Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo

· Kündigung & Co.

Der Social Media-Post als Abmahnungs- oder Kündigungsgrund

Bild: IWW/canva

| Als Arbeitgeber müssen Sie fremdenfeindliche oder beleidigende Äußerungen ihrer Arbitnehmer per se nicht hinnehmen. Dies gilt für öffentliche Äußerungen am Arbeitsplatz, aber unter Umständen auch für öffentliche Statements im Netz. Zum Beispiel für Postings von ArbN in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Co, auf persönlichen Blogs oder Youtube-Kanälen. Doch wo sind die Grenzen? Und wie können Sie vorab für Ruhe sorgen? |

1. Die rechtlichen Möglichkeiten

Die in Art. 5 GG verankerte Meinungsfreiheit räumt zwar jedem das Recht ein, seine Meinung frei zu äußern. Dies gilt auch für Kommentare und Äußerungen im Internet. Es gibt jedoch im Netz oder außerhalb Grenzen: Die Meinungsfreiheit kann insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG) und allgemeine Gesetze beschränkt werden. Folgende Sanktionsmöglichkeiten sind dabei möglich:

 

  • 1. Die Ermahnung
  • 2. Die Abmahnung
  • 3. Die Kündigung (fristgemäß/fristlos).

 

Wichtig dabei ist, dass bei der Abwägung unterscheiden werden muss, ob der private oder öffentliche ArbG von Äußerungen betroffen ist:

 

  • Bei privaten ArbG: Grundsätzlich ist nur das Verhalten innerhalb des Betriebs maßgeblich, es sei denn, es hat Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis.
  • Bei öffentlichem ArbG: Es kann auch das Verhalten außerhalb des Betriebs eine Rolle spielen.

2. Öffentliche Beleidigung = fristlose Kündigung?

Ein wichtiger Grund liegt z. B. vor, bei öffentlicher Beleidigung des ArbG. Wer seinen ArbG z. B. auf Facebook oder einer Feier beschimpft, herabwürdigt oder beleidigt, gefährdet den Betriebsfrieden. Dafür riskieren sogar Azubis die fristlose Kündigung, so auch das LAG Hamm (10.10.12, Az. 3 Sa 644/12, Abruf-Nr. 123289).

 

Im vorliegenden Fall legte der ArbG, eine Internetdienstleistungsagentur, Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm ein. Das LAG sah die Äußerungen des Azubis auf seinem facebook-Profil über seinen ArbG als „Menschenschinder und Ausbeuter“ als Beleidigungen an und änderte das erstinstanzliche Urteil ab. Die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses, die wegen beleidigender Äußerungen auf dem Facebook-Profil des Auszubildenden erfolgte, sei wirksam. Es liege eine Beleidigung gegenüber des Ausbilder vor. Der Auszubildende habe nicht annehmen dürfen, dass diese Äußerungen keine Auswirkungen auf den Bestand des Ausbildungsverhältnisses haben würden. Die Äußerung sei einer Vielzahl von Personen zugänglich gewesen auch die Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses stünden der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nicht entgegen, da der Azubi bei Zugang der Kündigung bereits 26 Jahre alt gewesen sei.

 

Rechtsprechungsübersicht / Äußerungen der ArbN in sozialen Netzwerken

Wichtiges Grundsatzurteil: BAG 10.12.09, 2 AZR 534/08, Abruf-Nr. 166699

Auch wenn ArbN sich in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen äußern, dürfen sie nach BAG-Rechtsprechung regelmäßig darauf vertrauen, dass ihre Äußerungen nicht nach außen getragen werden.

 LAG Niedersachsen 21.3.19,13 Sa 371/18

Abruf-Nr. 208367

ArbG kündigte ArbN, weil er sich nach seiner Ansicht in der Öffentlichkeit mit rechtsradikalem und verfassungswidrigem Verhalten dargestellt habe. Der Vorfall passierte auf Mallorca, über den auch in den Medien berichtet wurde: Konkret hatte eine Personengruppe in einer Disco eine schwarz-rot-weiße Flagge ausgelegt, die der Reichskriegsflagge nachempfunden war. Der seit 1998 bei VW beschäftigte ArbN befand sich in dieser Diskothek. Wegen des Vorfalls wurde er auch von einer Zeitung über sein privates Facebook-Profil kontaktiert. Der ArbN forderte die Zeitung auf, ihn und seinen ArbG nicht namentlich zu nennen.

 

Das LAG Niedersachsen erklärte die Kündigung für unwirksam. Bei dem Verhalten des ArbN habe es sich um ein außerdienstliches Verhalten gehandelt. Dieses private Verhalten habe keine Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt.

Arbeitsgericht Mainz 15.11.17, u. a. 4 Ca 1240/17,

Abruf-Nr. 200726

Kündigung wegen fremdenfeindlicher Äußerungen per WhatsApp unwirksam: Vier Mitarbeiter des Wormser Ordnungsamts tauschten in einer privaten WhatsApp-Gruppe auf ihren Smartphones unter anderem fremdenfeindliche Bilder aus. Alle waren im Vollzugsdienst des Ordnungsamts tätig. Der ArbG kündigte ihnen aus diesem Grund fristlos.

