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  • · Fachbeitrag · Reisekosten

    Der zentrale Aspekt der Reisekostenreform 2014: So wird die erste Tätigkeitsstätte bestimmt

    | Von zentraler Bedeutung für die steuerliche Behandlung von Fahrtkosten, für den Werbungskostenabzug von Verpflegungsmehraufwand oder für die Ermittlung des geldwerten Vorteils bei Nutzung eines Dienstwagens ist die Frage, ob und wo im Jahr 2014 eine erste Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers vorliegt. Arbeitnehmer und -geber haben hier seit dem 1. Januar 2014 enormes Gestaltungspotenzial, das sie unbedingt ausschöpfen sollten. |

    So bestimmt sich die erste Tätigkeitsstätte

    Die „erste Tätigkeitsstätte“ nach § 9 Abs. 4 EStG ersetzt den bisherigen Begriff der „regelmäßigen Arbeitsstätte“. Zwei Kriterien entscheiden darüber, ob ein Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte hat und wenn ja wo diese liegt (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Az. IV C 5 - S 2353/13/10004; Abruf-Nr. 133156):

     

    • 1.Bestimmung durch Arbeitgeber: Die erste Tätigkeitsstätte bestimmt sich seit 2014 vorrangig auf Grundlage der dienst- oder arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Arbeitgebers.
    •  
    • 2.Quantitative Bestimmung: Fehlt die Zuordnung durch den Arbeitgeber oder ist diese nicht eindeutig, werden quantitative Kriterien zur Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte herangezogen.

     

    PRAXISHINWEIS | Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben es also selbst in der Hand, Einfluss auf das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte zu nehmen. In Einzelfällen kann es sinnvoll sein, die Zuordnung arbeitsrechtlich zu klären, in anderen Fällen kann die quantitative Bestimmung steuerlich günstiger sein.

     

    Zuordnung der ersten Tätigkeitsstätte durch Arbeitgeber

    Neu ist, dass eine ortsfeste betriebliche Einrichtung bei einem verbundenen Unternehmen oder bei einem Kunden als erste Tätigkeitsstätte in Betracht kommt. Die Zuordnung zur ersten Tätigkeitsstätte durch den Arbeitgeber muss zudem auf Dauer angelegt sein. Das ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung

    • unbefristet,
    • für die Dauer des gesamten Dienstverhältnisses oder
    • über einen geplanten Zeitraum von mehr als 48 Monaten zugeordnet ist.

     

    Wichtig | Die Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ersten Tätigkeitsstätte durch den Arbeitgeber ist an keine besondere Form gebunden. Die dienst- oder arbeitsrechtlichen Bestimmungen können also auch mündlich getroffen werden. Um bei Jahre später stattfindenden Lohnsteuerprüfungen jedoch nicht in Nachweisschwierigkeiten zu geraten, empfehlen sich stets schriftliche Bestimmungen.

     

    Qualität und Umfang der Arbeiten sind unerheblich

    Ist eine Zuordnung durch den Arbeitgeber erfolgt, kommt es auf die Quantität und Qualität des Tätigwerdens nicht mehr an. Es reicht, wenn folgende Hilfstätigkeiten erledigt werden:

     

    Abgabe von Stundenzetteln

    Führen von Tätigkeitsnachweisen

    Abholen von Arbeitsaufträgen

    Abgabe von Urlaubsanträgen

    Abholung von Ware

    Abholung bzw. Rückgabe eines Dienstwagens

     
    • Beispiel

    Arbeitnehmer Huber wird in den beiden Filialen A und B eingesetzt. In Filiale A ist er an vier Tagen tätig, in Filiale B nur ein einem Tag in der Woche, weil er an diesem Tag dort seinen „Bürokram“ erledigen muss. Sein Arbeitgeber könnte ihn arbeitsrechtlich der Filiale B zuordnen. Dass Huber vorwiegend in der Filiale A tätig wird und dort die für seinen Beruf qualitativ hochwertigeren Arbeiten erledigt, ist unbedeutend.

     

    Wichtig | Legt der Arbeitgeber dagegen keine erste Tätigkeitsstätte fest, würde die erste Tätigkeitsstätte nach quantitativen Kriterien bestimmt. In diesem Fall würden oben genannte Hilfstätigkeiten nicht ausreichen, eine erste Tätigkeitsstätte zu begründen (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 26).

     

    Zukunftsprognose bei Zuordnung durch Arbeitgeber maßgeblich

    Die dauerhafte Zuordnung zu einer Einrichtung des Arbeitgebers, des verbundenen Unternehmens oder des Kunden ist eine Prognose-Entscheidung. Das heißt: Ein Arbeitgeber kann die Zuordnung jederzeit neu festlegen, nie aber rückwirkend (BMF-Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 14).

