert bei Antidumpinguntersuchungen betreffend Einfuhren aus China grundsätzlich wie bei Ländern ohne Marktwirtschaft zu ermitteln. Nur soweit auf der Grundlage ordnungsgemäß begründeter Anträge des oder der von der Antidumpinguntersuchung betroffenen Hersteller(s) nachgewiesen wurde, dass für diesen oder diese Hersteller bei der Fertigung und dem Verkauf der betreffenden gleichartigen Ware marktwirtschaftliche Bedingungen herrschen (Art. 2 Abs. 7 lit. b der GrundVO Nr. 384/96 i. d. F. der Verordnung (EG) Nr. 905/98 des Rates vom 27. April 1998), kam eine Ermittlung des Normalwerts nach Art. 2 Abs. 1 bis 6 GrundVO Nr. 384/96 in Betracht. Zwar hat der Verordnungsgeber damit anerkannt, dass der Reformprozess in der Volksrepublik China zu einer grundlegenden Änderung der Volkswirtschaft dieses Landes geführt hat; er zieht daraus indessen lediglich die Schlussfolgerung, dass damit für bestimmte Unternehmen marktwirtschaftliche Bedingungen überwiegen, nicht jedoch flächendeckend (Erwägungsgrund 5 Verordnung (EG) Nr. 905/98; siehe dazu auch EuGH-Urteil vom 19. Juli 2012 Rs. C-337/09 P - Zhejiang Xinan - EU:C:2012:471).

    ee) Spätere Änderungen des Sachverhalts - wie die von der Klägerin vorgetragenen - haben grundsätzlich keine Auswirkung auf die Wirksamkeit einer AntidumpingVO. Die GrundVO Nr. 384/96 enthält für diese Fälle spezielle Regelungen, die den schützenswerten Interessen des Einzelnen angemessen Rechnung tragen.

    Ist ein schädigendes Dumping festgestellt und eine endgültige Antidumpingmaßnahme ergriffen worden, tritt diese grundsätzlich (erst) fünf Jahre nach ihrer Einführung außer Kraft (Art. 11 Abs. 2 Satz 1 der GrundVO Nr. 384/96). Für die Fälle, in denen sich während der Gültigkeit einer vorläufigen oder - wie vorliegend - einer endgültigen Antidumpingmaßnahme Änderungen des der Maßnahme zugrunde liegenden Sachverhalts ergeben, sieht die GrundVO Nr. 384/96 spezielle Verfahren vor, um die Beteiligten vor ungerechtfertigten Antidumpingmaßnahmen zu schützen. Art. 11 GrundVO Nr. 384/96 enthält verschiedene Regelungen, nach denen unter bestimmten Voraussetzungen eine Überprüfung der Maßnahme noch während ihrer Laufzeit (Interimsüberprüfung, Abs. 3 der Vorschrift) oder bei ihrem Auslaufen (Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift) vorzunehmen ist. Art. 11 Abs. 8 GrundVO Nr. 384/96 enthält zudem eine Erstattungsregelung, wonach ein Einführer - unbeschadet einer Überprüfung nach Abs. 2 - die Erstattung der erhobenen Zölle beantragen kann, wenn nachgewiesen wird, dass die Dumpingspanne, auf deren Grundlage die Zölle entrichtet wurden, beseitigt oder soweit verringert worden ist, dass sie niedriger als der geltende Zoll ist. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin parallel zum vorliegenden Verfahren Gebrauch gemacht. Selbst im Fall eines erfolgreichen Abschlusses des Erstattungsverfahrens hätten dort getroffene Feststellungen über eine etwaige Beseitigung oder Verringerung des Dumpings im Einfuhrzeitraum allerdings keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der AntidumpingVO Nr. 393/98.

    4. Das HZA ist auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes nach Art. 220 Abs. 2 ZK an der Nacherhebung gehindert.

    Nach Art. 220 Abs. 2 lit. b ZK erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.

