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  • 01.10.2007 | Unfallschadensregulierung

    Reparaturkostenersatz trotz Totalschadens?

    Liegen die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur eines Kraftfahrzeugs mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert, so ist die Instandsetzung in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig und der Geschädigte kann vom Schädiger nur die Wiederbeschaffungskosten verlangen (BGH 10.7.07, VI ZR 258/06, Abruf-Nr. 072668).

     

    Sachverhalt

    Der vom Kläger eingeschaltete Sachverständige ermittelte folgende Beträge: Reparaturkosten brutto 11.488,93 EUR, Wiederbeschaffungswert 4.700 EUR brutto, Restwert 500 EUR. Der Kläger ließ das Fahrzeug in einer Werkstatt für 6.109,80 EUR – also innerhalb der 130 %-Grenze (= 6.110 EUR) – instandsetzen. Der Versicherer zahlte nur den Wiederbeschaffungswert, allerdings ohne Abzug des Restwertes (!). Gegenstand der Klage ist die Differenz zu den angefallenen Reparaturkosten. AG und LG haben zu Lasten des Klägers entschieden. Dabei hat das LG seine Entscheidung auf die Feststellung gestützt, der Kläger habe sein Fahrzeug nur unvollständig reparieren lassen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.  

     

    Entscheidungsgründe

    Ausgangspunkt für den BGH ist die im obigen Leitsatz wiedergegebene These. Gleichfalls im Anschluss an BGHZ 115, 375, formuliert der VI. ZS sodann erneut sein „Splitting-Verbot“: Nach der Reparatur eines an sich reparaturunwürdigen Fahrzeugs können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis zu 130 % des WBW) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespaltet werden. Ausdrücklich offen lässt der BGH die umstrittene Frage, ob der Geschädigte bei kalkulierten Reparaturkosten über 130 %, aber einem effektiven Reparaturaufwand innerhalb dieser Grenze Reparaturkostenersatz statt Ersatz der Wiederbeschaffungskosten verlangen kann. Denn für den Ersatz von Reparaturkosten bis zu 130 % sei eine fachgerechte und vollständige Reparatur Voraussetzung. Daran fehle es hier. In Teilbereichen seien „nicht unerhebliche Beanstandungen und Reparaturdefizite“ verblieben. Dass den Kläger diese Unzulänglichkeiten womöglich nicht stören, sei unerheblich. Im Rahmen der Vergleichsbetrachtung komme es allein auf den nach objektiven Kriterien zu beurteilenden Reparaturaufwand an. Zurückgewiesen hat der BGH schließlich das Argument des Klägers, er habe angenommen, mit einem Aufwand unter 130 % eine Vollreparatur bewerkstelligen zu können. Dass es ihm mit seiner Alternativreparatur nicht gelungen sei, den Wagen innerhalb der 130-Prozent-Grenze vollständig und fachgerecht zu reparieren, sei sein eigenes Risiko.  

     

    Praxishinweis

    Anders als in der obigen Sache geht es nicht um den Restwert, sondern um die vorgelagerte Frage, ob der Geschädigte an Stelle der hier programmierten Abrechnung auf Totalschadensbasis ausnahmsweise Ersatz seiner exakt auf die 130 %-Grenze getrimmten Reparaturkosten verlangen kann. Dem Kläger das zu versagen, hatte der BGH zwei Möglichkeiten: eine relativ einfache und eine mit einem größeren Argumentationsaufwand. Dass der BGH sich für den einfacheren Weg entschieden hat (mit interessanten Ausführungen zu den Anforderungen an eine bonuswürdige Vollreparatur), ist zwar nachvollziehbar, dennoch etwas enttäuschend. Denn so bleibt weiter offen, wie in Fällen mit kalkulierten Reparaturkosten über 130 % bei einer qualifizierten Instandsetzung (fachgerecht und vollständig) mit effektiven Kosten unter 130 % abzurechnen ist (zum Streitstand s. VA 04, 115, 117 Pkt. 5; Ch. Huber, Das neue Schadensersatzrecht, § 1 Rn 145 ff.). Ohne die Judikaturdivergenz zu erkennen, hat das LG Koblenz kürzlich zu Lasten einer „Totalgeschädigten“ entschieden, die einen gebrauchten Stoßfänger hat einbauen lassen, um innerhalb der 130 %-Grenze zu bleiben (4.7.07, 12 S 65/07, Abruf-Nr. 072313).