     

    Weichen die tatsächlichen Verhältnisse durch unvorhergesehene Ereignisse (zum Beispiel Krankheit des Arbeitnehmers) von der ursprünglichen Prognose ab, ändert sich an der bisherigen Zuordnung der ersten Tätigkeitsstätte nichts. Dasselbe gilt, wenn sich eine - für weniger als 48 Monate geplante - Auswärtstätigkeit unvorhergesehen verlängert. Für das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer vom Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung an noch mehr als 48 Monate in der Einrichtung eingesetzt wird.

     

    • Beispiel 1

    Ein Arbeitnehmer wird unbefristet eingestellt, um in der Filiale A tätig zu werden. Zunächst soll er jedoch 6 Monate ausschließlich in der Filiale B arbeiten. Folge: Der Arbeitnehmer hat in der Filiale A keine erste Tätigkeitsstätte, weil er dort nicht tätig wird. Auch in der Filiale B hat er keine erste Tätigkeitsstätte, weil die Zuordnung dort nicht dauerhaft ist (nicht mehr als 48 Monate).

     
    • Beispiel 2

    Ein unbefristet angestellter Arbeitnehmer soll ein Projekt in der Einrichtung eines Kunden für die Dauer von 45 Monaten betreuen. Nach Ablauf der 45 Monate wird das Projekt um 10 Monate verlängert. Folge: A hat weder in der Vergangenheit (nicht mehr als 48 Monate) noch ab dem Zeitpunkt der Verlängerung (Verlängerung der Projektdauer um nicht mehr als 48 Monate) eine erste Tätigkeitsstätte in der Einrichtung des Kunden.

     

    PRAXISHINWEIS | Damit das Finanzamt die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer ersten Tätigkeitsstätte nicht angreifen und rückwirkend ändern kann, sollten Arbeitgeber die Prognoseentscheidungen schriftlich festhalten und im Lohnkonto des jeweiligen Arbeitnehmers aufbewahren. Ohne Nachweise kann das Finanzamt die vom Arbeitgeber getroffene Zuordnung kippen und für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte die quantitativen Zuordnungskriterien heranziehen.

     

    Besonderheiten bei der Zuordnung zur ersten Tätigkeitsstätte

    Es ist erlaubt, einen Arbeitnehmer aus rein steuerlichen Gesichtspunkten einer ersten Tätigkeitsstätte zuzuordnen. In Einzelfällen wird das Finanzamt jedoch spezielle Nachweise fordern, dass die Zuordnung den tatsächlichen Verhältnissen entspricht und nicht nur auf dem Papier besteht. Das gilt vor allem für folgende Arbeitnehmer:

     

    • Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH
    • Mitarbeitende Arbeitnehmer-Ehegatten bzw. Partner im Rahmen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft
    • Sonstige mitarbeitende Familienangehörige

     

    Wichtig | Die Zuordnungskriterien für die genannten Personen müssen einem Fremdvergleich standhalten. Zudem sollten Nachweise gesammelt werden, dass diese Arbeitnehmer tatsächlich in einer bestimmten Arbeitsstätte eingesetzt waren (Tankquittungen, Zeiterfassungsdaten).

     

    Quantitative Zuordnung bei fehlender Zuordnung durch den Arbeitgeber

    Quantitative Zuordnungskriterien kommen ins Spiel, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer keine arbeits- oder dienstrechtliche Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte getroffen hat oder die Zuordnung nicht eindeutig ist.

     

    Nach den quantitativen Kriterien gilt eine Einrichtung dann als erste Tätigkeitsstätte, wenn der Arbeitnehmer in dieser Einrichtung

    • typischerweise arbeitstäglich,
    • je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder
    • mindestens zu einem Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit

    dauerhaft tätig werden soll.

     

    Wird eine Einrichtung regelmäßig aufgesucht, um dort nur Nebentätigkeiten zu erbringen, führt das allerdings nicht dazu, dass eine erste Tätigkeitsstätte angenommen werden kann.

     

    • Beispiel 1

    Arbeitnehmerin Müller ist vier Tage in der Woche in Filiale A und einen Tag in Filiale B, um dort einfache Büroarbeiten zu erledigen. Ihr Arbeitgeber hat keine erste Tätigkeitsstätte festgelegt. Folge: Müller hat in Filiale A ihre erste Tätigkeitsstätte, weil sie in Filiale B nur Hilfstätigkeiten ausübt.

     
    • Beispiel 2

    Monteur Maier, der keiner Tätigkeitsstätte zugeordnet ist, holt jeden Tag in der Einrichtung seines Arbeitgebers einen Werkstattwagen und die Dienstpläne für seine Kundenbesuche ab. Folge: Da in der Einrichtung des Arbeitgebers nur Nebentätigkeiten erledigt werden, hat Maier keine erste Tätigkeitsstätte.

     
    • Beispiel 3

    Wie Beispiel 2, nur dass Maier in der Einrichtung des Arbeitgebers an 10 Stunden pro Woche Gegenstände von Kunden repariert. Seine Wochenarbeitszeit beträgt 40 Stunden. Folge: Weil Maier nicht mindestens zu zwei Dritteln seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit in der Einrichtung seines Arbeitgebers tätig wird, hat er keine erste Tätigkeitsstätte.

