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  • · Fachbeitrag · Aktivlegitimation

    Stille Abtretung, die Vortragslast und die Aktivlegitimation: Das OLG Bremen schafft Klarheit

    | Ist die Schadenersatzforderung des Geschädigten auf Erstattung der Reparaturkosten an die Werkstatt offen abgetreten, kann der Geschädigte insoweit nicht mehr aus eigenem Recht auf Zahlung an sich klagen. Er kann nur noch mit einer Ermächtigung der Werkstatt im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft klagen. Dann allerdings ist die Anwendung des subjektbezogenen Schadenbegriffs ausgeschlossen. Alles das ergibt sich aus BGH, 26.4.22, VI ZR 147/21, also der Entscheidung, die eine breite Spur durch die Praxis der Schadenregulierung gezogen hat. |

     

    Folglich kommt nun vielfach vom Versicherer der Einwand, es sei branchenüblich, dass sich die Werkstatt den Anspruch abtreten lasse. So sei es dann wohl auch im vorliegenden Fall, weshalb der Kläger nicht aktivlegitimiert sei.

    1. Die stille Abtretung in der Anwaltsakte

    Oft gibt es tatsächlich eine Abtretung, die aber in Abstimmung mit der Werkstatt als stille Abtretung in der Anwaltsakte verbleibt. Die stille Abtretung belässt aus ihrer Natur heraus dem Geschädigten die Aktivlegitimation: „Für die gewillkürte Prozessstandschaft wird allerdings in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich verlangt, dass die Prozessführungsbefugnis in den Tatsacheninstanzen offengelegt wird, weil im Prozess klar sein muss, wessen Recht verfolgt wird. Zum einen gilt dies jedoch nicht für die Prozessstandschaft im Falle einer stillen Sicherungszession …“ (BGH 23.3.99, VI ZR 101/98).

     

    Die stille Abtretung muss nicht offengelegt werden. Sobald sie nämlich im Rechtsstreit ‒ warum auch immer ‒ offengelegt wird, ist sie nicht mehr „still“. Denn: „Haben die Beteiligten die Nichtaufdeckung der Abtretung vereinbart, handelt es sich um eine sogenannte stille Zession, die den Zedenten berechtigt, Leistung an sich selbst zu verlangen. Lediglich im Falle der offenen Sicherungsabtretung muss er Zahlung an den Abtretungsempfänger verlangen.“ (BGH a. a. O).

     

    Wenn der Kläger nun erschreckt das Vorliegen einer Abtretung einräumt und auf die gewillkürte Prozessstandschaft umstellt, ist der Versicherer am Ziel. Nun hat der Geschädigte den Schutz durch den subjektbezogenen Schadenbegriff verloren. Weil er dann als fremdes Recht eine der Werkstatt gehörende Forderung verfolgt, scheidet die Berufung auf das „Werkstattrisiko“ aus.

    2. Das mit der stillen Abtretung überforderte LG Bremen

    In einem Verfahren vor dem LG Bremen (27.3.23, 4 O 2344/22, Abruf-Nr. 237279) hat der Versicherer die Abtretung behauptet. Das Gericht wollte nun von der Klägerin wissen, ob abgetreten sei oder nicht. „Nein“ konnte sie nicht sagen, denn es war still abgetreten. Ein „Ja“ hätte wiederum dazu geführt, dass die stille Abtretung zur offenen Abtretung mutiert.

     

    Also trug sie vor: „Wenn es eine Abtretung gäbe, wäre das ganz offensichtlich eine stille Abtretung. Denn, gäbe es sie, sei sie ja offensichtlich nicht offengelegt.“ Damit war nicht wahrheitswidrig das Vorliegen einer Abtretung verneint. Offengelegt und folglich den Vorteilen der stillen Abtretung beraubt wurde sie auch nicht.

     

    Damit war das LG überfordert: „Jedoch ist für die Kammer aufgrund des Klägervortrags nicht feststellbar, ob es sich bei der nicht eindeutig behaupteten Abtretung um eine stille Zession handelt. Die Kammer durfte das wirksame Bestreiten der Aktivlegitimation auch nicht unter Verweis auf § 407 Abs. 2 BGB dahinstehen lassen. Diese Norm schützt zwar den Schuldner, demgegenüber eine Abtretung nicht offengelegt worden ist. Jedoch muss sich der Beklagte, der schon in der Klageerwiderung eine Abtretung behauptet hat, nicht auf die Anwendbarkeit dieser Schutznorm verlassen.“

     

    Summa summarum: Entweder die Abtretung werde offengelegt oder die Aktivlegitimation sei nicht nachgewiesen. Die Klägerin blieb standhaft, die Klage wurde mangels Aktivlegitimation abgewiesen.

    3. Offenlegung der stillen Abtretung kann nicht verlangt werden

    Das OLG Bremen hat dieses Ergebnis korrigiert: „Soweit der Beklagte behauptet, dass die Schadenersatzforderung der Klägerin an die Reparaturwerkstatt abgetreten worden sei, fehlt es für diese Behauptung ‒ abgesehen von der allgemeinen Erwägung, dass derartige Abtretungen häufig vorkommen ‒ an jeglichen konkreten Anhaltspunkten. Entgegen der Auffassung des LG dürfte die vorstehende Behauptung des Beklagten daher als ins Blaue hinein erfolgt und damit als unbeachtlicher unsubstanziierter Vortrag anzusehen sein. Dies kann aber letztlich dahinstehen, denn selbst dann, wenn die Behauptung einer Abtretung als erheblich und im Ergebnis nicht bestritten angesehen wird, ist die Klägerin als aktivlegitimiert anzusehen, da der Beklagte wiederum dem Vorbringen der Klägerin nicht erheblich entgegengetreten ist, dass, wenn eine Abtretung vorliegen sollte, es sich jedenfalls um eine stille Zession handelt, bei der die Klägerin im eigenen Namen einziehungsberechtigt geblieben ist. Entgegen der Auffassung des LG war die Klägerin insoweit nicht gehalten, noch weiter zu dem Inhalt ihrer Vereinbarung mit der Reparaturwerkstatt vorzutragen.“ (OLG Bremen 7.9.23, 1 U 18/23, Abruf-Nr. 237278, eingesandt von RAin Stefanie Bubner, Bremervörde).

    4. Lohnt der Aufwand?

    Der Vorgang zeigt: Wer als Anwalt während der vorgerichtlichen Regulierung die stille Abtretung in der Akte behält und im Namen des Geschädigten den Schadenersatz einfordert, agiert nicht unredlich. VA erscheint es aber sinnvoller, im Übergang von vorgerichtlicher zu gerichtlicher Durchsetzung gleich mit der Klage eine Rückabtretung einzureichen, ohne auf den „ist doch abgetreten“-Einwand zu warten. Denn der Schriftsatzaufwand rund um die Aktivlegitimation in beiden Instanzen war üppig.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2023 | Seite 168 | ID 49691405