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  • 26.02.2008 | Rotlichtverstoß

    Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß

    Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einem Rotlichtverstoß ohne gezielte Überwachung (OLG Hamm 8.11.07, 3 Ss OWi 406/07, Abruf-Nr. 080390).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Das AG hat den Betroffenen wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes (Nr. 132.2 BKatV) verurteilt. Die Verurteilung wurde auf die Angaben einer Polizeibeamtin gestützt, die den Rotlichtverstoß (zufällig) beobachtet hatte. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.  

     

    Die Zeugin hat keine exakte Messung der Rotlichtzeit vorgenommen. Es lag auch keine gezielte Rotlichtüberwachung vor. Die Überzeugungsbildung des AG zur Annahme eines sogenannten qualifizierten Rotlichtverstoßes beruht mithin allein auf der Schätzung der Rotlichtzeit durch die Polizeibeamtin. Dieser Schätzung kann zwar nicht von vornherein ein Beweiswert abgesprochen werden. Es muss aber berücksichtigt werden, dass Zeitschätzungen wegen der Ungenauigkeit des menschlichen Zeitgefühls i.d.R. mit einem erheblichen Fehlerrisiko behaftet sind. Daher bedarf es in einem solchen Fall Ausführungen dazu, auf welcher Grundlage die Schätzung des Zeugen beruht. Nur so kann das Rechtsbeschwerdegericht überprüfen, ob die vom Tatrichter angenommene Rotlichtzeit auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht. Im vorliegenden Fall wurde in den Urteilsgründen insoweit aber lediglich mitgeteilt, dass die Lichtzeichenanlage schon einige Sekunden Rotlicht zeigte, als sich der Betroffene dieser Anlage näherte. Wie weit der Betroffene zu diesem Zeitpunkt noch von der Lichtzeichenanlage bzw. einer etwaigen vorhandenen Haltelinie vor der Lichtzeichenanlage entfernt war, wird in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt. Auch sonstige Umstände, durch die die Richtigkeit der Schätzung der Polizeibeamtin hätte erhärtet werden können, hat das Amtsgericht nicht festgestellt.  

     

    Praxishinweis

    Die bloße gefühlsmäßige Schätzung eines Polizeibeamten genügt in der Regel nicht für die Feststellung der länger als eine Sekunde dauernden Rotlichtzeit (KG NZV 02, 50; OLG Düsseldorf DAR 03, 85; OLG Köln NJW 04, 3439 = NZV 04, 651; OLG Hamburg DAR 05, 165 m.w.N.).