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  • 30.01.2018 · IWW-Abrufnummer 199267

    Amtsgericht Hannover: Urteil vom 28.11.2017 – 24 OWi 298/17

    Auch im Falle eines sog. standardisierten Messverfahrens kann sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren ein Anspruch des Betroffenen auf Einsicht in vorhandene, sich nicht bei den Akten befindliche Messdaten ergeben, und zwar unabhängig davon, ob konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorliegen oder vorgetragen worden sind.


    Amtsgericht Hannover

    28.11.2017

    24 OWI 298/17
       
    wegen Antrag auf gerichtlicher Entscheidung

    wird die Landeshauptstadt Hannover angewiesen, dem Verteidiger die dem Erlass des Bußgeldbescheides zugrunde liegenden Rohmessdaten einschließlich des Key-Accounts, sämtlicher TOC-Dateien, Geräteschlüssel und Kennwörter zur Verfügung zu stellen, soweit diese zur Auswertung der Rohmessdaten durch einen Sachverständigen erforderlich sind.

    Die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Landeskasse auferlegt.

    Gründe

    Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 62 OWiG zulässig, nachdem die Landeshauptstadt Hannover die Herausgabe der vorbezeichneten Daten abgelehnt hat. Diese Ablehnungsentscheidung ist als Maßnahme im Sinne des § 62 OWiG anzusehen.

    Der Antrag ist auch begründet. Auch im Falle eines sog. standardisierten Messverfahrens kann sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren ein Anspruch des Betroffenen auf Einsicht in vorhandene, sich nicht bei den Akten befindliche Messdaten ergeben, und zwar unabhängig davon, ob konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorliegen oder vorgetragen worden sind (vgl. Beschluss des OLG Celle v. 16.6.2016, Az.1 Ss (Owi) 96/16, juris). Dies ergibt sich aus der Obliegenheit des Betroffenen, im weiteren Verfahrensverlauf konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Geschwindigkeitsmessung vorzutragen, damit überhaupt eine Beweiserhebung über die Korrektheit der Messung durch das Gericht in Betracht kommt. Hierfür benötigt der Betroffene zwangsläufig den Zugang zu den oben bezeichneten Daten, da erst die Auswertung dieser Daten unter Hinzuziehung eines Sachverständigen den Betroffenen in die Lage zu einem konkreten, entsprechenden Sachvortrag versetzt.

    Einer solchen Datenherausgabe stehen mit der Herausgabe an den Verteidiger und der Bereitstellung an einen von diesem beauftragten Sachverständen auch eventuelle datenschutzrechtliche Bedenken nicht entgegen. Es ist nicht ersichtlich, welche unzulässigen Informationen oder Schlussfolgerungen aus den obigen Daten gezogen werden sollten.

    Der Verteidiger ist selbst Organ der Rechtspflege und damit zu einem sachgemäßen Umgang standesrechtlich verpflichtet. Auch in der Person eines Sachverständigen ist ein Missbrauch konkret nicht zu befürchten.

    Es stößt dabei gelinde gesagt beim Gericht auf mehr als nur Verwunderung, dass die Bußgeldbehörde trotz der mittlerweile hierzu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung, die dem Betroffenen einen Rechtsanspruch auf Herausgabe der Messdaten ausnahmslos zubilligt und bei Verweigerung der Herausgabe durch die Bußgeldbehörde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen konstatiert (vgl. OLG Celle a.a.O., OLG Celle, Beschluss vom 21. März 2016 — 2 Ss (0Wi) 77/16 —, juris m.w.N.), weiterhin unter Berufung auf datenschutzrechtliche Richtlinien dennoch die Gerichte mit derart eindeutigen Sachverhalten überobligatorisch in Anspruch nimmt und damit vermeidbar für andere Verfahren dringend benötigte Kapazitäten bindet.

    Die Entscheidung über die Verfahrenskosten folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 62 Abs. 2 5. 2 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.

    Diese Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 5.3 OWiG nicht anfechtbar.