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  • 01.06.2007 | Nötigung

    Nötigung durch dichtes Auffahren innerorts

    Die Rspr. der Strafgerichte, wonach dichtes Auffahren im Straßenverkehr unter Einsatz von Signalhorn und Lichthupe Gewalt i.S.d. Nötigungstatbestandes darstellen kann, ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Diese Nötigungshandlung kann auch innerorts begangen werden (BVerfG 29.3.07, 2 BvR 932/06, Abruf-Nr. 071426).

     

    Entscheidungsgründe

    Gewalt i.S.d. § 240 StGB wird nur angewendet, wenn der Täter durch körperliche Kraftentfaltung Zwang auf sein Opfer ausübt und dieser Zwang nicht lediglich psychisch wirkt, sondern körperlich empfunden wird. Allerdings kann die Feststellung nötigender Gewalt im Straßenverkehr stets nur für den Einzelfall erfolgen. Pauschale Wertungen darüber, wann ein Verhalten im Straßenverkehr körperlichen Zwang auf einen anderen Verkehrsteilnehmer ausübt, können nämlich nur schwerlich getroffen werden. Hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Hilfestellung bieten die von den Strafgerichten bereits entwickelten Maßstäbe zur Prüfung eines Unrechtsverhaltens nach § 240 StGB im Straßenverkehr. Von Bedeutung sind deshalb u.a. die Dauer und Intensität des Auffahrens, die Geschwindigkeiten, die Verkehrssituation und ob der Täter bei dem Auffahrvorgang zugleich Signalhorn oder Lichthupe betätigt hat (OLG Stuttgart DAR 98, 153; OLG Hamm DAR 90, 392; OLG Karlsruhe NStZ-RR 98, 58 f.). All diese Faktoren lassen einzeln oder im Verbund Rückschlüsse auf die Auswirkungen auf die strafrechtliche Relevanz zu.  

     

    Praxishinweis

    Wir haben über die Nötigung im Straßenverkehr in VA 05, 70 ff., berichtet. I.d.R. werden die Nötigungshandlungen im außerörtlichen Straßenverkehr begangen. Aber schon das OLG Köln hatte in der der Entscheidung des BVerfG zugrunde liegenden Entscheidung die Grundsätze auf einen innerörtlichen Verstoß übertragen (OLG Köln NJW 06, 3017 = DAR 07, 39). Allerdings wird es hier noch mehr als beim außerorts begangenen Verstoß auf die Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit ankommen (so auch BVerfG, a.a.O.). Daneben sind maßgebend die Streckenlänge, Intensität und Dauer des Verhaltens. Kurzes Bedrängen des Aufschließenden in offensichtlicher Überholabsicht oder andere kurzfristige Behinderungen, selbst wenn diese verkehrswidrig und aus „demonstrativen“ Gründen erfolgen, stellen noch keine Nötigung dar (Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 240 Rn. 15; OLG Düsseldorf NZV 00, 301). Darauf muss der Verteidiger achten und deutlich machen, dass es sich um einen „normalen“ Verkehrsvorgang gehandelt hat.  

    Quelle: Ausgabe 06 / 2007 | Seite 113 | ID 90935