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  • · Nachricht · Fahrtkosten als Werbungskosten

    Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Fiktion einer Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte

    | Nach dem in § 9 Abs. 4 S. 8 EStG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers gilt als erste Tätigkeitsstätte auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird. Das Sächsische FG hält diese ‒ rechtsprechungsbrechende ‒ Regelung für verfassungsgemäß ( FG Sachsen 13.12.17, 5 K 133/17, EFG 18, 363; NZB BFH VI B 8/18, Einspruchsmuster ). |

     

    Im Streitfall beantragte die Klägerin für die Streitjahre 2014 und 2015 für eine Zweitausbildung weiterhin die Berücksichtigung ihrer Aufwendungen nach Dienstreisegrundsätzen. Sie vertrat die Auffassung, die verschärfende Neuregelung des § 9 Abs. 4 S. 8 EStG sei wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig, weil dadurch weniger Ausbildungskosten steuerlich geltend gemacht werden könnten, als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen einer Arbeitsförderung gemäß §§ 81 ff. SGB III an Kostenerstattung erhielten. Dies entspreche nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Folgerichtigkeit. Eine verfassungswidrige Ungleichheit ergebe sich außerdem im Hinblick auf die Regelung in § 3 Nr. 2a EStG, wonach u. a. Leistungen nach dem SGB III umfassend von der Steuer befreit seien. FA und FG folgten der Argumentation der Klägerin nicht.

     

    PRAXISTIPP | Nach der bis einschließlich 2013 geltenden Rechtslage waren Fahrtkosten von Studentinnen und Studenten zur Hochschule im Rahmen einer Zweitausbildung nicht mit der Entfernungspauschale, sondern in tatsächlicher Höhe als ‒ vorab entstandene ‒ Werbungskosten zu berücksichtigen. Dies hing damit zusammen, dass der BFH vollzeitig besuchte Bildungseinrichtungen (Hochschule, Universität etc.) nicht als regelmäßige Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG a.F. qualifizierte (vgl. BFH 9.2.12, VI R 42/11, BStBl. II 13, 236; VI R 44/10, BStBl. II 13, 234). Die gesetzgeberische Zuordnungsentscheidung (Bildungseinrichtung bei Vollzeitstudium/vollzeitiger Bildungsmaßnahme = erste Tätigkeitsstätte) führt dagegen dazu, dass Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte auch für Studierende im Rahmen einer Zweitausbildung nur in Höhe der sog. Entfernungspauschale steuerlich berücksichtigt werden (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG). Verpflegungsmehraufwand kann nur bei einer Tätigkeit außerhalb von Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (mindestens 8 Stunden) geltend gemacht werden (§ 9 Abs. 4a EStG).

     

    Es bleibt abzuwarten, ob der BFH auch diese Problematik des neuen Reisekostenrechts, zu dem bereits zahlreiche Revisionen zu anderen Problemstellungen rund um den neuen Begriff der ersten Tätigkeitsstätte anhängig sind, über die Zulassung der Revision an sich zieht, um höchstrichterlich Stellung zu beziehen. Jedenfalls finden sich auch in der steuerrechtlichen Literatur gewichtige Stimmen, die verfassungsrechtliche Bedenken vorbringen (vgl. etwa Bergkemper, FR 13, 1017; Kreft/Bergkemper in: Hermann/Heuer/Raupach, § 9 Anm. 9a, 562). Bis zur Klärung der Rechtslage ist einstweilen zu empfehlen, die Kosten weiterhin nach Dienstreisegrundsätzen zu erklären, bei zu erwartender Kürzung durch das FA Einspruch einzulegen und das Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen anzuregen.

     
    Quelle: ID 45311288