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· IW-Gutachten

„Soli“ ab 2021: 6 Millionen zahlen weiter ‒ Prüfen Sie hier, was das konkret bedeutet ...

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will am 08.03.20 den nächsten regulären Koalitionsgipfel nutzen, um die für 2021 geplante Soli-Teilabschaffung schon früher wirksam werden zu lassen.
Bild: Pressefoto, Bundesministerium der Finanzen

von Jörg Thole, Chefredakteur, IWW Institut

| „Abschaffung des Soli für fast alle.“ So lobte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) seine Reform zum Solidaritätszuschlag. Doch 6 Millionen Steuerpflichtige müssen weiter zahlen. Das hat jetzt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln nachgerechnet. „Eine nicht gerechtfertigte Belastung“, so das Fazit des Gutachtens. Übrigens: Für 14,6 Mio. Steuerzahler bringt die „Abschaffung für fast alle“ keinen Vorteil! Prüfen Sie anhand von 7 Fallbeispielen, was das für Sie bedeutet. |

 

Mit Bundestagsbeschluss vom 14.11.2019 soll der Soli ab 2021 zwar für 90 Prozent wegfallen. Doch obwohl das Staatssäckel randvoll ist und auch der Solidarpakt II Ende 2019 ersatzlos ausgelaufen ist, zahlen viele Menschen und Unternehmen weiter ‒ in 2020 unverändert und ab 2021 je nach Einkommen.

 

Beachten Sie |

  • Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will am 08.03.20 den regulären Koalitionsgipfel nutzen, um die für 2021 geplante Soli-Teilabschaffung schon früher wirksam werden zu lassen.
  • Der Verband „Initiative Neue Soziale Marktwirtschafte“ (INSM) hat Verfassungsklage gegen das Gesetz angekündigt (siehe Video am Beitragsende)

 

 

Detailbetrachtung

Zwar halbiert sich die Belastung ab 2021, weil die bestehende Freigrenze in der Lohn- und Einkommensteuer verschoben wird (von 972 Euro auf 16.956 Euro gezahlte Einkommensteuer). Aber es gibt Verwerfungen: Knapp 6 Millionen Personen zahlen weiterhin den Solidaritätszuschlag ‒ wenn auch vermindert. Konkret:

 

  • 3,7 Millionen Personen (10 Prozent), die bisher Solidaritätszuschlag zahlen, werden teilweise oder gar nicht entlastet.
    • 900.000 Menschen (wegen hohen Einkommens) zahlen weiterhin voll und
    • 2,8 Millionen teilweise.
  • Auf Kapitalertrag- und die Körperschaftsteuer wird der Soli unverändert erhoben. Das heißt: Alle, die Kapitalerträge erzielen, zahlen auch bei niedrigem Lohn/Rente weiter. Nach Angaben des IW betrifft das 2,2 Millionen Personen.
  • 500.000 Unternehmen müssen den Soli auf die Körperschaftsteuer zahlen.

 

Der Verband „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) hatte das Gutachten beauftragt. IW und INSM halten den Wegfall für geboten und „fiskalisch verkraftbar“. Die jüngsten erheblichen Haushaltsüberschüsse rechtfertigten ein Festhalten an der Zwangssteuer nicht.

IW greift die Argumentation der Bundesregierung scharf an

Die Bundesregierung argumentiert:

  • 1. Besteuerungsprinzip nach Leistungsfähigkeit (Starke schultern Schwache)
  • 2. Konsumquote bei kleinen / mittleren Einkommen erhöhen
  • 3. Wiedervereinigungsbedingte finanzielle Lasten

 

Das IW zweifelt an dieser Argumentation:

  • 1. Für die Leistungsfähigkeit ist bereits der Einkommensteuertarif ausreichend.
  • 2. Steuersystematische (dauerhafte) Regeln sollten keine konjunkturpolitischen (kurzfristigen) Ziele haben.
  • 3. Wiedervereinigungsbedingte finanzielle Lasten werden nicht belegt und stehen nicht im Einklang mit dem Auslaufen des Solidarpakts II.

 

  • Zitat aus dem IW-Gutachten

„Insgesamt übertreffen die Einnahmen seit Erhebung des Solidaritätszuschlags zur expliziten Bewältigung finanzieller Lasten aus der Wiedervereinigung die Ausgaben aus den Zahlungsverpflichtungen für Solidarpakt I und II um insgesamt 87 Milliarden Euro (1995 bis 2019). Im Jahr 2020 erhöht sich das Delta auf 107 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung der Bundesregierung für die Zeit ab 2021, dass auch der fortgeführte Teil der Ergänzungsabgabe die fortbestehenden Lasten nicht vollständig decken wird, kaum nachvollziehbar.“

 

 

Bild: © BMF, Institut der deutschen Wirtschaft, Grafik IWW Institut

 

Wer muss künftig zahlen und wer nicht (IW-Angaben)

Eine mögliche Entlastung bezieht sich ausschließlich auf Lohn- und veranlagte Einkommensteuer.

