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  • 18.12.2014 · IWW-Abrufnummer 143542

    Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12

    1. Art. 3 Abs. 1 GG verleiht Steuerpflichtigen keinen Anspruch auf verfassungsrechtliche
    Kontrolle steuerrechtlicher Regelungen, die Dritte gleichheitswidrig begünstigen,
    das eigene Steuerrechtsverhältnis aber nicht betreffen. Anderes gilt
    jedoch, wenn Steuervergünstigungen die gleichheitsgerechte Belastung durch
    die Steuer insgesamt in Frage stellen.


    2. Im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG ist eine bundesgesetzliche Regelung nicht erst dann, wenn sie unerlässlich für die Rechts- oder Wirtschaftseinheit ist. Es genügt vielmehr, dass der Bundesgesetzgeber
    problematische Entwicklungen für die Rechts- und Wirtschaftseinheit erwarten
    darf. Ob die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG gegeben sind, prüft
    das Bundesverfassungsgericht, wobei dem Gesetzgeber im Hinblick auf die zulässigen
    Zwecke einer bundesgesetzlichen Regelung und deren Erforderlichkeit
    im gesamtstaatlichen Interesse eine Einschätzungsprärogative zusteht.


    3. Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber im Steuerrecht einen weit reichenden
    Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstands
    als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der
    einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich ihrerseits am Gleichheitssatz
    messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen
    Ausgangstatbestands). Sie bedürfen eines besonderen sachlichen
    Grundes. Dabei steigen die Anforderungen an die Rechtfertigung mit Umfang
    und Ausmaß der Abweichung.


    4. Die Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens
    in §§ 13a und 13b ErbStG ist angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten
    mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.


    a) Es liegt allerdings im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und
    mittelständische Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden,
    zur Sicherung ihres Bestands und damit auch zur Erhaltung der Arbeitsplätze
    von der Erbschaftsteuer weitgehend oder vollständig freizustellen. Für jedes Maß der Steuerverschonung benötigt der Gesetzgeber allerdings
    tragfähige Rechtfertigungsgründe.


    b) Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens ist
    jedoch unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner
    und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.


    c) Die Lohnsummenregelung ist im Grundsatz verfassungsgemäß; die Freistellung
    von der Mindestlohnsumme privilegiert aber den Erwerb von Betrieben
    mit bis zu 20 Beschäftigten unverhältnismäßig.


    d) Die Regelung über das Verwaltungsvermögen ist nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG
    vereinbar, weil sie den Erwerb von begünstigtem Vermögen selbst dann uneingeschränkt
    verschont, wenn es bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen
    besteht, ohne dass hierfür ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund vorliegt.


    5. Ein Steuergesetz ist verfassungswidrig, wenn es Gestaltungen zulässt, mit denen
    Steuerentlastungen erzielt werden können, die es nicht bezweckt und die
    gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind.


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