     

    Wichtig | Hat ein Arbeitnehmer mehrere Tätigkeitsstätten, die nach quantitativer Bestimmung die Voraussetzungen für eine erste Tätigkeitsstätte erfüllen, gilt als erste Tätigkeitsstätte die Einrichtung, die der Wohnung des Arbeitnehmers am nächsten ist (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 31).

     

    • Beispiel 4

    Arbeitnehmerin Schneider ist als Kassiererin an drei Tagen in Filiale A (Entfernung von Wohnung 30 km) und an zwei Tagen in Filiale B (Entfernung zur Wohnung 50 km) beruflich tätig. Folge: Ohne Zuordnung des Arbeitgebers stellt Filiale A die erste Tätigkeitsstätte dar (der Wohnung am nächsten liegende Einrichtung).

     

    Ungünstige Sonderfälle bei Fehlen der ersten Arbeitsstätte

    Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, kann es dennoch vorkommen, dass er seine Fahrtkosten nur mit der Entfernungspauschale als Werbungskosten steuerlich geltend machen kann. Denkbar sind zwei Fälle:

     

    Fahrten zu Sammelpunkt

    Nummer Eins ist der „Sammelpunkt-Fall“. Hier legt der Arbeitgeber einen Sammelpunkt fest, an dem sich der Arbeitnehmer dauerhaft und arbeitstäglich einzufinden hat, um von dort seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 37).

     

    • Beispiel

    Ein Bus- oder Lkw-Fahrer hat prinzipiell keine erste Tätigkeitsstätte. Legt der Arbeitgeber aber fest, dass sich der Fahrer täglich an einem bestimmten Ort einzufinden hat, um zu seinem Fahrzeug gefahren zu werden oder sein Fahrzeug zu übernehmen, kann er für die Fahrten zum Sammelpunkt nur die Entfernungspauschale geltend machen.

     

    PRAXISHINWEIS | Diese Sonderregelung gilt aber nur für die Fahrtkosten. Ein Sammelpunkt stellt nämlich keine erste Tätigkeitsstätte dar. Folglich befindet sich der Arbeitnehmer beruflich auf einer Auswärtstätigkeit und kann Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten als Werbungskosten geltend machen oder sich vom Arbeitgeber steuerfrei erstatten lassen. Gerechnet wird immer die Zeit vom Verlassen der Wohnung bis zur Rückkehr, und nicht die Zeit vom Sammelpunkt (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 39).

     

    Weiträumiges Tätigkeitsgebiet

    Übt ein Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet aus, hat er zwar keine erste Tätigkeitsstätte. Dennoch darf er auch hier für die Fahrten zu diesem weiträumigen Tätigkeitsgebiet Werbungskosten nur in Höhe der Entfernungspauschale geltend machen. Für die Fahrten innerhalb des Gebiets gelten dagegen die Dienstreisegrundsätze.

     

    Wird das weiträumige Tätigkeitsgebiet immer von verschiedenen Zugängen aus betreten oder befahren, ist die Entfernungspauschale nach der Entfernung von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang zu berechnen (BMF, Schreiben vom 30.9.2013, Rz. 42).

     

    PRAXISHINWEIS | Für diesen Sonderfall gelten drei Besonderheiten:

    • Betreuung von Personen in deren Wohnungen: Arbeitnehmer, die in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet ihren Beruf ausüben, sind von der Sonderregelung ausgenommen, wenn sie verschiedene Personen in deren Wohnungen betreuen. Mobile Pflegekräfte oder Schornsteinfeger können Fahrtkosten also immer nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten geltend machen.
    • Betreuung von Niederlassungen: Betreut ein Arbeitnehmer verschiedene Niederlassungen seines Arbeitgebers in einem weiträumigen Gebiet (zum Beispiel Bezirksleiter, Vertriebsmitarbeiter), stellen die Fahrten zu dem Tätigkeitsgebiet keine Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte dar.
    • Verpflegungspauschale/Übernachtungskosten: Die Sonderregelung zum weiträumigen Tätigkeitsgebiet betrifft nur die Fahrtkosten, nicht dagegen den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bzw. Übernachtungskosten. Hier gilt das Gleiche wie beim Busfahrer mit Sammeldepot (siehe oben).

    FAZIT | Arbeitgeber und -nehmer können in manchen Fällen die erste Tätigkeitsstätte so gestalten, dass der Arbeitnehmer für die Fahrt zur Arbeit ein Höchstmaß an Werbungskosten (Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwand geltend machen kann. Einzelheiten finden Sie im nachfolgenden Beitrag (Seiten 9 bis 12). Wenn Sie zu Einzelfällen aus Ihrem Alltag eine steuerliche Einschätzung durch die Redaktion wünschen, schreiben Sie an wiso@iww.de.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 4 | ID 42451255