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  • 24.03.2009 | Nötigung

    Herunterbremsen als Gewalt im Straßenverkehr?

    Zu den Anforderungen an das Merkmal „Gewalt“ im Sinne von § 240 StGB im Fall des Herunterbremsens eines nachfolgenden Kraftfahrzeugs bei bestehender Ausweichmöglichkeit des Nachfolgenden (OLG Celle 3.12.08, 32 Ss 172/08, Abruf-Nr. 090785).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Als der Angeklagte eine Kolonne überholte, scherte die Zeugin ebenfalls aus. Beide brachen ihr Überholmanöver ab. Anschließend überholte der Angeklagte den Pkw der Zeugin und verlangsamte seine Geschwindigkeit bis zum Stillstand. Hierdurch wurde die Zeugin zum Abbremsen gezwungen und brachte ihr Fahrzeug schließlich etwa 2-3 Pkw-Längen hinter dem Fahrzeug des Angeklagten zum Stillstand. Der Angeklagte ist wegen seines Fahrverhaltens wegen eines Verstoßes gegen § 240 StGB verurteilt worden. Seine hiergegen gerichtete Revision hatte beim OLG Erfolg.  

     

    Das OLG sah keine „Gewalt“ i.S. des § 240 Abs. 1 StGB. Nach h.M. liegt auch im Straßenverkehr Gewalt i.S. des § 240 StGB vor, wenn der Täter durch körperliche Kraftentfaltung Zwang auf sein Opfer ausübt und dieser Zwang nicht nur psychisch wirkt, sondern körperlich empfunden wird. Dabei können u.a. die Dauer und die Intensität der bedrängenden Einwirkung, die allgemeine Verkehrssituation und weitere Faktoren von Bedeutung sein. Den für die Annahme von Gewalt i.S. von § 240 StGB erforderlichen körperlichen Auswirkungen beim Opfer ist genügt, wenn bei diesem physisch merkbare Angstreaktionen auftreten. Insoweit waren aber die tatsächlichen Feststellungen nicht ausreichend. Die Geschwindigkeitsverringerung ist kein solch abruptes Abbremsen, dass die Zeugin ebenfalls zu einem solchen Bremsvorgang oder gar zu einer Vollbremsung gezwungen gewesen wäre. Die vom LG mitgeteilte Angst der Zeugin vor dem verkehrswidrigen Verhalten des Angeklagten bei dem gefährlichen Überholvorgang ist nicht näher festgestellt. Ebenso mangelt es an Feststellungen zu den angenommenen tatsächlichen Gründen, die es der Zeugin unmöglich gemacht haben, am Pkw des Angeklagten vorbei zufahren bzw. diesen zu überholen.  

     

    Praxishinweis

    Die obergerichtliche Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die Annahme einer Nötigung im Straßenverkehr durch Ausbremsen (u.a. BVerfG VA 07, 113; Fischer, StGB, 56. Aufl., 2009, § 240 Rn. 15 m.w.N., Burhoff in: Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 4. Aufl., 2008, Teil 6, Rn. 435 ff.). Das gilt vor allem, wenn es sich nicht um eine sog. Vollbremsung handelt, sondern der Täter seine Geschwindigkeit ohne verkehrsbedingten Grund (nur) stark reduziert und dadurch den Fahrer des nachfolgenden Fahrzeugs zu einer unangemessen niedrigen Geschwindigkeit zwingt. Dann werden Feststellungen dazu verlangt, dass der folgende Fahrer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das ihm durch den Vordermann aufgezwungene Verhalten nicht durch Ausweichen oder Überholen vermeiden konnte (BayObLG DAR 02, 79).