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  • · Nachricht · Abgabenordnung

    Verfassungsmäßigkeit von § 238 Abs. 1a AO im Falle von Erstattungszinsen

    | § 238 Abs. 1a AO begründet bei der Vollverzinsung von Steuererstattungsbeträgen nach § 233a AO nach Auffassung des FG Düsseldorf (11.4.25, 3 K 1094/23 AO; Rev. BFH I R 16/25 ; Einspruchsmuster ) eine echte Rückwirkung i. S. d. verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots, wenn der Zinsanspruch, der auch Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.19 umfasst, dem Grunde nach vor Inkrafttreten von § 238 Abs. 1a AO entstanden ist. Die echte Rückwirkung sei verfassungsrechtlich jedoch zulässig, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Entstehung des Zinsanspruchs im Hinblick auf den BVerfG- Beschluss vom 8.7.21 (1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17) nicht mehr auf eine Fortgeltung des Zinssatzes nach § 238 Abs. 1 AO vertrauen durfte. |

     

    Im Streitfall wurden die aus ESt-Änderungsbescheiden resultierenden Steuererstattungen der Kläger mit Inkrafttreten von § 238 Abs. 1a AO ‒ ab dem 1.1.19 ‒ rückwirkend nur noch mit 1,8 % p. a. verzinst. Nach Auffassung der Kläger führte die gesetzliche Neuregelung in ihrem Fall zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung.

     

    Hinzu kam, dass das beklagte FA selbst die zwischen den Beteiligten der Höhe nach unstreitigen Zinsen zunächst nicht festgesetzt, sondern es ‒ unter Verweis auf die noch nicht vorliegenden technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine Anwendung der Neuregelung ‒ mehr als zwei Jahre lang bei der vorläufigen Aussetzung der Zinsfestsetzungen für die Zeiträume ab dem 1.1.19 belassen hatte. Im Hinblick darauf forderten die Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren über die Verzinsung der Steuererstattungsbeträge hinaus erstmals auch eine Verzinsung der Erstattungszinsen.

     

    Nach Ansicht des FG war im Streitfall dem Vertrauen auf eine Verzinsung zu 6 % p. a. durch den BVerfG-Beschluss vom 8.7.21 die Grundlage entzogen worden. Auch unter Gleichheitsaspekten hatte das FG keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Den Antrag auf Festsetzung von Zinseszinsen sah das FG bereits als unzulässig an, da der im Falle einer Verpflichtungsklage erforderliche vorhergehende Antrag bei der Behörde nicht gestellt worden war. Im Übrigen führte das FG (lediglich erläuternd) aus, dass die Klage insoweit auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte, weil § 233 S. 2 AO die Verzinsung steuerlicher Nebenleistungen ausdrücklich ausschließe.

     

    PRAXISTIPP | Abgesehen von der zu klärenden verfassungsrechtlichen Rückwirkungsproblematik hat das Zinsgefälle zwischen § 238 Abs. 1 AO (6 % p. a.) und § 238 Abs. 1a AO (1,8 % p. a.) auch Auswirkungen für die Abwehrberatung. Erfolgt die Herabsetzung einer Steuerschuld aufgrund eines gerichtlichen Verfahrens, wird der Erstattungsbetrag zugunsten des Stpfl. mit 6 % verzinst (Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge, § 236). Erfolgt die Herabsetzung demgegenüber bereits im Veranlagungsverfahren oder im Einspruchsverfahren, wird der Erstattungsbetrag nach § 233a AO nur mit 1,8 % verzinst. Dies ist sachlich nicht zu begründen (Seer, DB 22, 1795 [1802]). Die Chance auf eine Verzinsung etwaiger Steuererstattungen mit dem attraktiven Zinssatz des § 238 Abs. 1 AO besteht nun nur noch durch Initiierung eines finanzgerichtlichen Klageverfahrens. Mit der Aussetzung oder dem Ruhen des Einspruchsverfahrens nach § 363 AO kann damit aus der Perspektive der Steuerpflichtige je nach Einzelfall und Abschätzung des Prozess- und Kostenrisikos eine nachteilige wirtschaftliche Facette verbunden sein (Anmerk. Schilling, EFG 25, 986, 991). Die weitere Rechtsentwicklung ist daher aufmerksam zu verfolgen.

     
    Quelle: ID 50571851