    Dabei ist es unerheblich, ob es sich um einen Irrtum tatsächlicher oder rechtlicher Art handelt; er muss jedoch auf ein Handeln der zuständigen Behörden zurückzuführen sein. Ein Irrtum i.S. von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b UAbs. 1 ZK liegt daher nur dann vor, wenn die Behörde ihn begeht, nicht wenn sie ihm unterliegt (Deimel in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Artikel 220 ZK, Rn. 84 mit Nachweisen der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK steht einer Nacherhebung von Einfuhrabgaben indessen nicht entgegen, wenn die seinerzeit unterbliebene Abgabenerhebung auf unrichtigen Erklärungen zum Ursprung einer Ware, deren Richtigkeit sie nicht zu überprüfen und festzustellen hat, beruhte (Urteile des EuGH vom 27. Juni 1991 Rs. C-348/89 ECLI:EU:C:1991:278 - Mecanarte vs. Chefe do Servico da Conferência Final da Alfândega do Porto -, Slg. 1991, I-3277, Rn. 24, ZfZ 1992, 388; vom 14. Mai 1996 - Rs. C-153/94 und C-204/94 - The Queen vs. Commissioners of Customs & Excise, ex parte: Faroe Seafood Co. Ltd u.a. -, Slg. 1996, I-2465, Rn. 92, ZfZ 1997, 12; vom 9. Dezember 1999 Rs. C-299/98 - P CPL Imperial 2 SpA und Unifrigo Gadus Srl vs. Kommission -, Slg. 1999, I-8683, Rn. 31, ZfZ 2000, 235; vom 14. November 2002 Rs. C-251/00 - Ilumitrμnica vs. Chefe da Divisao de Procedimentos Aduaneiros e Fiscais -, Slg. 2002, I-10433, Rn. 43, ZfZ 2003, 46 [EuGH 14.11.2002 - 5 C 251/00]; BFH-Urteile vom 12. Oktober 1999 VII R 6/99, BFHE 190, 507, BFH/NV 2000, 294 [BFH 12.10.1999 - VII R 6/99]; vom 7. November 2002 VII R 37/01, BFHE 200, 444, BFH/NV 2003, 437 [BFH 07.11.2002 - VII R 37/01] und vom 22. April 2008 VII R 29/06, BFHE 221, 272, BFH/NV 2008, 1285 [BFH 22.04.2008 - VII R 29/06]).

    Da es sich bei den vorgelegten Ursprungsnachweisen um Fälschungen handelt, fehlt es somit am Vorliegen eines solchen Vertrauensschutz auslösenden Irrtums. Die Fiktion des Art. 220 Abs. 2 lit. b UAbs. 2 ZK greift vorliegend ebenfalls nicht ein.

    5. Das HZA durfte den Bescheid auch noch erlassen.

    a) Nach Art. 221 Abs. 3 Satz 1 ZK in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 2000 Nr. L 311/17) mit Wirkung vom 19. Dezember 2000 darf die Mitteilung an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Ist die Zollschuld jedoch aufgrund einer Handlung entstanden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, so kann die Mitteilung unter den im geltenden nationalen Recht festgelegten Voraussetzungen auch noch nach Ablauf der Dreijahresfrist erfolgen (Abs. 4 der Vorschrift). Auf die beiden vor Inkrafttreten dieser Vorschrift erfolgten Einfuhren vom 3. August 2000 (Positionen 26 und 27) und vom 21. September 2000 (Positionen 19 und 20) ist noch Art. 221 Abs. 3 Satz 2 ZK in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 vom 12. Oktober 1992 (ABl. 1992 Nr. L 302/1) anzuwenden (im Folgenden Art. 221 Abs. 3 Satz 2 ZK a. F.). Danach konnte die Mitteilung des Abgabenbetrags nach Ablauf der Dreijahresfrist erfolgen, sofern dies nach geltendem Recht vorgesehen war und die Zollbehörden aufgrund einer strafbaren Handlung den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag nicht genau ermitteln konnten.

    Danach gilt vorliegend hinsichtlich sämtlicher Einfuhren die zehnjährige Festsetzungsfrist (Art. 221 Abs. 4 ZK i. V. m. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO).

    Die Entstehung der Einfuhrabgaben beruht vorliegend auf der Vorlage falscher Ursprungsnachweise. Wegen dieser Handlungen ist der Geschäftsführer der Klägerin, GF, vom Landgericht L mit rechtskräftigem Urteil vom 18. Februar 2011 wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden.

