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  • · Fachbeitrag · Honorarrecht

    Die Sicherheitsleistung nach § 650f BGB: Neue Rechtsprechung kennen und alle Register ziehen

    | Die Bauhandwerkersicherung in § 650f Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Honorarsicherungsinstrument, das gegenüber schwierigen Auftraggebern und auch in unsicheren Zeiten wertvolle Dienste leisten kann. Dass sie endlich auch von den planenden Berufen entdeckt worden ist, zeigt u. a. die Tatsache, dass zuletzt relativ viele „Planerfälle“ vor Gericht gelandet sind. Anlass genug für PBP, Sie noch einmal mit dem Grundgedanken der Bauhandwerkersicherung und der aktuellen Rechtsprechung vertraut zu machen. |

    Sinn und Zweck der Bauhandwerkersicherung

    Die Bauhandwerkersicherung ist ein gutes Instrument, um Ihr Vorleistungsrisiko abzusichern. Nach § 650f BGB können Sie vom Auftraggeber Sicherheit für die gesamte ‒ noch nicht gezahlte ‒ Vergütung verlangen und zehn Prozent für Nebenforderungen aufschlagen. Die Vorschrift gilt auch für die planenden Berufe, wenn Sie im Rahmen eines Architekten- oder Ingenieurvertrags nach § 650p BGB tätig werden. Nicht anwendbar ist die Vorschrift nur, wenn Sie für öffentliche Auftraggeber tätig (§ 650f Abs. 6 BGB) oder „dienstvertraglich beauftragt“ sind (z. B. Projektsteuerungsverträge, OLG München, Urteil vom 07.02.2017, Az. 9 U 2987/16 Bau, Abruf-Nr. 195407).

     

    PRAXISTIPP | Seit der Neuregelung des BGB im Jahr 2018 können Sie die Bauhandwerkersicherung auch nutzen, wenn Sie von privaten Bauherren beauftragt sind. Wichtig zu wissen ist auch, dass der Anspruch vertraglich nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden kann (§ 650f Abs. 7 BGB).

     

    Die fünf neuen Urteile

    Lernen Sie nachfolgend die fünf neuesten Entscheidungen zur Bauhandwerkersicherung kennen, um sie und deren Aussagen in der Praxis gut umsetzen zu können.

     

    1. OLG München: Wann beginnt die Verjährung?

    Das OLG München musste jüngst entscheiden, wann der Anspruch auf Sicherheitsleistung verjährt. Im konkreten Fall hatte ein Architekturbüro für seine offenen Honoraransprüche einen Anspruch auf Sicherheit nach § 650f BGB in Höhe von gut 4,3 Mio. Euro geltend gemacht. Vor dem LG hatte das Büro verloren, weil der Anspruch verjährt sei. Die Verjährung beginne nicht gemäß § 199 Abs. 1 BGB zum Schluss des Jahres, in dem der Anspruch im verjährungsrechtlichen Sinne entstanden sei (sog. „Ultimo-Verjährung“). Der Verjährungsbeginn sei vielmehr taggenau ab dem ersten Sicherungsverlangen zu berechnen, so das LG.

     

    Das OLG hat das anders gesehen und den Anspruch des Architekturbüros bejaht. § 650f Abs. 1 S. 1 BGB sei ein verhaltener Anspruch. Die Verjährungsfrist für diesen Anspruch beginne nach § 199 BGB am Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer die Sicherheit verlangt (OLG München, Urteil vom 21.11.2023, Az. 9 U 301/23 Bau e, Abruf-Nr. 238923 → nicht rechtskräftig)

     

    Wichtig | Im Zusammenhang mit § 650f BGB müssen Sie verschiedene Verjährungsfristen im Blick behalten. Zum einen darf der Anspruch auf Sicherheitsleistung nicht verjähren. Um diesen Anspruch ging es im vom OLG München entschiedenen Fall. Wird die Sicherheit durch Bürgschaft geleistet, müssen Sie außerdem dafür sorgen, dass auch Ihr Anspruch gegen den Bürgen nicht verjährt. Und drittens müssen Sie auch dafür Sorge tragen, dass die zu sichernde Forderung, also Ihr eigentlicher Vergütungsanspruch und die mit zehn Prozent mitzusichernden Nebenforderungen, nicht verjähren.

