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  • 01.03.2007 | Unfallschadensregulierung

    Kombinierte Abrechnung mit Kasko und Haftpflicht bei Quotenunfällen

    In Haftpflichtfällen mit Quotenhaftung aufgrund Mitverschuldens oder Betriebsgefahr rechnen viele Geschädigte den Schaden lieber (nur) mit ihrer Vollkaskoversicherung ab. Sie übersehen dabei, dass im Rahmen des „Quotenvorrechts“ weiterer Schadenersatz bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend gemacht werden kann, z.B. die Wertminderung.  

     

    Nachfolgend zeigen wir Ihnen anhand eines Falles, wie Sie als Anwalt des Geschädigten solche Fälle geschickt und pragmatisch mit der Kaskoversicherung des Geschädigten und der Haftpflichtversicherung des Schädigers regulieren können.  

     

    Der rechtliche Hintergrund ergibt sich aus § 67 VVG: Nimmt der Geschädigte seine Vollkasko in Anspruch, geht sein Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger nur insoweit auf den Vollkaskoversicherer über, wie dieser auch leistet. Hier wirkt sich das „Quotenvorrecht“ zugunsten des Versicherungsnehmers (= Geschädigten) aus. Er kann den nichtregulierten kongruenten Schaden gegenüber dem Schädiger und dessen Versicherung weiterhin geltend machen (Einzelheiten dazu auf S. 46unter „3. kombinierte Abrechnung“).  

     

    Musterfall

    Der Geschädigte hat eine Vollkaskoversicherung (Selbstbeteiligung: 1.000 EUR). Er war in einen Verkehrsunfall verwickelt (Mitverschulden 50 %). Ihm ist folgender Schaden entstanden:  

     

    Reparaturkosten  

    10.000 EUR  

    Wertminderung  

    1.000 EUR  

    Sachverständigenkosten  

    1.000 EUR  

    Abschleppkosten  

    1.000 EUR  

    Nutzungsausfallentschädigung  

    800 EUR  

    Schadenpauschale  

    20 EUR  

    Gesamt  

    13.820 EUR  

     

    1. Abrechnung „nur Haftpflicht“ 

    Hätte der Mandant keine Vollkaskoversicherung, könnte er nur 50 % seines Schadens bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend machen. Dann gäbe es nur 6.910 EUR (13.820 EUR : 2).  

     

    2. Abrechnung „nur Vollkasko“ 

    Würde der Mandant seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen, wäre wie folgt abzurechnen:  

     

    Reparaturkosten abzgl. SB (10.000 EUR ./. 1.000 EUR)  

    9.000 EUR  

    Wertminderung  

    0 EUR  

    Sachverständigenkosten  

    0 EUR  

    Abschleppkosten  

    1.000 EUR  

    Nutzungsausfallentschädigung  

    0 EUR  

    Schadenpauschale  

    0 EUR  

    Gesamt  

    10.000 EUR  

     

    Ob die Kaskoversicherung die Zahlung der Gutachtenkosten verweigern darf, weil sie den Sachverständigen nicht selbst ausgewählt hat, hängt davon ab, welche Versicherungsbedingungen anzuwenden sind:  

    • Der BGH hat am 5.11.97 entschieden, dass die Gutachtenkosten auch beim Kaskoschaden vom Versicherer zu tragen sind (VersR 98, 179): „Aufwendungen für ein SV-Gutachten zur Ermittlung des Schadenumfangs gehören zu den erforderlichen Kosten der Wiederherstellung nach § 13 Abs. 5 AKB, sofern es sich nicht um einen Bagatellschaden handelt ... Dass die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung nach § 13 Abs. 5 AKB etwas anderes meinen, ist für den durchschnittlichen VN nicht ersichtlich. Das Gegenteil ergibt sich vielmehr aus § 13 Abs. 6 AKB.“
    • Viele Versicherer haben auf die BGH-Entscheidung reagiert. In § 13 Abs. 6 AKB heißt es jetzt: Der VR ersetzt Sachverständigenkosten nur, wenn er ihn beauftragt hat oder die Beauftragung mit ihm vereinbart war. Achtung: Im neuesten Prölss/Martin stehen noch die alten Bedingungen!

     

    Dass die Selbstbeteiligung von den Reparaturkosten abgezogen wurde, ist bei strenger Betrachtungsweise nicht ganz korrekt. Sie gehört quasi „unter den Strich“. Dieser Kniff ist der unten angewendeten Eselsbrücke geschuldet und darüber hinaus auch im Ergebnis richtig, weil die Selbstbeteiligung eine kongruente Schadensposition ist.  

     

    So bleibt der Mandant „nur“ auf 3.820 EUR (13.820 EUR ./. 10.000 EUR) sitzen, zusätzlich auch auf seinem Rückstufungsschaden aus dem Schadenfreiheitsrabattverlust. Das ist ein erfreulicheres Zwischenergebnis als bei der ausschließlichen Abrechnung mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung. Am besten ist allerdings die 3. Lösung:  

     

    3. Kombinierte Abrechnung mit (eigener) Kasko- und (gegnerischer) Haftpflichtversicherung  

    Die Abrechnung mit der Vollkaskoversicherung hat nicht das Ziel, den Schädiger zu entlasten. Deshalb wird der Restschaden so weit wie möglich der Haftpflichtversicherung des Schädigers belastet.  

