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  • 09.07.2015 · IWW-Abrufnummer 144861

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 05.08.2014 – 6 K 24/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Baden-Württemberg

    Urt. v. 05.08.2014

    Az.: 6 K 24/13

    In dem Finanzrechtsstreit
    - Klägerin -
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    Finanzamt
    - Beklagter -
    wegen Körperschaftsteuer 2007 bis 2010 und Gewerbesteuermessbescheide 2007 bis 2010
    hat der 6. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05. August 2014 durch
    Vorsitzenden Richter am Finanzgericht als Einzelrichter
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    1.

    Die angefochtenen Steuerbescheide 2007, 2008, 2009 und 2010 - alle in der Form der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2012 - werden abgeändert. Dem beklagten Finanzamt wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.
    2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.
    3.

    Das Urteil ist wegen der der Klägerin zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 €, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. Übersteigt der Kostenanspruch der Klägerin den Betrag von 1.500 €, ist das Urteil wegen der Kosten nur dann vorläufig vollstreckbar, wenn die Klägerin zuvor Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des Kostenanspruch geleistet hat.

    Tatbestand

    Streitig sind die Bescheide über Körperschaftsteuer, die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos, des durch die Umwandlung von Rücklagen entstandenen Nennkapitals, des Körperschaftsteuerguthabens, des Endbetrags und über den Gewerbesteuer-Messbescheid für die Veranlagungszeiträume 2007, 2008, 2009 und 2010, jeweils vom 23. Juli 2012.

    Mit Datum vom 23. Juli 2012 hat das beklagte Finanzamt --FA-- aufgrund von Feststellungen der Betriebsprüfungsstelle die streitigen Bescheide erlassen.

    Hiergegen richten sich die Einsprüche der Klägerin vom 31. Juli 2012, eingegangen beim FA am 1. August 2012. Es wird beantragt, die bei der Körperschaftbesteuerung sowie beim Gewerbesteuermessbetrag von der Klägerin von den Mietern geforderte Miete wie erklärt anzusetzen und auf den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) wegen verbilligter Überlassung zu verzichten.

    Der Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und dem FA liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

    An der Klägerin waren im Streitzeitraum X zu 5% und dessen Schwester, Y zu 95 % als Gesellschafter beteiligt.

    Die Klägerin vermietete in den Streitjahren einen Teil ihres ansonsten selbst genutzten Gebäudes A-Strasse 1 in B, zu Wohnzwecken an den Gesellschafter X und dessen Familie. Das Gebäude befand sich bis zum Erwerb durch die GmbH im Alleineigentum der Ehefrau des Gesellschafters X. Nach den Feststellungen der Betiebsprüfungsstelle soll sich die das Haus finanzierende Bank aus der Finanzierung des Hauses zurückgezogen und ein Zwangsversteigerungsverfahren des Hauses eingeleitet haben. Nach längerer Suche hätten die Eheleute X dann das jetzige Bankinstitut gefunden und mit dessen Hilfe die weitere Finanzierung des Gebäudes A-Strasse 1 gerettet. Hierfür sei die X.. GmbH unter Aufnahme einer weiteren Person als Gesellschafterin (die Schwester von X, Y) gegründet worden, die dann das Gebäude im Zwangsversteigerungsverfahren habe erwerben können. Bei dem Haus handelt es sich um ein aufwendiges Gebäude mit hochwertigen Materialien und Techniken und einem Wellnessbereich mit Schwimmbecken, Whirlpool und Sauna (lt. Gutachten des Gutachterausschusses der Stadt B vom 25. August 2005 - Bl. 37 ff. der FG-Akten). Von der gesamten Wohnfläche von 465 m2 werden von dem Ehepaar X samt Kindern rund 243 m2 genutzt (52,07 %). Die Mietzahlungen betragen jährlich 15.480 € = 1.290 € monatlich, bezogen auf die gesamte nutzbare Wohnfläche 5,81 €/m2.

    Es wurde seitens der Klägerin jeweils auf dem Verrechnungskonto des Gesellschafters für die privaten Wohnzwecke eine Verrechnung nach der ortsüblichen Miete (unstreitig) vorgenommen. Das FA hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass die Wohnung zum ortsüblichen Mietpreis in den Streitjahren überlassen worden ist.

    Nach Auffassung der Betriebsprüfungsstelle sei jedoch in den Streitjahren der Ansatz nach der Kostenmiete angebracht (vgl. Bericht über die Betriebsprüfung --Bp-Bericht-- vom 18. Mai 2012, Tz. 15 unter Bezugnahme u. a. auf BFH Urteil vom 17. November 2004 I R 56/03, BFH/NV 2005, 793). Dies sei auch mit einer offensichtlich vorhanden Interessenidentität begründet, da die Gesellschafterin Y ihre Rechte und Pflichten gegenüber der GmbH offensichtlich nicht ausgeübt habe.

