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  • 23.01.2009 | Unfallschadensregulierung

    Radfahrerunfall: Klingeln allein genügt nicht

    Zur Rücksichtnahme von Radfahrern gegenüber Fußgängern auf - lediglich farblich - getrennten Rad- und Fußwegen im Sinne des Zeichens 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO (BGH 6.11.08, VI ZR 171/07, Abruf-Nr. 090063).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Kläger befuhr mit seinem Tourenrad einen nur farblich markierten Radweg (Zeichen 241 getrennter Rad- und Fußweg). Mit mind. 15 km/h näherte er sich einer Bushaltestelle. Dort stand die Beklagte mit weiteren Personen mit dem Rücken zum Kläger dicht am Radweg. Als sich der Kläger der Gruppe bis auf ca. 10m genähert hatte, klingelte er, um auf sich aufmerksam zu machen. Seine Geschwindigkeit reduzierte er nicht. Die Beklagte machte eine Körperbewegung in Richtung auf den Radweg, wobei sie diesen nur leicht mit dem Fuß berührte. Der Kläger, der ohne Helm fuhr, machte daraufhin eine Vollbremsung, bei der das Vorderrad blockierte. Beim Sturz verletzte er sich schwer.  

     

    Das LG hat die Haftung im Verhältnis 70:30 zulasten des Klägers verteilt, weil er sorgfaltswidrig und zudem ohne Helm gefahren sei. Das OLG Düsseldorf (VA 07, 135) hat dagegen auf 100:0 pro Kläger erkannt. Auf die zugelassene Revision der Beklagten hat der BGH das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Seiner Ansicht nach liegt ein Mitverschulden des Klägers vor. Dieses sieht er nicht im Fahren ohne Schutzhelm. Die umstrittene Frage der Helmpflicht für Radfahrer lässt der BGH offen, weil die Verletzungen durch einen Helm nicht verhindert worden wären. Zur Last gelegt wird ihm, die in der konkreten Situation gebotene Sorgfalt nicht beachtet, seine Geschwindigkeit nicht herabgesetzt und sich nicht bremsbereit verhalten zu haben. Außerdem habe er nicht sachgerecht gebremst.  

     

    Praxishinweis

    Dass der BGH sich in der umstrittenen Helmfrage bedeckt hält, war zu erwarten. Zwischen einem ggf. pflichtwidrigen Nichttragen eines Schutzhelms und den Verletzungen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Dieser kann nach Anscheinsbeweisgrundsätzen zu bejahen sein (BGH NJW 83, 1380; 08, 3778). Auch ohne Klärung der Helmfrage (s. Praxishinweis in VA 07, 135) ist das BGH-Urteil wichtig für Unfälle mit Radfahrer-Beteiligung. Ihm eine überhöhte Ausgangsgeschwindigkeit nachzuweisen, ist erfahrungsgemäß schwierig. Ein verkehrstechnisches Gutachten ist meist ein ungeeignetes Beweismittel. Das sieht der BGH ebenso. Als Anknüpfungspunkt für ein Mitverschulden bleibt das Verhalten bei und nach Erkennen einer Gefahrensituation. Nur wer unverschuldet in eine Gefahrenlage gerät, dem verzeiht der BGH eine Fehlreaktion. Auf diese Rspr. konnte sich der Kläger aus tatsächlichen Gründen nicht berufen. Beanstandet hat der BGH ferner die Sorgfaltsanforderungen des OLG an Radfahrer, die auf einem Radweg fahren, an den ein Fußweg direkt angrenzt (Zeichen 241). Während das OLG das Vorrangrecht des Radfahrers betont, stellt der BGH die Pflicht zur Rücksichtnahme und zum defensiven Fahren heraus.