     

    Falsch wäre es aber jetzt, nur vom Restschaden den 50-Prozent-Anteil einzufordern. Bezüglich der offen gebliebenen Schadenpositionen ist nach der BGH-Rspr. (VersR 82, 283; 82, 383) zu unterscheiden:  

     

    • Alle unmittelbaren Sachschäden (= kongruente Schäden) muss der Haftpflichtversicherer in voller Höhe übernehmen – (also über die Quote hinaus). Dazu zählen:
    • Reparaturkosten (auch fiktiv, dann aber § 249 Abs. 2 S. 2 BGB beachten)
    • Abschleppkosten,
    • Sachverständigenkosten,
    • technische und merkantile Wertminderung,
    • Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert.

     

    • Sachfolgeschäden (= inkongruente Schäden) muss er nur quotenmäßig ausgleichen:
    • Mietwagenkosten,
    • Nutzungsausfall,
    • Auslagen / Unkostenpauschale,
    • Ab- und Anmeldekosten,
    • Behandlungskosten,
    • Schmerzensgeld,
    • Verdienstausfall,
    • Rückstufungsschaden (BGH VA 06, 153, Abruf-Nr. 062146 ; BGH VA 07, 4, Abruf-Nr. 063352).

     

    Um zu sortieren, welche der Positionen quotenbevorrechtigt sind und welche nicht, haben sich folgende Merksätze als Eselsbrücke bewährt:  

    • Schadenpositionen, die das Blech berührt haben, sind quotenbevorrechtigt.
    • Schadenpositionen, die das Blech nicht berührt haben, sind nur nach Quote zu erstatten.

     

    Soll heißen: Die Wertminderung ist die Angst vor einer verbliebenen versteckten „Falte im Blech“; der Sachverständige fasst das Blech an, um die Haube zu öffnen und nach der Vin-Nummer (Fahrzeug-Identifikations-Nummer) zu schauen; der Abschlepper befestigt den Haken „am Blech“. Nutzungsausfallentschädigung ist ein Trostpflaster, und das ist nicht „aus Blech“. Schadenpauschale ist Briefmarken„papier“ und Rennerei-„Sohlenleder“ usw.  

     

    Im Musterfall ist somit gegenüber der Haftpflichtversicherung wie folgt abzurechnen:  

     

    Selbstbeteiligung voll  

    1.000 EUR  

    Wertminderung voll  

    1.000 EUR  

    Gutachten voll  

    1.000 EUR  

    Nutzungsausfallentschädigung nach Quote  

    400 EUR  

    Schadenpauschale nach Quote  

    10 EUR  

    Gesamt  

    3.410 EUR  

     

    Die verbleibende Lücke ist jetzt bis auf „fehlende“ 410 EUR (halber Nutzungsausfall, halbe Schadenpauschale) geschlossen. Erhalten hat der Geschädigte nämlich:  

    • von der eigenen Vollkaskoversicherung 10.000 EUR
    • von der Haftpflichtversicherung des Schädigers 3.410 EUR

     

    Der Rückstufungsschaden in der Vollkaskoversicherung 

    Zu regeln ist jetzt im Musterfall noch der Rückstufungsschaden im Schadenfreiheitsrabatt der Vollkaskoversicherung. Den Streit um die Frage, ob der Rabattverlust überhaupt zu erstatten ist, hat der BGH inzwischen beendet (25.4.06, VI ZR 36/05, Abruf-Nr. 062146). Der Rabattverlust findet – bildhaft gesprochen – „blechlos“ im Rechner der Versicherung statt und ist folglich von der Gegenseite nur nach Quote zu erstatten (Achtung: Es geht nur um den Rabattverlust in der Vollkaskoversicherung, nicht auch um den aus der eigenen an den Gegner nach Quote zahlenden Haftpflichtversicherung!).  

     

    Auch die Ansicht, erst müsse der Haftpflichtversicherer auch in solchen Fällen, in denen die Quotenhaftung offensichtlich ist, zur vollständigen Regulierung aufgefordert werden, damit der Anspruch auf den Rabattverlustersatz ausgelöst wird, hat der BGH zurückgewiesen (26.9.06, VI ZR 247/05, Abruf-Nr. 063352).  

     

    Problematisch ist die Berechnung des Rückstufungsschadens. Er schleppt sich ja wirtschaftlich über Jahre. Die gegnerische Versicherung wird ggf. einwenden, dass der Kaskovertrag eventuell gar nicht so lange aufrechterhalten bliebe oder dass der Geschädigte später vielleicht ein Auto einer niedrigeren Typklasse fahre.  

     

    In der Regulierungspraxis hat sich daher eingebürgert, dass man die Schadenhöhe schätzt und sich vernünftig einigt. Ist der Versicherer zu einer solchen vernünftigen Einigung nicht bereit, kann der Rabattverlust aus dem laufenden Jahr beziffert werden. Für die Folgejahre bedarf es entweder einer Erklärung des Haftpflichtversicherers, dass er dem Grunde nach anerkennt. Oder es muss auf Feststellung geklagt werden.  

