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  • 01.09.2007 | Autokauf

    BGH sorgt für Verwirrung bei Beweislastumkehr

    Zeigt sich bei einem gebrauchten Kraftfahrzeug, das ein Verbraucher von einem Unternehmer gekauft hat, innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe an den Käufer ein Mangel (hier: defekte Zylinderkopfdichtung, gerissene Ventilstege) und können die dafür als ursächlich in Frage kommenden Umstände (Überhitzung des Motors infolge zu geringen Kühlmittelstandes oder Überbeanspruchung) auf einen Fahr- oder Bedienungsfehler des Käufers zurückzuführen, ebenso gut aber auch bereits vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer eingetreten sein, so begründet § 476 BGB die Vermutung, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war (BGH 18.7.07, VIII 259/06, Abruf-Nr. 072339).

     

    Sachverhalt

    Unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung hatte der Kläger von dem beklagten Kfz-Händler einen gebrauchten Pkw (Km-Stand 159.100) für 4.490 EUR gekauft. Nach etwa 4 Wochen und einer Fahrstrecke von ca. 2.000 km, zum Teil mit schwer beladenen Anhängern, wurde in einer Werkstatt festgestellt, dass sich im Kühlsystem zu wenig Wasser befand. Weiterer Befund nach Demontage des Zylinderkopfes: Dichtung defekt und Ventilstege gerissen. Der Beklagte lehnte eine Mängelbeseitigung ab, worauf der Kläger vom Kauf zurücktrat. Im Prozess berief er sich auf § 476 BGB. Er habe den Wagen als Verbraucher gekauft. Nach Einholung eines Gutachtens haben AG und LG die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision führte zur Zurückverweisung an das LG.  

     

    Entscheidungsgründe

    Das LG hat die Verbrauchereigenschaft des Klägers unterstellt, § 476 BGB dennoch nicht herangezogen. Die dafür gegebene Hauptbegründung – schon kein Mangelnachweis – hält der BGH ebenso wie die Hilfsargumentation – Unvereinbarkeit mit der Art des Mangels – für nicht tragfähig. Im Ausgangspunkt folgt er dem LG jedoch in der gutachtengestützten Annahme, dass eine Mangelhaftigkeit bei Übergabe nicht festzustellen sei. Damit konnte der Kläger nur gewinnen, wenn ihm § 476 BGB zugute kommt. Das hat der BGH trotz eines eventuellen Fahr- oder Bedienungsfehlers des Klägers als potenzielle Schadensursache bejaht. Anders als etwa im „Zahnriemenfall“ (BGH VA 04, 145, Abruf-Nr. 041808) sei hier nicht ungeklärt geblieben, ob überhaupt ein Mangel vorliegt, das stehe vielmehr positiv fest. Nicht geklärt sei allein die Frage „vor oder nach Übergabe “. Sie werde durch § 476 BGB pro Verbraucher entschieden.  

     

    Praxishinweis

    Wenn es eines letzten Beweises dafür bedurft hätte, dass die Praxis mit dem § 476 BGB nicht klar kommt, dann hätte es dieser Fall sein können. Zwei Gerichte entscheiden pro Händler, der BGH dreht die Sache um und stärkt mit seiner Entscheidung – der fünften (!) zum Gebrauchtwagen-Kauf – Verbrauchern den Rücken. Warum, so fragt man sich, hat der Fahrfehler-Einwand in dem berühmten „Zahnriemenfall“ (BGH VA 04, 145, Abruf-Nr. 041808) gezogen und wieso diesmal nicht? In beiden Fällen soll der Käufer nach der Behauptung des Händlers durch eigenes Fehlverhalten „den Schaden“ verursacht haben, beim Zahnriemen durch einen Schaltfehler, jetzt durch Nichtbeachten der Anzeige für die Kühlwassertemperatur und/oder Motorüberlastung durch Anhängerziehen. Der BGH versucht, den entscheidenden Unterschied deutlich zu machen. Dabei hat er ein Problem: Er will sein Fehlurteil im Zahnriemenfall nicht korrigieren. Also muss er für die Fallgruppe „Fahr-/Bedienungsfehler“ zwei unterschiedliche Lösungsansätze anbieten. Das sorgt für Verwirrung. Fazit: Händlern ist der Einwand „Du bist selbst schuld“ erschwert worden; sie müssen alles daran setzen, ihn bei der vorrangigen Ob-Überhaupt-Frage zu platzieren (dazu VA 06, 157). Das sind diejenigen Fälle, in denen der Sachmangel nicht das (meist sichtbare) Resultat, sondern dessen – oft verdeckte und ungewisse – Ursache ist.