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· Arbeitsgericht Ulm

Obszönes Foto an Kollegin gesendet: Arbeitsgericht Ulm widerspricht der Kündigung

Bild: © zinkevych - stock.adobe.com

| Fristlos gekündigt wurde ein Mitarbeiter eines Pharmaunternehmens aus der Region Ulm, weil er im Juli 2019 ein obszönes Bild seines erigierten Geschlechtsteils per Whatsapp an eine Kollegin übersandt hatte. Doch die Kündigung hat er angefochten ‒ mit Erfolg (AG Ulm, Urteil vom 10.01.2020, Az. 1 Ca 93/19). Lesen Sie, warum der Fall nicht kündigungsfähig war. |

Obszöne Fotos rechtfertigen die Kündigung ‒ eigentlich ...

Der Kläger und die geschädigte Arbeitskollegin arbeiteten in derselben Abteilung. An einem Sonntag übersandte der Kläger der Kollegin außerhalb der Arbeitszeit auf ihr Privathandy eine Nachricht per Whats-App mit dem Foto „seines erigierten Penis“, schreibt das Arbeitsgericht Ulm. Die Kollegin beschwerte sich daraufhin beim Arbeitgeber. Und der kündigte das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters prompt und fristlos sowie hilfsweise unter Einhaltung der Kündigungsfrist ordentlich. Das Unternehmen hielt eine Weiterbeschäftigung des 57-jährigen Mannes für unzumutbar. Doch der Mitarbeiter wollte nach Auskunft seines Anwalts seinen Arbeitsplatz zurück, weil er zu alt sei, um eine neue Stelle zu finden, berichtet die Südwest Presse von dem Fall.

Entscheidungsgründe gegen die Kündigung

Obwohl das Gericht klarstellt, dass die Kündigung im Grundsatz gerechtfertigt wäre, musste es den Einzelfall umfassend untersuchen. Dabei stellte sich heraus: Neben der beruflichen Zusammenarbeit hatte der 57-jährige Kläger auch privaten Kontakt zu der Frau. Bis zu dieser Bild-Nachricht per Whats-App waren beide über Jahrzehnte eng befreundet. Diese Tatsache führte letztlich dazu, dass die Kündigung für unwirksam erklärt wurde.

 

Beachten Sie | Die Übersendung eines obszönen Fotos ‒ wie in diesem Fall ‒ ist grundsätzlich geeignet, sowohl nach § 626 Abs. 1 BGB die fristlose Kündigung als auch nach § 1 Abs. 1 KSchG die hilfsweise ordentliche Kündigung zu begründen.

 

  • Die Empfehlung des Gerichts

Das Unternehmen hätte vor dem Hintergrund des langjährigen privaten Kontakts eine Versetzung des langjährigen Angestellten bevorzugen müssen. Das gelte umso mehr, als nach dem Abbruch der privaten Beziehungen der Geschädigten zum Kläger weitere Belästigungen eher unwahrscheinlich erscheinen.

 

Weitere Me-too-Vorwürfe

Wie die Südwest Presse mitteilt, hat der Vorfall im Unternehmen weite Wellen geschlagen. Auch andere Arbeitnehmerinnen hätten sich „über unsittliche Berührungen des 57-Jährigen“ beschwert. Allerdings konnte das Gericht mangels eindeutiger Datierungen und Dokumentationen der Vorfälle, diese nicht weiter gewichten, um eine Kündigung zu rechtfertigen.

 

 

 

(JT mit PM des AG Ulm)

Quelle: ID 46395282