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  • 24.11.2008 | Unfallschadensregulierung

    Sechsmonatsfrist keine Fälligkeitsvoraussetzung

    Der Anspruch des Geschädigten auf Ausgleich des Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 Prozent übersteigt, ist in voller Höhe fällig, sobald der Geschädigte sein Fahrzeug fachgerecht und vollständig hat instandsetzen lassen und die Werkstattrechnung bezahlt ist. Der Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist ist keine Fälligkeitsvoraussetzung (OLG Hamm 6.10.08, 13 W 30/08, Abruf-Nr. 083231).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Nach einem unverschuldeten Unfall ergab sich ein 130-Prozent-Fall. Trotz Vollreparatur im Umfang der kalkulierten Kosten lehnte der gegnerische Versicherer eine über den Wiederbeschaffungsaufwand hinausgehende Regulierung zunächst ab. Vor Ablauf von sechs Monaten sei die Forderung nicht fällig. Noch vor Ablauf der sechs Monate wurde der Differenzbetrag nebst Zinsen eingeklagt. Begründung: Fälligkeit mit Schadenseintritt. Die Beklagte beantragte Klageabweisung, zahlte aber später den Rest. Bis dahin war der Kläger durchgängig Halter bzw. Eigentümer des reparierten Pkw. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung hat das LG sämtliche Kosten der Beklagten auferlegt. Ihre sofortige Beschwerde blieb erfolglos.  

     

    Das OLG hat die Entscheidung bestätigt. Bei Klageerhebung sei der Anspruch auf Ersatz der vollen Reparaturkosten begründet und fällig gewesen. Ob der Kläger schon vor Ablauf der Sechsmonatsfrist sein Integritätsinteresse durch die Reparatur dokumentiert habe, sei ohne Bedeutung. Die vom BGH geforderte Nutzungsdauer von sechs Monaten sei lediglich ein Beweisanzeichen für die Weiterbenutzungsabsicht, aber keine Fälligkeitsvoraussetzung. Fällig geworden sei der Anspruch auf Ersatz der vollen Reparaturkosten (inkl. Integritätszuschlag) bereits mit Durchführung und Bezahlung der Reparatur.  

     

    Praxishinweis

    Wie die AG und LG (s. VA 08, 167) sind auch die OLG bei konkreter Abrechnung von 130-Prozent-Fällen mehrheitlich für Fälligkeit des Anspruchs auf Ersatz der vollen Reparaturkosten vor Ablauf der Sechsmonatsfrist (OLG Frankfurt/M. 2.6.08, 12 W 24/08, Abruf-Nr. 083211; OLG Nürnberg 7.8.07, 2 W 1109/07, Abruf-Nr. 072938; OLG Celle 22.1.08, 5 W 102/07, Abruf-Nr. 080509). Unsicherheit herrscht aber beim genauen Zeitpunkt der Fälligkeit des Integritätszuschlags. Vom Schadenseintritt über die Reparatur bis zur Bezahlung der Werkstattrechnung wird alles vertreten, auch in Kombination (OLG Hamm: Reparatur und Bezahlung). Ob und wann der Geschädigte die Rechnung bezahlt hat, ist aber für die Fälligkeit irrelevant. Tritt Fälligkeit nicht erst mit Ablauf der Sechsmonatsfrist ein, so die jetzt herrschende, aber vom BGH noch nicht bestätigte Ansicht, wird man für den Integritätszuschlag (aber auch nur insoweit, nicht für den früher fälligen Sockelbetrag) auf den Zeitpunkt der Beendigung der fachgerechten und vollständigen Reparatur abstellen müssen. Bleibt mit Blick auf die Zinsen die Frage des Verzugs. Hat der Versicherer ein Zurückbehaltungsrecht? Kann er sich auf Rechtsirrtum berufen? Auch auf diese Fragen sollte der BGH bald eine Antwort geben.