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  • · Nachricht · Grunderwerbsteuer

    Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bei Übernahme der einem Dritten zustehenden Nutzungen am erworbenen Grundstück

    | Wird bei einem Grundstückskaufvertrag die grundsätzliche Verpflichtung des Verkäufers, das Grundstück frei von Rechtsmängeln zu übergeben (§ 433 Abs. 1, § 435 BGB), vertraglich abbedungen, belässt der Grundstückskäufer also die Nutzungen dem Verkäufer (oder einem Dritten) über diesen Zeitpunkt hinaus, liegt darin ein geldwerter Vorteil, den der Käufer für den Erwerb der Sache hingibt. Dies rechtfertigt die Einbeziehung der dem Verkäufer bzw. dem Dritten vorbehaltenen Nutzungen in die Gegenleistung gem. § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (FG Baden-Württemberg 8.7.22, 5 K 2500/21, EFG 22, 1927; Rev. BFH II R 32/22, Einspruchsmuster ). |

     

    Im Streitfall war das FG zu der Überzeugung gelangt, dass das Wohnrecht auch nach der Grundstücksveräußerung mit Zustimmung des Käufers bestehen geblieben ist, der Käufer insofern dem Verkäufer bzw. einem Dritten vorbehaltene Nutzungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG übernommen hat, ohne dass hierfür eine Vergütung geleistet worden ist. Erst unter Berücksichtigung des Wohnungsrechts habe der Veräußerer einen angemessenen Kaufpreis erhalten.

     

    Rechtslage: Zur Gegenleistung gehören gemäß § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auch die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Dies sind solche Nutzungen, die der Verkäufer sich (oder einem Dritten) über den Zeitpunkt hinaus vorbehält, in dem der Besitz auf den Erwerber übergeht (§ 446 BGB). Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf Nutzungen aller Art (u. a. Nießbrauchs- und Wohnungsrechte), und zwar auch auf die bei Vornahme des Erwerbsvorgangs neu begründeten Nutzungsrechte (vgl. u. a. Pahlke, GrEStG, § 9 Rz. 103 ff.; Konrad in: Behrens/Wachter, GrEStG, § 9 Rz. 177 f.). Leistungen des Käufers, die nicht den der GrESt unterliegenden Rechtsvorgang betreffen, insbesondere also für eine andere Leistung aufgewendet werden als für die Verpflichtung, Besitz und Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, scheiden demgegenüber als Gegenleistung i. S. v. § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus. Werden somit dem Grundstückskäufer die (zugunsten des Verkäufers oder eines Dritten) vorbehaltenen Nutzungen gegen ein angemessenes Entgelt vergütet, liegt darin keine Gegenleistung für das Grundstück i. S. v. § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (vgl. BFH 6.12.17, II R 55/15, BStBl. II 18, 406). Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 GrEStG zählen zur Gegenleistung auch die Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber übergehen. Zur Gegenleistung gehören jedoch nicht die auf dem Grundstück ruhenden dauernden Lasten (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 GrEStG).

     

    PRAXISTIPP | Für die praktische Rechtsanwendung der § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 letzte Alt. GrEStG und § 9 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 GrEStG bleibt der Ausgang der beim BFH anhängigen Revisionsverfahren II R 5/22 (Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg 4.3.21, 12 K 12271/19 betr. Umfang der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung bei Erwerb eines Erbbaurechts und schuldrechtlich vereinbartem, aber noch nicht in das Grundbuch eingetragenem Nießbrauchrecht der Grundstückseigentümerin) und II R 32/22 abzuwarten. Bis zu höchstrichterlichen Klärung sollten betroffene Steuerbescheide unbedingt offengehalten werden.

     
    Quelle: ID 49019291