    Der Unterschied zwischen Kostenmiete --hinsichtlich der Ermittlung vgl. Anlage 1 zum Bp-Bericht vom 18. Mai 2012-- und ortsüblicher Miete hat die Betriebsprüfer als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) qualifiziert. Als Höhe für die vGA sind die folgenden Beträge angesetzt worden (jeweils Kostenmiete zuzüglich eines Gewinnzuschlags in Höhe von 5 % abzüglich der auf dem Verrechnungskonto angesetzten ortsüblichen Miete):
    Jahr Kostenmiete € Ortsübliche Miete € Differenz €
    2007 15.437,42 7.740,00 7.697,42
    2008 25.240,39 15.480,00 9.760,39
    2009 26.749,39 15.480,00 11.269,00
    2010 31.632,00 15.480,00 16.152,00

    Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2012, der am 28. Dezember 2012 bei Gericht eingegangen ist, wurde Klage erhoben. Im Wesentlichen wird Folgendes vorgetragen: Entgegen den Ausführungen des FA in der Einspruchsentscheidung sei die Klägerin nicht gegründet worden, um das Gebäude A-Strasse 1 in B vor der Insolvenz zu retten. Die Klägerin sei vielmehr ausweislich des Handelsregisterauszuges bereits am 29. Juni 2004 gegründet und am 19. Juli 2004 ins Handelsregister eingetragen worden. Der Erwerb des Grundstückes sei aber erst rund drei Jahre später erfolgt. Der nicht für eigengewerbliche Zwecke benötigte des Gebäudes sei mit Mietvertrag vom 24. Juni 2007 zu einer ortsüblichen Miete, was auch nicht vom FA bestritten werde, an X und seine Ehefrau vermietet worden. Die Vermietung sei unter Berücksichtigung der finanziellen Daten auch keine Liebhaberei; wegen der Einzelheiten werde auf die der Klagebegründung beigefügten Unterlagen verwiesen.

    Die Klägerin beantragt,

    die angefochtenen Steuerbescheide 2007, 2008, 2009 und 2010 - alle in der Form der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2012 - dahingehend abzuändern, dass der Gewinnermittlung der Klägerin die vereinnahmte Miete zugrunde gelegt wird.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es wird unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

    Entgegen der Auffassung der Klägerin sei im vorliegenden Fall der Ansatz einer vGA wegen verbilligter Überlassung zutreffend. Dabei sei gemäß dem BFH-Urteil vom 17. November 2004 I R 56/03 a. a. O. im Rahmen des auch insoweit anzustellenden Fremdvergleichs zu berücksichtigen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer nur dann bereit sein werde, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung eines Einfamilienhauses zu (privaten) Wohnzwecken --also im privaten Interesse-- des Gesellschafters der Kapitalgesellschaft zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet würden. Er werde deswegen nicht die Marktmiete, sondern die sog. Kostenmiete angesetzt. Dabei spiele es keine Rolle, dass die Klägerin die Immobilie günstig erworben habe und langfristig ein Vermietungsgewinn erzielbar sei. Denn im vorliegenden Fall sei es offensichtlich, dass ein fremder Gesellschafter an Stelle der zu 95% beteiligten Y und auch ein fremder Geschäftsführer den anfallenden Verlust aus der Vermietung an den anderen, zu 5 % beteiligten Gesellschafter über mehrere Jahre so nicht akzeptieren würde. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Gesellschafter auch Rechte und Pflichten seiner GmbH gegenüber habe (§§ 45 ff. GmbHG). Da die Schwester des Mieters, Frau Y, diese aber offensichtlich nicht ausübt, muss folglich von einer Interessenidentität ausgegangen werden. Der Ansatz einer vGA bei der GmbH für die verbilligte Überlassung des Hauses A-Strasse 1 in B, an den Gesellschafter X sei daher zurecht erfolgt. Dabei sei es infolge der Interessenidentität ohne Bedeutung, dass der Minderheitsgesellschafter X in 2007 bis 2009 nur zu 5 % beteiligt gewesen ist.

    Mit Beschluss vom 11. Juli 2014 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter nach § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- übertragen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom FA vorgelegten Steuerakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 4. August 2014 Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet.

    Unter einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG-- ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung, statt vieler BFH vom 22. Dezember 2010 I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019).