 

Das Arbeitsgericht sah im Verhalten der Mitarbeiter keinen Kündigungsgrund. Äußerungen und Bildertausch seien auf den privaten Smartphones der Mitarbeiter geschehen, weshalb diese darauf vertrauen durften, dass dies nicht nach außen getragen würde.

Arbeitsgericht Duisburg 26.9.12, 5 Ca 949/12,Abruf-Nr. 123447

Beleidigungen gegenüber Kollegen können eine Kündigung rechtfertigen. Für unwirksam hielt das Arbeitsgericht Duisburg aber die Kündigung eines ArbN, der Kollegen auf seiner Facebook-Seite als „Speckrollen“ und „Klugscheißer“ bezeichnet hatte.

 LAG Baden-Württemberg

22.6.16, 4 Sa 5/16,

Abruf-Nr. 187598

Ein ArbG, der per Facebook von einem ArbN mit dem Ausdruck „fettes Schwein“ beleidigt wird, darf nicht in jedem Fall die fristlose Kündigung aussprechen. Gegebenenfalls kann auch eine Abmahnung ausreichend sein. Es sind nach § 626 Abs. 1 BGB immer die Gesamtumstände abzuwägen.

Arbeitsgericht Stuttgart 14.3.19, 11 Ca 3737/18

Beleidigt ein ArbN über mehrere Monate seinen Arbeitskollegen verbal und schickt diesem über WhatsApp Bilder und Textnachrichten mit rassistischem Hintergrund, kann diesem fristlos gekündigt werden. Der Abschluss eines Altersteilzeitvertrags kurz vor der Kündigung stellt dabei weder einen ausdrücklichen noch konkludenten Kündigungsverzicht des ArbG dar.

 LAG Berlin-Brandenburg 19.7.21, 21 Sa 1291/20

Im Rahmen eines WhatsApp-Chats äußerte sich der ArbN in menschenverachtender Weise über Geflüchtete und herabwürdigend über Helfer. Der ArbG (ist überwiegend in der Flüchtlingshilfe tätig) kündigte fristlos und hilfsweise fristgemäß.

 

Das LAG Berlin-Brandenburg hielt die Kündigung für unwirksam. Zwar sei eine gerichtliche Verwertung der gefallenen Äußerungen im Gerichtsverfahren zulässig. Eine die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung könne jedoch nicht festgestellt werden, weil eine vertrauliche Kommunikation unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts falle. Um eine solche gehe es hier, da diese in sehr kleinem Kreis mit privaten Handys erfolgt und erkennbar nicht auf Weitergabe an Dritte, sondern auf Vertraulichkeit ausgelegt gewesen sei. Auch eine fehlende Eignung für die Tätigkeit könne allein auf dieser Grundlage nicht festgestellt werden. Besondere Loyalitätspflichten bestünden nicht, weil der Gekündigte als technischer Leiter keine unmittelbaren Betreuungsaufgaben wahrzunehmen habe. Auf das Fehlen des erforderlichen Mindestmaßes an Verfassungstreue, das von Bedeutung sei, wenn man den Verein als Teil des öffentlichen Dienstes betrachte, könne allein aufgrund dieser vertraulichen Äußerungen nicht geschlossen werden.

 

 

3. Warum sind Social Media Guidelines sinnvoll?

In vielen Unternehmen posten die ArbN immer noch munter darauf los ‒ ohne Regeln und ohne Limit. Kommt es dann zu einem Fehlverhalten des ArbN in diesen Netzwerken, das gegen die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verstoßen, entgegnet dieser im Personalgespräch häufig: „Chef, das habe ich doch nicht gewusst.“ Dabei kann auch der ArbG in seinem Unternehmen dafür Sorge tragen, um genau das zu vermeiden. Die Lösung darauf ist einfach: Social Media Guidelines. Sie sind zwar etwas aus der Mode gekommen, erfüllen aber ‒ wenn der ArbG sich einige Gedanken macht ‒ durchaus ihren Zweck.

 

Sogenannte „Social Media Guidelines“ sind eine Ergänzung des Arbeitsvertrags. Der ArbG stellt Regeln zum Umgang mit sozialen Medien auf. Die ArbN werden rechtlich darüber aufgeklärt, wer wo in welcher Form für das Unternehmen sprechen darf und welche rechtlichen Voraussetzungen dabei erfüllt sein müssen. Dabei geht es auch darum, welche Form gewahrt werden und welche Äußerungen auch hinsichtlich etwaig betroffener Betriebsgeheimnisse vermieden werden sollten.

 

Social Media Guidelines können auch Richtlinien zum Daten- und Virenschutz im Netz umfassen und eine verbindliche Regelung treffen, ob und wie umfangreich Mitarbeiter überhaupt das Internet während der Arbeitszeit nutzen dürfen.

 

In Social Media Guidelines sollten auch folgende Fragen geklärt werden:

 

  • Ist ArbN Werbung erlaubt?
  • Wie verhält es sich mit Verlinkungen?
  • Wie sieht es mit Fotos/Videos von dem Unternehmensgelände oder Innenbereichen oder Kollegen aus?
  • Müssen private Accounts besonders gekennzeichnet werden?
  • Wie umgehen mit Social media Challenges?
  • Wie umgehen mit „Cyberstalker“?
Quelle: ID 49333474