    Zwar bestreitet die Klägerin nach wie vor eine vorsätzliche Handlungsweise ihres Geschäftsführers und trägt hierzu umfangreich vor; vorliegend kommt es indessen nicht darauf an. Denn falls sich der Geschäftsführer der Klägerin - wie diese behauptet, der erkennende Senat aber bezweifelt - in Bezug auf die Echtheit der Ursprungsnachweise geirrt haben sollte, dann läge eine Abgabenhinterziehung durch Dritte, begangen in mittelbarer Täterschaft, vor. In diesem Fall hätte der Geschäftsführer oder die bei der Zollanmeldung in seinem Auftrag tätig gewordene Person als vorsatzloses Werkzeug gehandelt. Täter im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO wären diejenigen Personen, die die Ursprungsnachweise gefälscht und sie der Klägerin zur Verfügung gestellt haben. Sie hätten die Steuerhinterziehung im Sinne des § 25 Abs. 1 zweite Alt. des Strafgesetzbuches durch einen anderen begangen.

    Täter einer Steuerhinterziehung kann nicht nur der Steuerschuldner, sondern auch jeder andere sein, der tatsächlich in der Lage ist, auf die Festsetzung, Erhebung oder Vollstreckung der gesetzlich geschuldeten Steuer zum Nachteil des jeweiligen Steuergläubigers einzuwirken (vgl. z. B. Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, Rz. 31 zu § 370 AO). In dieser Lage befanden sich vorliegend auch die Geschäftspartner der Klägerin. Diese hätten bei dieser Sachverhaltsalternative mit der Überlassung von gefälschten Ursprungsnachweisen an die Klägerin und durch Vorlage dieser Belege durch Bedienstete der gutgläubigen Klägerin bei der Zollbehörde eine Hinterziehung von Antidumpingzoll und von Drittlandszoll bewirkt. Dies konnte auch hinsichtlich der Vorlage der gefälschten Belege bei der Zollbehörde nur vorsätzlich, d. h. wissentlich und in der Absicht geschehen sein, den Warenursprung aus einem Staat vorzutäuschen, dessen entsprechende Waren nicht mit einem Antidumpingzoll belegt waren. An Muttern aus den tatsächlichen Herstellungsländern China und Taiwan hatte die Klägerin - was ihrer Lieferantin durchaus bewusst war - kein Interesse. Mit der Überlassung der Ursprungsnachweise an die Klägerin wollten die Geschäftspartner ihre Wettbewerbsposition sichern, was zur Vermeidung der Erhebung eines Antidumpingzolls die Fälschung der Ursprungsnachweise und die Vorlage der gefälschten Belege bei den Zollbehörden voraussetzte.

    Die Anwendung der zehnjährigen Festsetzungsfrist scheitert auch nicht an einer Exkulpation der Klägerin. Da das Gericht - unabhängig von einer Tat des Geschäftsführers der Klägerin - von einer Straftat Dritter ausgeht, besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Exkulpation mit der Folge, dass die zehnjährige Festsetzungsfrist nicht zur Anwendung käme. Hierzu hat die Klägerin jedoch nichts vorgetragen. Auch ist nicht ersichtlich, dass ihr eine solche Exkulpation gelingen könnte. Denn dazu müsste sie nachweisen, dass sie durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass diese auch nicht darauf beruht, dass sie die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat (§ 169 Abs. 2 Satz 3 zweiter Halbsatz AO). Vorliegend scheitert eine Exkulpation bereits daran, dass die Klägerin aus der Straftat einen Vermögensvorteil in Form einer niedrigeren Abgabenfestsetzung erlangt hat.

    Die Einfuhrabgaben wurden für sämtliche Einfuhren erstmals mit Bescheid vom 17. August 2005 festgesetzt und damit innerhalb der zehnjährigen Festsetzungsfrist.

    b) Mit Bescheid vom 14. September 2015 wurden zwar hinsichtlich einzelner Einfuhren und Positionen im Vergleich zum Bescheid vom 17. August 2005 auch Drittlands- und Antidumpingzoll nacherhoben (vgl. die Gegenüberstellung der Anlage zum Abgabenbescheid vom 17. August 2005 zur Anlage zum Bescheid vom 14. September 2015); die nacherhobenen Abgaben wurden indessen mit dem zu Protokoll gegebenen Bescheid vom 22. Dezember 2015 wieder erlassen. Insoweit erübrigen sich Ausführungen dazu, ob mit diesem Bescheid gegenüber der Klägerin noch Einfuhrabgaben zusätzlich festgesetzt werden durften. Die mit dem Bescheid vom 14. September 2015 nacherhobene Einfuhrumsatzsteuer ist nicht Gegenstand des Verfahrens (s. o.).

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1 und 143 Abs. 1 FGO.

    Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen.

    RechtsgebieteAO, FGO, ZKVorschriften§ 119 Abs. 1 AO; § 68 FGO; Art. 236 Abs. 1 ZK