Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.10.2008 | Ausländischer Führerschein

    Missbräuchlicher Führerschein-Tourismus

    Grundsätzlich sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, die von einem anderen Mitgliedsstaat nach Ablauf der Sperrfrist erteilten Führerscheine ohne eigenes Prüfungsrecht anzuerkennen. Diese Anerkennungsverpflichtung gilt jedoch nicht, wenn sich auf der Grundlage von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststellen lässt, dass die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439 aufgestellte Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins nicht erfüllt war. Der Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet auf den Inhaber dieses Führerscheins eine Maßnahme des Entzugs einer früheren Fahrerlaubnis angewendet worden ist, kann es ablehnen, die Fahrberechtigung anzuerkennen, die sich aus dem zu einem späteren Zeitpunkt von einem anderen Mitgliedsstaat außerhalb einer Sperrzeit ausgestellten Führerschein ergibt (EuGH 26.6.08, C-329/06 und C 343/06, Abruf-Nr. 082074).

     

    Praxishinweis

    Der EuGH hat über die Vorabanfragen zur Frage des Rechtsmissbrauchs beim Erwerb einer Fahrerlaubnis im Ausland entschieden (dazu VG Sigmaringen DAR 06, 640; VG Chemnitz DAR 06, 637). In seiner bisherigen Rechtsprechung (u.a. VA 04, 100; VA 06, 120) hatte er die Auffassung vertreten, dass die ausländische Fahrerlaubnis in den Mitgliedsstaaten ohne Einschränkung anzuerkennen sei. Dies hatte zu einem sog. Führerscheintourismus geführt, dem insbesondere die deutschen VG dadurch Einhalt gebieten wollten, dass in der Rechtsprechung in den Anerkennungs- und Entziehungsverfahren zunehmend auf den sog. Missbrauchsgedanken abgestellt worden ist. (z.B. OVG Thüringen VA 06, 211; OVG Mecklenburg-Vorpommern NJW 07, 1154; OVG Münster 22.2.08, 16 B 83/08 m.w.N.; VG Münster VA 06, 160; VG Stade VA 06, 197; VG Stuttgart VA 07, 128).  

     

    In seiner Entscheidung hat der EuGH das Prinzip der vorbehaltlosen Anerkennung nun aufgeweicht. Steht aufgrund unbestreitbarer Tatsachen, die sich aus Informationen des ausstellenden Mitgliedsstaates oder aber aus dem Führerschein direkt ergeben, fest, dass der Erwerber zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Ausstellerstaat gehabt hat, ist es einem Mitgliedsstaat nicht verwehrt, die Anerkennung des entsprechenden Führerscheins zu verweigern. Im Übrigen soll aber weiterhin der Grundsatz gelten, dass Gründe, die für eine Nichteignung des Erwerbers sprechen, die aber vor Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis liegen, nicht für die Aberkennung der neuen Fahrerlaubnis herangezogen werden dürfen (s.a. Wandt, VRR 08, 295).  

     

    Die EuGH-Entscheidung wirft neue Fragen auf: Was ist eine unbestreitbare Tatsache? Hat sie Rückwirkung auf früher erteilte Fahrerlaubnisse oder gilt sie nur für zukünftige Erteilungsverfahren? Also: Die dritte Runde im Streit um die Zulässigkeit und die Auswirkungen des Führerscheintourismus ist eingeläutet.