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  • · Fachbeitrag · Kaskoversicherung

    Kaskoversicherer muss bei verspäteter Schadensmeldung nicht zahlen

    | Teilt ein VN in Kenntnis seiner Anzeigepflicht seinem Kasko-VR einen Unfallschaden erst knapp sechs Monate nach dem Unfall mit, kann der VR berechtigt sein, eine Entschädigung wegen vorsätzlicher Verletzung der Anzeigeobliegenheit zu verweigern. Das hat das OLG Hamm entschieden. |

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Kl. hatte einen Schadensfall vom 23.12.15 erst Mitte Juni 2016 gemeldet. Den Vorwurf verspäteter Anzeige hat er damit zu entkräften versucht, dass er zunächst den Schädiger habe ermitteln wollen. Das sei ihm jedoch nicht gelungen. Den Streifschaden an seinem Porsche habe er im Januar 2016 begutachten und anschließend reparieren lassen. Der VR beruft sich auf Leistungsfreiheit, weil der Kl. seine Anzeigeobliegenheit vorsätzlich verletzt habe. Damit hatte er in beiden Instanzen Erfolg.

     

    Wie schon das LG Essen als Vorinstanz (18 O 357/16) hat das OLG Hamm einen Fall vorsätzlicher Verletzung der Anzeigeobliegenheit angenommen (21.6.17/26.4.17, 20 U 42/17, Abruf-Nr. 196773). Unerheblich sei, dass der Kl. zunächst den Schädiger habe ermitteln wollen, um von ihm Ersatz zu verlangen. Die Pflicht zur Schadensmeldung binnen Wochenfrist bestehe unabhängig davon, ob später tatsächlich eine Leistung des VR in Anspruch genommen werde. Die Anzeigepflicht solle sicherstellen, dass dem VR bei einer Inanspruchnahme eigene Ermittlungen möglich seien. Der Kl. habe auch vorsätzlich gehandelt. Das werde zwar nicht vermutet. Es sei hier jedoch in Form des bedingten Vorsatzes zweifelsfrei festzustellen. Auch wenn dem Kl. die Einwochenfrist nicht positiv bekannt gewesen sein sollte, habe er doch das Gebot einer Schadensmeldung gekannt und auch gewusst, dass es zeitnah zu beachten sei.

     

    Ohne Erfolg blieb der Versuch des Kl., den Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 VVG zu führen. Er hat nach Ansicht des OLG nicht nachweisen können, dass die verzögerte Anzeige nicht ursächlich dafür geworden sei, dass der VR keine Feststellungen zum Versicherungsfall und zu seiner Leistungspflicht habe mehr treffen können. Vielmehr habe der Kl. mit der vor der Schadenanzeige durchgeführten Reparatur jegliche Feststellungen des VR zu Ursache und Ausmaß des Schadens vereitelt. Mit der Einholung eines eigenen Gutachtens sei es nicht getan gewesen, zumal darin nichts zur Plausibilität und Kompatibilität der ‒ eventuell manipulierten ‒ Beschädigungen stehe.

     

    Relevanz für die Praxis

    Es steht nicht im Belieben des VN, ob und wann er einen Schadensfall seiner Kaskoversicherung meldet. Auch bei vermeintlich klarem Fremdverschulden mit voller Haftung des Unfallgegners sollte sicherheitshalber die eigene Kasko rechtzeitig benachrichtigt werden. Zudem ist bei beabsichtigter Reparatur die Weisungsobliegenheit in E.1.3.2 AKB 2015 zu beachten, was vom OLG Hamm nicht geprüft werden musste (dazu KG SP 15, 161).

     

    Die Wochenfrist in E.1.1.1 AKB 2015 (= E.1.1 AKB 2008) läuft ab dem „Versicherungsfall“ (zur objektiven Anknüpfung OLG Karlsruhe 18.2.10, 12 U 175/09, DAR 10, 204), nicht erst ab Kenntnis des VN. Andererseits gilt der Satz „ohne positive Kenntnis vom Versicherungsfall keine Anzeigepflicht.“

     

    Durch die Möglichkeit des Kausalitätsgegenbeweises wird der Einwochenregelung ein Stück weit an Schärfe genommen. Geringfügige Fristüberschreitungen lassen sich auch einigermaßen aussichtsreich als unvorsätzliche Verspätung darstellen. Bloße (einfache) Fahrlässigkeit schadet dem VN nicht. Die Beweislast für vorsätzliches Verhalten liegt beim VR, während der VN den Kausalitätsgegenbeweis zu führen hat (auch dazu OLG Karlsruhe a. a. O.).

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Obliegenheit, die Kaskoversicherung in einem Haftpflichtschadenfall in Anspruch zu nehmen (§ 254 Abs. 2 BGB), siehe OLG Naumburg in dieser Ausgabe Seite 188.
    Quelle: Ausgabe 11 / 2017 | Seite 192 | ID 44933731