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  • 10.11.2017 · IWW-Abrufnummer 197557

    Landgericht Münster: Urteil vom 25.07.2017 – 06 S 82/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Münster

    06 S 82/16

    Tenor:

    Auf die Berufung des Beklagten wird das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Ahaus vom 06.07.2016 – 15 C 106/15 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 58,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.11.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

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    Tatbestand:

    2

    Die Parteien streiten um das Bestehen einer Rückerstattungsverpflichtung des Beklagten bezüglich einer von der Klägerin geleisteten Zahlung im Rahmen einer Schadensregulierung. Hinsichtlich des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

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    Der Beklagte beantragt,

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    in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

    5

    Die Klägerin beantragt,

    6

    die Berufung zurückzuweisen.

    7

    Entscheidungsgründe:

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    Die zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg. Die zulässige Klage ist überwiegend unbegründet. Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten auf Rückerstattung von 1.269,60 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, nicht zu.

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    Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass die Zahlung von 1.269,60 €, deren Rückforderung geltend gemacht wird, ohne Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB erfolgte. Ihr oblag hierfür indes die Beweislast.

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    Grundsätzlich hat der Anspruchsteller im Rahmen von § 812 BGB zu beweisen, dass ein Rechtsgrund für die Leistung nicht vorlag. Den Schuldner trifft nur die sekundäre Darlegungslast, das heißt, er muss darlegen, welcher Rechtsgrund bestehen soll.

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    Diese grundsätzliche Beweislastverteilung gilt auch hier. Etwas anderes folgt nicht aus dem Schreiben vom 05.08.2014.

    12

    Zwar trägt nach den zutreffenden rechtlichen Ausführungen des Amtsgerichts in den Fällen vorschussweiser Zahlungen auf eine nicht anerkannte, nach Grund und Höhe noch nicht feststehende, sondern erst noch festzustellende Forderung ausnahmsweise der Anspruchsgegner des Bereicherungsanspruchs die Beweislast dafür, dass ihm die Vorschussleistungen in der erhaltenen Höhe zugestanden haben. Jedoch liegt ein solcher Ausnahmefall hier nicht vor. Denn entgegen der erstinstanzlichen Auslegung des Inhalts des Schreibens vom 05.08.2014 handelte es sich bei der als „Vorschuss“ bezeichneten Summe von 1.244,60 € tatsächlich nicht um eine Vorschussleistung in diesem Sinne. Denn damit gemeint sind solche Zahlungen, die erkennbar unter dem Vorbehalt der Rückforderung bzw. der endgültigen Abrechnung geleistet wurden. Denn nur dann ist für den Empfänger klar, dass durch die Zahlung noch nichts Verbindliches geleistet werden, also keine Fakten geschaffen werden sollten. Es muss sich dem Schreiben also entnehmen lassen, dass über die Endgültigkeit der Zahlung noch keine Aussage getroffen wurde, sondern der Leistende sich die Überprüfung vorbehält und von dieser abhängig macht, ob es bei der Zahlung bleiben soll.

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    Hier ergibt die Auslegung des Schreibens vom 05.08.2014 hingegen, dass die Klägerin an den Beklagten lediglich eine – nicht unter dem Vorbehalt der Rückforderung stehende – Abschlagszahlung geleistet hat.

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    Die Erklärung der Klägerin in dem vorstehend genannten Schreiben ist nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen nach dem Empfängerhorizont zu ermitteln, vgl. § 157 BGB. Maßgeblich ist danach die Ermittlung der objektiven Bedeutung der Erklärung der Klägerin, respektive die Fragestellung, wie ein objektiver Dritter in der Person des Beklagten die Erklärung der Klägerin verstehen durfte, nicht hingegen der wirkliche Wille der Klägerin (§ 133 BGB). Denn der Beklagte ist als Erklärungsempfänger schutzwürdig, weil er den wirklichen Willen der Klägerin nicht kennt bzw. erkennen kann.

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    Gegen die Annahme einer Vorschusszahlung im Sinne einer Vorbehaltszahlung spricht bereits der auf den Cent exakt berechnete und angegebene Betrag. Nach allgemeiner Lebenserfahrung dürfte für die Annahme einer Vorschusszahlung unter Vorbehalt ein gerundeter Betrag zu erwarten gewesen sein. Denn die Auszahlung gerundeter Beträge dient in aller Regel der Vereinfachung der Schadensabwicklung und Berechnung, wohingegen „krumme“ Beträge bzw. exakte Berechnungen aus Sicht eines objektiven Dritten darauf schließen lassen, dass der Erklärende bereits ganz bestimmte Schadenspositionen in seine Vorstellungen aufgenommen hat. Dass dies aus Sicht des Empfängers des Schreibens aufseiten der Klägerin der Fall war, ergibt sich zudem daraus, dass sie in dem Schreiben zugleich den Ersatz des Hubzylinders sowie des Stoßfängers anhand der derzeit vorliegenden Unterlagen als nicht eindeutig nachvollziehbare Schadenspositionen bezeichnet hat. Damit hat sie deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der angegebene Betrag sich nicht auch auf diese beiden Problemfelder bezieht, aber eben auch, dass gerade nur in Bezug auf diese Positionen noch Überprüfungsbedarf gesehen wird. Der Empfänger muss das Schreiben so verstehen, dass die übrigen Positionen akzeptiert werden und den auf den Cent genau ausgewiesenen Betrag ergeben. Das Schreiben enthält auch keinen sonstigen Hinweis auf eine vorbehaltene Rückforderung.

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    Zu einer generellen Beweislastumkehr zulasten des Beklagten führt im vorliegenden Fall entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch nicht das Verschweigen eines Vorschadens im Hinblick auf die Beschädigung des Kennzeichens im Rahmen eines Waschvorgangs in der Waschstraße. Insbesondere ist die von der Klägerin dazu in Bezug genommene Entscheidung des OLG Hamm, (Urt. v. 14.09.1999 – Az. 34 U 26/99 –) auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der Senat in dem vorstehenden Urteil nicht entschieden, dass es in dem Fall der Feststellung des Verschweigens von dem Unfall nicht zurechenbaren Vorschäden zu einer generellen Beweislastumkehr kommt. Denn der Senat hat sich mit dem Verschweigen der Vorschäden erst auf der Ebene der Beweiswürdigung befasst und auf dieser Ebene die nicht gegebene Kompatibilität einiger Fahrzeugschäden mit dem klägerseits behaupteten Zusammenstoß festgestellt. Aufgrund der dadurch zu Tage getretenen Unredlichkeit des Klägers hat der Senat dann lediglich nicht ausschließen können, dass die weiteren kompatiblen Teilschäden einem anderen Ereignis zugeordnet werden können. Die Beweislastverteilung hat das OLG in der Entscheidung hingegen nach allgemeinen Regeln vorgenommen.

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    Das führt dazu, dass die nach den bindenden Feststellungen im angefochtenen Urteil bestehenden Unsicherheiten in Bezug auf die Frage, ob Vorschäden mit abgerechnet wurden, zu Lasten der Klägerin gehen, die somit – im Wesentlichen – beweisfällig geblieben ist.

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    Auswirkungen hat die Tatsache, dass unstreitig (geworden) ist, dass der Schaden am Nummernschild auf einem Vorereignis beruht, somit nur auf der Beweisebene. Insoweit steht fest, dass der Schaden von der Klägerin nicht zu tragen ist, weshalb sie im Ergebnis die hierfür veranschlagten 49 € zzgl. MWS, also 58,31 €, zurückfordern kann. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

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    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

    20

    Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht.