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  • 01.03.2005 | Schuldrechtsreform

    BGH lässt Agenturgeschäfte zu

    Gewerbliche Agenturverträge über den Verkauf von gebrauchten Kfz können nicht generell als Umgehungsgeschäfte i.S.d. § 475 Abs. 1 S. 2 BGB angesehen werden. Im Einzelfall kann jedoch eine Umgehung des für den Verbrauchsgüterkauf bezweckten Verbraucherschutzes anzunehmen sein, wenn das Agenturgeschäft missbräuchlich dazu eingesetzt wird, ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Unternehmers zu verschleiern (BGH 26.1.05, VIII ZR 175/04, Abruf-Nr. 050395).

     

    Sachverhalt

    Der Kläger, ein Verbraucher, kaufte am 28.10.02 in den Geschäftsräumen des beklagten Gebrauchtwagenhändlers einen dort ausgestellten Opel Astra Coupe zum Preis von 14.990 EUR. Der unter Verwendung eines Vertragsformulars des Beklagten erstellte schriftliche Kaufvertrag weist als Verkäufer unter Angabe der Anschrift den bisherigen Fahrzeugeigentümer aus. Die Sachmängelhaftung ist nach dem Vertragstext ausgeschlossen. Der Hauptteil des Kaufpreises wurde auf Vermittlung des Beklagten bankfinanziert. Als der Kläger einige Wochen nach Übernahme des Fahrzeugs gegenüber dem Beklagten Mängel rügte, lehnte dieser eine Nachbesserung mit dem Hinweis ab, nicht er, sondern sein Auftraggeber sei der wahre Verkäufer. Daraufhin trat der Kläger gegenüber dem Beklagten vom Kauf zurück und forderte Freistellung von der Darlehensverbindlichkeit und Ersatz von Vertrags- und Finanzierungskosten. Das LG Rottweil und das OLG Stuttgart (VA 04, 149, Abruf-Nr. 041899) wiesen die Klage ab. Die Revision des Käufers hatte keinen Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Ebenso wie die Vorinstanzen sieht der BGH den Verkäufer des Fahrzeugs im Voreigentümer und nicht im beklagten Händler. Die Rollenverteilung sei für den Kläger auch ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Vermittlertätigkeit des Beklagten hinreichend erkennbar gewesen. Die Dinge lägen auch nicht so, dass der Beklagte sich nach § 475 Abs. 1 S. 2 BGB so behandeln lassen müsse, als habe er den Wagen an den Kläger verkauft. Von einem Verstoß gegen das Umgehungsverbot könne keine Rede sein. Der Gesetzgeber habe Agenturgeschäfte mit Verbraucherbeteiligung nicht generell untersagen wollen. Allerdings könne im Einzelfall eine Umgehung anzunehmen sein, z.B. dann, wenn der Händler ein „im Kundenauftrag“ weiterveräußertes Fahrzeug auf eigenes Risiko „fest“ in Zahlung genommen habe. Die Garantie eines bestimmten Mindestverkaufspreises sei ein Indiz für eine solche Risikoübernahme, die Händler zum An- und Verkäufer mache.  

     

    Praxishinweis

    Erfreulich schnell hat der VIII. Senat des BGH einen Schlussstrich in einer Debatte gezogen, die bei einem klaren Votum des (problembewussten) Gesetzgebers gar nicht aufgekommen wäre. Der Handel hat sich mit Agenturgeschäften bislang zurückgehalten. Ohnehin ist dieser Geschäftstyp alles andere als beliebt. Die jetzige BGH-Entscheidung wird zu keiner flächendeckenden Renaissance des auch steuerlich nach wie problematischen Agenturgeschäfts führen. Erst eine genaue Analyse des vollständigen Entscheidungstextes wird zeigen, welcher vertragsrechtliche Spielraum einem Händler bleibt, um ein Agenturgeschäft i.S.d. § 475 Abs. 1 BGB wasserdicht zu machen. Nach der Pressemitteilung besteht Grund für die Annahme, dass der BGH zum Vorteil des Verbrauchers die Tür zum Eigengeschäft ein Stück weiter geöffnet hat, als es früher – vor Einführung der Differenzbesteuerung – der Fall war. Von einer „Aushöhlung der Gewährleistung“ (Rheinische Post) kann jedenfalls z.Zt. nicht die Rede sein.