     

    Immer erforderlich: Kontrollrechnung wegen Kappungsgrenze  

    Am Ende ist immer noch eine Kontrollrechnung zu machen: Der gegnerische Haftpflichtversicherer darf nämlich nicht höher belastet werden, als es bei einer ausschließlichen Haftpflichtschadenabrechnung nach Quote der Fall wäre. Soll heißen:  

     

    Im obigen Beispielsfall beträgt der Gesamtschaden 13.820 EUR.  

     

    Unterstellt, der Gegner müsse nur mit 20 Prozent haften, der eigene Mandant also mit 80 Prozent, fielen dem Haftpflichtversicherer 20 Prozent von 13.820 EUR, folglich nur 2.764 EUR, zur Last. Die Summe aus den bei der kombinierten Abrechnung vom Haftpflichtversicherer voll zu übernehmenden Positionen Selbstbeteiligung, Wertminderung und Gutachterkosten beträgt im Beispielsfall aber bereits 3.000 EUR. Dann wird bei der Obergrenze von 2.674 EUR gekappt.  

     

    Einige taktische Hinweise 

    In Fällen offensichtlicher Mithaftung wird oft über Instanzen und Jahre um die Haftungsquote gestritten. Wenn Körperverletzungen mit im Spiel sind, mag das sinnvoll sein. Beschränkt sich der Schaden jedoch auf den Sach- und Sachfolgeschaden, lässt sich mit der obigen Abrechnungsweise solch lästiger Streit gut vermeiden. Wenn nämlich nicht die Kappungsgrenze berührt wird, bewegen sich die Differenzen bei dieser oder jener Quotenverteilung nur in den Positionen Rabattverlust, Schadenpauschale und Nutzungsausfallentschädigung bzw. Mietwagen. Ob nun die Schadenpauschale mit 30 % oder mit 70 % ausgezahlt wird, selbst ob die Nutzungsausfallentschädigung mit 30 % oder 70 % beansprucht werden kann, ist wirtschaftlich im Verhältnis zur Belastung eines Streites durch die Instanzen jedenfalls für vernunftbegabte Mandanten nicht allzu bedeutend. Das gleiche gilt für den Versicherer. Auf dieser Basis lassen sich dann oft Vergleiche bezüglich der Haftungsquote erzielen.  

     

    Wenn Körperverletzungen im Spiel sind, ist sogar ein Teilvergleich über den Sach- und Sachfolgeschaden im obigen Sinne denkbar. Dabei muss dann aber unmissverständlich klargemacht werden, dass die insoweit einvernehmlich gefundene Quote ausschließlich der Erledigung des Teilschadens dient.  

     

    Der Vorzug liegt darin, dass die oftmals hinter dem Mandanten auf Geld wartende Werkstatt zügig befriedigt werden kann. Zwischenfinanzierungen oder sogar Inkassomaßnahmen der Werkstatt gegenüber dem Mandanten werden damit vermieden.  

     

    Wenn Anwälte diese Abrechnungstechnik beherrschen, ist das aus diesem Grunde gegenüber Werkstätten ein Ausweis gesteigerter Kompetenz. Sie ist für die Werkstätten ein gutes Motiv, in solchen Fällen dringend die Einschaltung anwaltlicher Inanspruchnahme zu empfehlen. Damit hat der Anwalt einen Fuß in der Tür des Marketings.  

     

    Gebühren 

    Der Gegenstandswert für die Gebührenabrechnung mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung ist der Betrag, der bei einer ausschließlich mit ihr vorgenommenen Abrechnung durchsetzbar gewesen wäre. Im obigen Beispielsfall wären das also die 6.910 EUR.  

     

    Umstritten ist, ob auch die Anwaltsgebühren für die Abrechnung mit der Vollkaskoversicherung von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu übernehmen sind. Die Kaskoversicherung muss diese jedenfalls nicht tragen. Rechtsverfolgungskosten sind nämlich kein versicherter Schaden im Rahmen der Fahrzeugversicherung. Hier greifen nur die allgemeinen Regeln zu den Rechtsverfolgungskosten bei Verzug. Eine Rechtschutzversicherung des Mandanten ist ebenfalls nicht eintrittspflichtig, solange die Kaskoversicherung sauber reguliert. So lange ist die Tätigkeit für den Mandanten nur eine wirtschaftliche Unterstützung. Es fehlt insoweit am rechtsschutzversicherungsrechtlichen Versicherungsfall. Denn dann liegt kein Rechtsverstoß und damit kein Versicherungsfall in der Rechtschutzversicherung vor.  

     

    Der BGH hat in anderem Zusammenhang entschieden, dass die Kosten für die anwaltliche Abwicklung von Schäden mit der privaten Unfallversicherung auch dem Schädiger belastet werden können (VA 06, 56, Abruf-Nr. 060630). Das müsste auf die Abrechnung mit der Vollkaskoversicherung übertragbar sein.  

     

     

    Quelle: Ausgabe 03 / 2007 | Seite 45 | ID 90789