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  • 27.05.2009 | Haftpflichtrecht

    Elterliche Aufsicht nach der Uhr?

    Ein Aufsichtspflichtiger muss dafür sorgen, dass ein Kind im Alter von 5 ½ Jahren auf einem Spielplatz in regelmäßigen Abständen von höchstens 30 Minuten kontrolliert wird (BGH 24.3.09, VI ZR 51/08, Abruf-Nr. 091580).
    Normal entwickelten Kindern im Alter von 7 ½ Jahren ist im Allgemeinen das Spielen im Freien auch ohne Aufsicht gestattet, wenn die Eltern sich über das Tun und Treiben in großen Zügen einen Überblick verschaffen (BGH 24.3.09, VI ZR 199/08, Abruf-Nr. 091579).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Zwei Verfahren, ein Sachverhalt: Der 7 ½ Jahre alte M. und sein 5 ½ Jahre alter Freund P. zerkratzten mit Glasscherben 17 Pkw, die in der Nähe des Spielplatzes parkten; darunter die des Klägers (VI ZR 51/08) und der Klägerin (VI ZR 199/08). Die Klage gegen die Eltern des 5-jährigen war in den Vorinstanzen erfolglos. Die Revision führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das LG. Der Ältere ist im Parallelverfahren vom AG rechtskräftig zum Schadenersatz an die Klägerin verurteilt worden. Die Klage gegen die mitverklagten Eltern blieb dagegen in allen Instanzen erfolglos.  

     

    Nach allgemeinen Ausführungen zur Aufsichtspflicht von Eltern und deren Darlegungs- und Beweispflicht im Rahmen des § 832 BGB billigt der BGH die Ansicht des LG, die Eltern des Siebenjährigen hätten ihrer Aufsichtspflicht genügt. Das unbeaufsichtigte Spielen lassen auf einem Spielplatz auch über einen Zeitraum von bis zu zwei Stunden in Verbindung mit der Belehrung, den Spielplatz nicht zu verlassen, sei grundsätzlich nicht zu beanstanden. Demgegenüber beanstandet der BGH in der Parallelentscheidung die Annahme, auch die Eltern des Fünfjährigen seien ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen. Über einen Zeitraum von mind. 40 Minuten habe der Junge nicht unbeaufsichtigt bleiben dürfen. Ein Kind von 5 ½ Jahren sei in regelmäßigen Abständen von max. 30 Minuten zu kontrollieren.  

     

    Praxishinweis

    Auch wenn es nicht um einen Unfall im Straßenverkehr geht: Beide Entscheidungen sind für die Beurteilung der elterlichen Aufsichtspflicht auch bei Verkehrsunfällen von erheblicher Bedeutung. Mit Augenmaß differenziert der VI. ZS nach dem entscheidenden Gesichtspunkt, dem Grad der Gefahr für fremdes Vermögen. Die 30-Minuten-Regel für normal entwickelte Fünf- bis Sechsjährige erscheint als sinnvoller Kompromiss, als Regelzeit nicht nur für Spielplätze gültig, sondern auch für Sportgelände und für das Spielen auf Bürgersteigen verkehrsarmer Straßen. Daran müssen Eltern-Anwälte den zu führenden Entlastungsbeweis ausrichten. Gedacht werden muss nicht nur an die Aufsicht vor Ort, sondern auch an die Belehrungspflicht. Auch dazu ist konkret vorzutragen und Beweis anzubieten. Unauffälligkeits-Bescheinigungen des Kindergartens und der Schule können hilfreich sein. Für die Fallbearbeitung instruktiv: OLG Stuttgart NZV 09, 191 (4-jähriges Kind, Flughafengelände) und die Rspr.übersicht von Bernau, DAR 08, 286.