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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Sachverständigenkosten: BGH lehnt Nebenkostendeckelung ab

    • 1. Der Schätzung der Höhe der erforderlichen Sachverständigenkosten nach § 287 Abs. 1 ZPO müssen tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen. Sie darf nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen.
    • 2. Die losgelöst von den Umständen des Einzelfalls erfolgte Beurteilung des Tatrichters, die von einem Sachverständigen zusätzlich zu einem Grundhonorar berechneten Nebenkosten seien in Routinefällen grundsätzlich in Höhe von 100 EUR erforderlich, während sie, soweit sie diesen Betrag überstiegen, erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig seien, entbehrt einer hinreichenden tragfähigen Grundlage.
    • 3. Zum Antrag auf Feststellung der Verpflichtung, auf verauslagte Gerichtskosten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

    (BGH 22.7.14, VI ZR 357/13, Abruf-Nr. 142423)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Kl., ein Kfz-Sachverständiger, nimmt die beklagte Kfz-Fahrerin aus abgetretenem Recht einer Pkw-Besitzerin auf Ersatz restlicher Sachverständigenkosten in Anspruch. Für seine Tätigkeit stellte er 787,01 EUR incl. MwSt. in Rechnung, davon 434 EUR netto Grundhonorar und 227,35 EUR netto Nebenkosten. Der Haftpflicht-VR zahlte vorprozessual nur 252,50 EUR. Von dem eingeklagten Differenzbetrag hat das AG 502,77 EUR zugesprochen. Auf die Berufung der Bekl. hat das LG diesen Betrag auf 382,96 EUR reduziert, weil es bei den Nebenkosten nur pauschal 100 EUR zzgl. MwSt. anerkannt hat.

     

    Der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen. Dieses habe seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt, indem es Nebenkosten nur in Höhe von pauschal 100 EUR anerkannt habe. Zwar seien einige Pauschbeträge in der - unbezahlten - Honorarrechnung als erkennbar deutlich überhöht zu bewerten (z.B. 1,05 EUR/km oder pro Foto 2,45 EUR). Auch sei nicht zu beanstanden, dass das LG die BVSK-Honorarbefragung mit Blick auf die Nebenkosten für eine ungeeignete Schätzgrundlage halte. Für verfehlt hält der BGH indes die Beurteilung des LG, in Routinefällen seien Nebenkosten grundsätzlich nur in Höhe von 100 EUR „erforderlich“, ein höherer Betrag nicht ersatzfähig. Eine solche „Nebenkostenpauschale“ losgelöst von den tatsächlichen Aufwendungen des Kl. festzusetzen, verstoße gegen § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO.

     

    Was den Zins-Feststellungsantrag angeht, hält der BGH die Revision des Kl. für unbegründet. Dieser hatte damit vor dem AG Erfolg gehabt, während das LG den Antrag als unbegründet zurückgewiesen hat. Die strittige Frage, ob dem Geschädigten neben dem Zinsanspruch aus § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO ein Anspruch auf Ersatz eines konkreten Zinsschadens (entgangene Zinsen oder Finanzierungszinsen) zustehe, lässt der BGH offen. Einen derartigen Anspruch mache der Kl. nicht geltend und für den streitgegenständlichen Anspruch aus § 288 Abs. 1 S. 1 BGB fehle es an einer schlüssigen Begründung.

     

    Praxishinweis

    Nach dem Grundsatzurteil des BGH vom 11.2.14, VA 14, 56 = NJW 14, 1947 eine weitere Entscheidung zum Ersatz von Sachverständigenkosten, diesmal mit Schwerpunkt „Nebenkosten“. Dass der BGH die Nebenkosten-Rspr. der 13. ZK des LG Saarbrücken nicht mitmachen werde, war zu erwarten (krit. auch OLG Saarbrücken 8.5.14, 4 U 61/13, Abruf-Nr. 142358). Etwas überraschend ist die Urteilsaufhebung. Denn der BGH hätte mit guten, zumal auch eigenen Gründen (Urt. v. 11.2.14, Tz. 10) den Weg einschlagen können, den das OLG Saarbrücken (a.a.O.) gegangen ist: Anerkennung des vollen Nebenkostenbetrags wegen Ex-ante-Unerkennbarkeit einer (deutlichen!) Überhöhung. Allerdings war der SV im OLG-Fall nur Streithelfer, während er im vorliegenden Fall als Kläger auftritt. Auch bei dieser Konstellation kommt es zwar für die subjektive Schadensbetrachtung wie für § 254 Abs. 2 BGB auf die persönlichen Verhältnisse des Zedenten (Geschädigten) an. Die Gerichte kennen indes vielfältige Wege, um im Fall von Zessionsklagen die Dinge endergebnisorientiert geradezurücken, z.B. die dolo agit Einrede (s. auch OLG Dresden VA 14, 75 mit fragwürdiger Kappungsgrenze bei 25 Prozent).

     

    Weiterhin bemerkenswert ist ein unauffälliger Zusatz unter Rn. 16 des Urteils. In Bezug auf die Darlegungslast des Geschädigten heißt es, sie werde regelmäßig durch Vorlage der - von ihm beglichenen - Rechnung erfüllt. Dass die Rechnung (voll) bezahlt sein muss, hat der VI. ZS mit Blick auf die Darlegungslast in früheren Entscheidungen nicht verlangt (z.B. VA 14, 56 = NJW 14, 1947; VA 14, 19 = VersR 13, 1590), wohl aber, freilich nicht durchgängig, als Voraussetzung einer Indizwirkung. Zusätzlich irritiert seine zum Leitsatz erhobene Aussage, der Geschädigte genüge regelmäßig seiner Darlegungs- und Beweislast durch Vorlage der Rechnung eines „Fachunternehmens“ (VA 14, 19 = VersR 13, 1590). Nach Rn. 27 sind damit nicht nur Reinigungsunternehmen gemeint.

     

    Die Rechnung für sich allein genommen hat bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO grundsätzlich keine indizielle Bedeutung. Papier ist geduldig. Nur der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden Preisvereinbarung tatsächlich gezahlte Betrag kann ein Indiz für die Bestimmung des - ex ante zu bemessenden - „erforderlichen“ Betrags sein (so BGH in Rn. 16 des hier vorgestellten Urteils). Anders liegen die Dinge bei der Darlegungslast. Zu deren Erfüllung muss grundsätzlich überhaupt keine Rechnung vorlegt werden. Wird sie vorgelegt, macht der Kläger sich deren Inhalt zu eigen und steigert damit die Darlegungstiefe. Ein „Bezahlvermerk“ bedeutet eine weitere Substanziierung. Erst sie, nicht schon die bloße Rechnungsvorlage, nimmt dem Schädiger/VR die Möglichkeit des einfachen Bestreitens.

     

    Für die forensische Praxis von Bedeutung ist ferner, was der BGH im Anschluss an sein Urteil vom 11.2.14 (Rn. 15) zum Zins-Feststellungsantrag ausführt. Dieser Komplex gehört zu den dunklen Kapiteln des Prozessalltags, nicht nur, aber gerade in Verkehrsunfallsachen. Was nicht geht, ist nach der BGH-Rspr. klar, wie man es als Anwalt richtig macht, weiterhin offen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Aus der hochgradig zersplitterten Judikatur der Instanzgerichte zur Zinsfrage instruktiv Thür. OLG 25.9.13, 7 U 180/13, Abruf-Nr. 142050; OLG Karlsruhe NJW 13, 473.
    • Zum Ganzen (mit Musterformulierungen) Saenger/Uphoff, MDR 14, 192.
    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 163 | ID 42935140