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  • 01.04.2005 | Unfallschadensregulierung

    Zwei BGH-Entscheidungen zur 130-%-Grenze

    Ersatz von Reparaturkosten bis zu 30 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs kann ein Geschädigter nur verlangen, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wurde, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat. Repariert der Geschädigte bei einem Schaden, der über den Wiederbeschaffungswert hinausgeht, nur teilweise oder nicht fachgerecht, ist die Höhe des Ersatzanspruchs grundsätzlich auf den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert minus Restwert) beschränkt. Ausnahmsweise kann der zu ersetzende Betrag auch den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigen (BGH 15.2.05, VI ZR 70/04 und VI ZR 172/04, Abruf-Nrn. 050707 und 050708).

     

    Sachverhalte

    In beiden Fällen begehren die Kläger Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, bei dem ihre Fahrzeuge erheblich beschädigt worden sind. Nach den Sachverständigengutachten liegen die Kosten für eine fachgerechte und vollständige Reparatur jeweils über dem Wiederbeschaffungswert, aber innerhalb der 130-Prozent-Grenze. Beide Kläger haben ihre Fahrzeuge mit einer teilweisen Reparatur („Teilreparatur“) in einen fahrbereiten und verkehrstüchtigen Zustand versetzt. Sie wollen gegenüber den ersatzpflichtigen Beklagten auf Basis der jeweiligen Sachverständigenkosten abrechnen, verlangen also Reparaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert übersteigen. In beiden Verfahren haben die Vorinstanzen den sog. Integritätszuschlag abgelehnt und Schadensersatz nur in Höhe des Wiederbeschaffungswertes zugebilligt, einmal ohne Abzug des Restwerts, einmal unter Abzug des Restwertes. Die von beiden Berufungsgerichten (OLG Naumburg und LG Bochum) zugelassenen Revisionen hat der BGH zurückgewiesen.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der VI. Zivilsenat des BGH hat die in der OLG-Judikatur vorherrschende Ansicht bestätigt, dass den Integritätszuschlag von bis zu 30 Prozent über dem (ungekürzten) Wiederbeschaffungswert nur derjenige Geschädigte beanspruchen kann, der sein Fahrzeug fachgerecht und vollständig instandsetzen lässt oder selbst repariert. Maßstab sei das Sachverständigengutachten. Wer in einem 130-Prozent-Fall nur teilweise oder nicht fachgerecht repariere, könne nur unter bestimmten Voraussetzungen mehr fordern als den Wiederbeschaffungsaufwand (= Wiederbeschaffungswert minus Restwert). Entweder müssten die höheren Reparaturkosten konkret angefallen sein oder die Dinge müssten so liegen, dass der Geschädigte „nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt“.  

     

    Praxishinweis

    Endlich hat der BGH zu der Thematik Stellung bezogen, die der Regulierungspraxis seit langem auf den Nägeln brennt (siehe Eggert, VA 04, 115 ff.). Was er in der Karosseriebaumeister-Entscheidung vom 29.4.03 (VA 03, 78, Abruf-Nr. 031070 = NJW 03, 2085) offen gelassen hat und auch offen lassen konnte, weil es kein 130-Prozent-Fall war, das musste jetzt entschieden werden: die Frage nach der Qualität der Reparatur und nach den Folgen einer nur „minderwertigen“ Reparatur. Erst eine genaue Analyse der Volltexte kann zeigen, welche Konsequenzen die beiden BGH-Urteile für die Praxis haben. Einstweilen kann nur so viel gesagt werden: Nur teilweise reparieren, aber voll kassieren – geht nicht, jedenfalls nicht in der 130er-Zone.