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  • · Fachbeitrag · Fiktive Reparaturkosten

    Fiktive Abrechnung: Nur umrechnen auf Preise der Verweisungswerkstatt oder muss da mehr kommen?

    | Verweist der Versicherer bei der fiktiven Abrechnung von Reparaturkosten wegen Alters und fehlender Scheckheftpflege des beschädigten Fahrzeugs im Kern zu Recht auf eine andere Werkstatt, stellt sich zunehmend die Frage: Genügt es, das Schadengutachten einfach nur auf den Stundenverrechnungssatz der Verweisungswerkstatt umzurechnen oder muss ein Angebot der Werkstatt vorliegen? |

     

    Dass manche Gerichte ein schlichtes Umrechnen nicht mehr dulden, hat sicher auch damit zu tun, dass viele der von den Versicherern aufgetischten Informationen zu den Verweisungswerkstätten schlichtweg unzutreffend sind. Das gilt umso mehr in den Monaten nach einer Preiserhöhungswelle aller, und damit auch für die Verweisungswerkstätten. Die Energiekosten haben eine solche Welle jüngst ausgelöst. Bis das in den Datenbanken der Prüfberichtersteller angekommen sein wird, wird noch viel Zeit verstreichen.

    1. Aktuelle Urteile, die mehr als ein Umrechnen fordern

    Nachdem in dem Verfahren bereits zwei Verweisungswerkstätten durchfielen, weil die genannten Preise nachweislich nicht stimmten und der Versicherer (vermutlich, weil die dritte und damit jedenfalls eine passte) keine korrigierten benannte, gab das AG Überlingen folgenden Hinweis: „Dem Geschädigten ‒ wie hier ‒ nur einen bloßen Vergleich der Stundenverrechnungssätze für die anfallenden Arbeiten zu übermitteln, genügt nicht. Vielmehr ist darzulegen, dass die tatsächliche Möglichkeit besteht, dass der Referenzbetrieb die erforderlichen Reparaturarbeiten, i. e. die vollständige fachgerechte, den Leistungsstandards einer markengebundenen Fachwerkstatt entsprechende Behebung der unfallkausalen Beschädigung zu einem niedrigeren Gesamtpreis durchführen würde.“ (AG Überlingen, Verfügung vom 17.1.23, 1 C 142/22, Abruf-Nr. 233532, eingesandt von RA Jürgen Hohl, Langenargen).

     

    Beim AG Mitte heißt es: „Hier ist jedoch bereits nicht substanziiert dargelegt, dass die Reparatur bei der im Prüfbericht angeführten Werkstatt tatsächlich im Ergebnis preisgünstiger sein würde. Der Prüfbericht enthält nämlich keine eigene Kalkulation ausgehend von den Möglichkeiten dieser Werkstatt, sondern der Prüfbericht tauscht einfach nur die Preise im klägerischen Gutachten gegen die Preise der angeführten Firma aus. Das genügt nicht (so jüngst auch LG Berlin 7.8.19, 42 S 66/19). Die Kalkulation des klägerischen Gutachtens beruht darauf, dass die Reparatur von einer markengebundenen Fachwerkstatt durchgeführt wird. Die dort angesetzten Reparaturwege und insbesondere die angeführten Arbeitszeitwerte beruhen aber eben darauf, dass eine markengebundene Werkstatt die Reparatur durchführt, eine Werkstatt also, die neben allerlei anderen Kriterien über erhebliches Erfahrungs-potenzial mit dieser Marke verfügt …“ (AG Mitte 9.1.23, 113 C 86/22 V, Abruf-Nr. 233531, eingesandt von RA Horst Matthias Benneter, Berlin).

     

    Exemplarisch für frühere Urteile in diesem Sinne können genannt werden AG Neu-Ulm 9.10.14, 3 C 991/14, Abruf-Nr. 143051, sowie AG München 20.8.13, 343 C 1379/13, Abruf-Nr. 133110.

    2. Ist das richtig so oder nur eine überzogene Anforderung?

    Aufseiten der Versicherer wird regelmäßig argumentiert, dem BGH habe bisher in allen von ihm entschiedenen Fällen das Umrechnen auf die Preise der Verweisungswerkstätten genügt. Das ist richtig. Jedoch lässt sich den BGH-Urteilen nicht entnehmen, dass das in den Revisionsverfahren je ein Thema war. Da hatten die Kläger also das „Umrechnen“ nicht angegriffen.

     

    Man mag anfügen, dass auch die vom Schadengutachter zugrunde gelegte Markenwerkstatt kein Angebot abgegeben hat, sondern dass auch das vom Geschädigten eingeholte Schadengutachten nur eine theoretische Berechnung auf der Grundlage derer Preise darstellt. Das ist das schärfste Argument gegen die Linie der oben zitierten Gerichte. Hier kann nur eine höchstrichterliche Entscheidung abgewartet werden.

    3. Bei nicht ganz so alten Fahrzeugen gibt es ein Zusatzargument

    Doch zunehmend gibt es ein Argument, dass das pure Umrechnen dennoch infrage stellt: Jetzt kommen auch die Fahrzeuge „in die Jahre“, die mit Assistenzsystemen vollgestopft sind. Sind solche Systeme auch betroffen, muss man wissen, dass die elektronischen Komponenten, die zu erneuern oder auszubauen und wieder einzubauen sind, wieder mit den anderen elektronischen Komponenten kommunizieren müssen. Die meisten Hersteller haben dies in vielen Fällen aus strategischen Gründen so konzipiert, dass sich das ohne Hilfe einer Werkstatt der Marke nicht einrichten lässt.

     

    Ob das nun, wie das LG Berlin meint, die Gleichwertigkeit der Reparatur infrage stellt (LG Berlin 17.8.22, 42 S 24/22, Abruf-Nr. 231048), werden die Gerichte voraussichtlich unterschiedlich beurteilen. Doch eines erscheint sicher: Wenn die Verweisungswerkstatt mit dem teilreparierten Fahrzeug eine Markenwerkstatt für eine Subunternehmerleistung in Anspruch nehmen muss, wird letztere das kaum zu den niedrigen Preisen der Verweisungswerkstatt erledigen. So müsste die Verweisungswerkstatt die Teilleistungen bei reiner Umrechnung teurer einkaufen, als sie sie verkaufen könnte. Das ist nicht realistisch. Sie wird mindestens den Fremdleistungs-Einkaufspreis weiterberechnen, und betriebswirtschaftlich vernünftig wird sie sogar eine Marge aufschlagen.

     

    Hinzu kommt dann nicht selten der Transport hin und zurück. Da hilft es nicht, dass bei den häufig benannten Karosserie- und Lackierbetrieben keine Verbringung zur Lackierung anfallen würde. Die Verbringung zum Markenbetrieb ist jedoch im Ausgangsgutachten nicht vorgesehen und fehlt daher beim reinen Umrechnen, während die Verbringung zum Lackierer ggf. zu Recht entfällt.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2023 | Seite 41 | ID 49047123