    Die Tatsache, dass der Mieter lediglich zu 5 % an der vermietenden Kapitalgesellschaft, der Klägerin, beteiligt ist, spricht grundsätzlich nicht gegen eine vGA. Eine beherrschende Stellung in der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft ist nur erforderlich, wenn die vGA allein auf das Fehlen einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung gestützt wird. Ergibt sich hingegen die vGA aus einem Vergleich mit dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, so reicht auch eine Beteiligung unterhalb der Schwelle der beherrschenden Stellung zur Annahme der vGA aus; es gilt insoweit nichts anderes als bei einer direkten Vorteilsgewährung an einen Gesellschafter, bei der die Beteiligungsquote für den allgemeinen vGA-Tatbestand ebenfalls nicht von Bedeutung ist (dazu z. B. Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz. 212). Die Beteiligungsquote an der empfangenden Kapitalgesellschaft besagt allenfalls etwas über die Intensität des wirtschaftlichen Interesses der Gesellschafter an der Vorteilsgewährung. Eine geringe Beteiligungshöhe mag deshalb gegebenenfalls die Indizwirkung des Nahestehens für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis abschwächen; den Tatbestand des Nahestehens beseitigt sie jedoch nicht.

    Im Rahmen von Vermietungsverhältnissen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern ist dann von einer vGA auszugehen, wenn die Gesellschaft als Vermieter ein unangemessen niedriges Entgelt verlangt (vgl. auch FG Köln vom 13. März 2014 10 K 2606/12, EFG 2014, 1141). So hat der BFH in seinem Urteil vom 17. November 2004 I R 56/03 a. a. O. entschieden, dass zu prüfen sei, ob die Wohnung dem Mieter zu einem kostendeckenden Preis zur Nutzung überlassen worden sei. Weiter führt er aus: Im Rahmen des insoweit anzustellenden Fremdvergleichs müsse berücksichtigt werden, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer nur dann bereit sein wird, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung eines Einfamilienhauses zu (privaten) Wohnzwecken --also im privaten Interesse-- des Gesellschafters der Kapitalgesellschaft zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden. Er werde deswegen nicht die Marktmiete, sondern die sog. Kostenmiete ansetzen.

    Unstreitig ist, dass die Kostenmiete, so wie sie von der Betriebsprüfung ermittelt worden ist, die vereinbarte und gezahlte Miete deutlich übersteigt. Weiter ist unstreitig, dass die Klägerin die rein rechnerische Ermittlung der Kostenmiete nicht beanstandet hat. Demnach wäre an sich die Differenz zwischen Kostenmiete und tatsächlich gezahlter Miete nach den vorstehenden Grundsätzen als vGA anzusetzen. Im konkreten Einzelfall wird damit aber nicht den Verhältnissen des Einzelfalls ausreichend Rechnung getragen:

    Kernelement der Definition der vGA ist, dass bei der Gesellschaft eine Vermögensminderung eintritt bzw. eine Vermögensmehrung verhindert wird, die durch das Gesellschaftverhältnis veranlasst ist (vgl. R 36 KStR 2004). Im Streitfall gesteht das FA ein, dass die Klägerin im Rahmen einer Vermietung an einen fremden Dritten (Nichtgesellschafter) keine geringeren Verluste / keine höheren Einnahmen erzielt hätte, da der Gesellschafter / Mieter die am Markt erzielbare Miete an die Klägerin / Vermieterin / Kapitalgesellschaft schon entrichtet. Eine kostendeckende Vermietung im Sinne der o. a. BFH-Rechtsprechung vom 17. November 2004 ist also in dem betreffenden Ort (B) und in dem betreffenden Zeitraum (2007 bis 2009) auch von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführer unter keinen denkbaren Umständen zu erzielen; denn es ist von den konkreten örtlichen Verhältnissen ausgehen. Ob nicht bei einer längerfristigen Betrachtung doch irgendwann --auch unter Berücksichtigung der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland-- sich das Kosten-Ertrag-Verhältnis umkehrt, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

    Bei dieser konkreten Situation ist der bei der GmbH in den Streitjahren eingetretene Verlust nicht durch das Gesellschaftsverhältnis bedingt bzw. dem Mitgesellschafter ist von der Gesellschaft kein Vorteil zugewandt worden; er wohnt nicht verbilligt, der Mietzins ist nicht unangemessen niedrig. Hätte die Klägerin an einen Nichtgesellschafter vermietet, hätte sich für sie dieselbe Ertragssituation ergeben. Vermietet sie nunmehr an einen Mitgesellschafter kann sie aus der Sicht des erkennenden Senats nicht mehr als Einkünfte versteuern als sie bei der anderen Variante versteuert hätte, weil die am Markt erzielbaren Einkünfte von ihr bereits erzielt wurden.

    Die Voraussetzungen einer vGA sind aus der Sicht des Senats im konkreten Einzelfall nicht erfüllt.

    Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 FGO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

    RechtsgebieteKStG, EStGVorschriften§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG; § 4 Abs. 1 S. 1 EStG