 

Keine Entlastung spüren ... 14,6 Mio. Steuerpflichtige

  • 13,7 Mio. Einkommensteuerpflichtige, die ein zu versteuerndes Einkommen unter 14.530 Euro beziehen. Sie mussten auch bisher keinen Soli zahlen.
  • 0,9 Mio. Einkommensteuerpflichtige, die ein zu versteuerndes Einkommen von über 96.410 Euro (oberhalb der Gleitzone) beziehen. Sie zahlen den vollen Soli (5,5 % auf die Einkommensteuer) unverändert weiter.

 

Eine teilweise Entlastung haben ...

  • 2,8 Mio. Einkommensteuerpflichtige, die sich in der Gleitzone befinden. Sie haben ein zu versteuerndes Einkommen zwischen 61.717 Euro und 96.410 Euro.

 

Vollständig befreit sind ...

  • 33,7 Mio. Einkommensteuerpflichtige. Sie haben ein zu versteuerndes Einkommen unterhalb der neuen Freigrenze von 61.717 Euro (maximale Entlastung von 933 Euro pro Jahr).

 

Sieben Fallbeispiele: Das gilt ab 2021

Fall 1:

Alleinstehend oder

alleinerziehend (bis drei Kinder) Verdienst 50.000 Euro brutto/Jahr

Das zu versteuernde Einkommen entspricht in Abhängigkeit von Sozialbeiträgen und vor Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen 83 bis 88 Prozent des Bruttolohns

 

befreit

 

 

Fall 2:

Ehepaar (Doppelverdiener)

Verdienst 80.000 Euro (Mann) + 70.000 Euro (Frau) brutto/Jahr

Das entspricht jeweils etwa 1,5-fachen Durchschnittsverdienst. Das Ehepaar profitiert von der Gleitzone bei Zusammenveranlagung (nicht der volle Soli wird fällig [nur 428 Euro]).

 

nicht befreit

 

 

Fall 3:

Familie (zwei Kinder)

Mann ist Alleinverdiener: 75.000 Euro

Wegen des Splittingtarifs und der Kinderfreibeträge, die zur Ermittlung des Soli berücksichtigt werden, ist die Familie befreit.

 

befreit

 

 

Fall 4:

Leitender Angestellter mit Jahresbruttogehalt von

110.000 Euro

Es sind nicht nur „Reiche“, die den vollen Soli wie bisher zahlen müssen. 0,9 Millionen Personen verdienen oberhalb der Gleitzone.

 

nicht befreit

 

 

Fall 5:

Pensionär seit 2020 mit Rentenbezügen von 2.300 Euro /Monat

Zusätzliche Kapitaleinkünfte: Zinsen / Dividenden aus Aktiendepot, in Höhe von 12.000 Euro bestreitet

Auf die Rente muss der Pensionär keinen Soli zahlen; auf die Kapitaleinkünfte jenseits des Sparerpauschbetrags schon

nicht befreit (Kapitaleinkünfte)

 

 

Fall 6a

Einzelunternehmer mit 60.000 Euro Gewinn

 

Fall 6b

Unternehmer einer Kapitalgesellschaft mit 60.000 Euro Gewinn

 

befreit

 

 

nicht befreit

Wenn im Fall der Kapitalgesellschaft keine zusätzlichen Einkünfte auf persönlicher Ebene bei dem Unternehmer vorhanden sind, fällt ab 2021 bei Ausschüttung zumindest kein weiterer Soli an, da der Steuersatz in der Einkommensteuer geringer ist als die Abgeltungsteuer plus Soli (Günstigerprüfung).

Je nach Unternehmensrechtsform ist die Rückführung des Soli unsystematisch erfolgt.

 

 

Fall 7

GmbH, 200 Mitarbeiter, Jahresumsatz 20 Mio. Euro; Umsatzrendite 5 %, Vorsteuergewinn 1 Mio. Euro

 

nicht befreit

Neben 30 % Körperschaft- und Gewerbesteuer beträgt der Soli 0,825 % des Gewinns (5,5 Prozent auf die Körperschaftsteuer in Höhe von 150.000 Euro). Dies gilt, wenn der Gewinn zum Beispiel für Investitionszwecke thesauriert wird.

 

Bei einer Ausschüttung kommt es möglicherweise zu weiteren Belastungen auf Ebene der Anteilseigner (Fall 6).

 

 

 

zusätzliche Belastung möglich

 

INSM erhebt Verfassungsklage gegen den Soli

 

Quelle | IW-Kurzgutachten „Auswirkungen der Reform des Solidaritätszuschlags auf die Steuerzahler“ Berechnungen anhand ausgewählter Fallbeispiele, Dr. Martin Beznoska Dr. Tobias Hentze im Auftrag von INSM ‒ Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH

Quelle: ID 46359843