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  • 24.07.2008 | Blutentnahme

    Nochmals: Anordnung der Blutentnahme durch die Ermittlungsbeamten

    Die Strafverfolgungsbehörden haben sich auch in der Masse der Alltagsfälle grundsätzlich um die Einholung einer richterlichen Entscheidung vor einer Blutentnahme zu bemühen. Gefahr im Verzug kann nur noch in Ausnahmefällen angenommen werden. Die Entscheidung, ob bei einem Verstoß der Strafverfolgungsbehörden gegen diese Vorgaben ein Beweisverwertungsverbot besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund einer umfassenden Güterabwägung zu treffen (LG Berlin 23.4.08, 528 Qs 42/08, Abruf-Nr. 081811).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Dem Angeklagten ist die Fahrerlaubnis gem. § 111a StPO vorläufig entzogen worden. Auf seine Beschwerde hat das LG das BAK-Gutachten als unverwertbar angesehen, weil die Blutprobe ohne richterliche Anordnung entnommen worden sei. Das LG hat sich auf die Rechtsprechung des BVerfG bezogen (BVerfG VA 07, 109). Diese gelte nicht nur für die Blutentnahme zum Nachweis eines Drogendelikts, sondern erst recht auch für die Blutentnahme zum Nachweis von Trunkenheitsdelikten. Die sich aus der Einholung einer richterlichen Entscheidung ergebenden zeitlichen Verzögerungen seien in der Regel nur gering. Das LG hat hier Gefahr im Verzug verneint, weil den Polizeibeamten genügend Zeit zur Einholung einer richterlichen Anordnung zur Verfügung gestanden habe. Die Blutentnahme sei nämlich erst zwei Stunden nach dem Anhalten des Angeklagten durchgeführt worden.  

     

    Das LG hat auch ein Beweisverwertungsverbot bejaht. Bei einer so langen Dauer zwischen dem Erkennen der Alkoholisierung und der Durchführung der Blutprobe bestehe der Verdacht, dass die Polizeibeamten, die zu zweit vor Ort waren und sich entsprechend koordinieren konnten, den Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO bewusst missachtet hätten. Dafür spreche auch, dass sie erst das Fahrzeug des Angeklagten durchsuchten und ihn erst danach zur Blutentnahme auf die Polizeiwache verbrachten. Aus anderen Gründen hat das LG aber trotz der Unverwertbarkeit des BAK-Gutachtens dringenden Tatverdacht bejaht und die Beschwerde verworfen.  

     

    Praxishinweis

    Wir haben bereits mehrfach über die Problematik des Beweisverwertungsverbots bei einer nur durch Polizeibeamte angeordneten Blutentnahme berichtet (AG Essen VA 08, 14; LG Hamburg VA 08, 15; OLG Stuttgart VA 08, 29 und OLG Hamburg VA 08, 104). Bisher hatte nur das AG Essen ein Beweisverwertungsverbot bejaht, wenn keine Gefahr im Verzug vorlag. Ebenso sieht das auch das LG Berlin zumindest für den Fall, dass der Angeklagte so erheblich alkoholisiert war, dass eine Rückrechnung unschwer möglich ist und deshalb kein Beweismittelverlust durch Alkoholabbau droht. Gerade bei höheren Alkoholisierungen, die durch alkoholtypische körperliche Ausfallerscheinungen oder durch den Atemalkoholgehaltwert ersichtlich sind, können kurzfristige Verzögerungen bedingt durch die Einschaltung des Gerichts durch Rückrechnung problemlos ausgeglichen werden. Anders wird es wohl bei geringen Alkoholisierungsgraden gesehen, bei denen alkoholtypische Anzeichen fehlen, oder bei geringen Drogeneinwirkungen, weil da ebenso wie bei einem behaupteten Nachtrunk die Gefahr des vollständigen Abbaus der Wirkstoffe im Körper / Blut und somit die Gefahr des Beweismittelverlusts bestehen kann (OLG Hamburg, a.a.O.; LG Berlin, a.a.O.).