     

    2. OLG München: Anspruch besteht nach Kündigung fort

    Ebenfalls vom OLG München kommt die Entscheidung, dass der Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB nicht untergeht, wenn Sie als Architekt oder Ingenieur (= Unternehmer) den Vertrag gekündigt haben (OLG München, Beschluss vom 03.08.2023, Az. 28 U 1119/23 Bau Abruf-Nr. 236761 → nicht rechtskräftig).

     

    Im konkreten Fall hatte ein Architekt mit einem Projektentwickler zwei Vollarchitekturverträge geschlossen und den Vertragspartner aufgefordert, ihm eine Sicherheit zu stellen. Für den Fall des Nichttätigwerdens drohte er mit Kündigung. Der Auftraggeber wies das Sicherungsverlangen wegen Mängeln und weiterer Gegenforderungen zurück, der Architekt kündigte. Das LG München I gab der Klage auf Stellung von Sicherheiten gemäß § 650f BGB in Höhe von 95.000 Euro und 80.000 Euro durch Teilurteil statt. Mit der Berufung rügte der Auftraggeber, dass das Teilurteil falsch gewesen sei, weil er ja widerklagend Schadenersatz in sechsstelliger Höhe geltend gemacht habe.

    Das OLG München hat die Berufung abgelehnt und begründet das wie folgt: Der Gesetzgeber wollte mit § 650f BGB dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnen, möglichst schnell vom Besteller Sicherheit zu erhalten. Dieser Zweck rechtfertige ausnahmsweise den Erlass eines Teilurteils. Durch die Kündigung der Verträge nach § 650f Abs. 5 S. 1 BGB erlösche der Anspruch auf Sicherheitsleistung nicht. Zwar habe der BGH dies nur für die Kündigung des Auftraggebers entschieden. Aus dem Gesetzeswortlauf lasse sich aber nicht entnehmen, dass anderes gilt, wenn der Unternehmer berechtigt kündigt. Die Kündigung in § 650f Abs. 5 BGB sei ein Sonderfall der Kündigung aus wichtigem Grund. Insoweit muss auch der Vergütungsanspruch aus § 650f Abs. 5 S. 2 BGB weiter gesichert werden (OLG München, Beschluss vom 03.08.2023, Az. 28 U 1119/23 Bau, Abruf-Nr. 236761 → nicht rechtskräftig).

     

    3. BGH: Die Bauhandwerkersicherung gilt auch für Nachträge

    Vom BGH stammt die wertvolle Entscheidung, dass die Bauhandwerkersicherheit auch für Nachträge gilt. Das Urteil erging zwar zum alten § 648a BGB und betraf einen Bauunternehmer-Nachtrag. Sie ist aber auf Planungsverträge und den neuen § 650f BGB übertragbar (BGH, Urteil vom 20.10.2022, Az. VII ZR 154/21, Abruf-Nr. 232734).

     

    Der BGH wörtlich: „Nach dem Sinn und Zweck von § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. gibt es keine Veranlassung, zwischen der für die im Vertrag aufgeführten Leistungen vereinbarten Vergütung und der nur unter der Bedingung der Anordnung anderer oder weiterer Leistungen entstehenden Vergütung zu unterscheiden. Das Sicherungsinteresse des Auftragnehmers besteht in allen Fällen in gleicher Weise. ... Auch die Materialien zur Neufassung des § 648a BGB zum 1. Januar 2009 erhalten keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Formulierung „vereinbarte Vergütung“ eine Begrenzung der Vergütungsansprüche beabsichtigt gewesen wäre. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es ausdrücklich, dass § 648a Abs. 1 BGB-E funktionell dem bisherigen Abs. 1 entspreche (BT-Drucks. 16/511 S. 17). Dieser lautete, Sicherheit könne bis zur Höhe des voraussichtlichen Vergütungsanspruchs, wie er sich aus dem Vertrag oder einem nachträglichen Zusatzauftrag ergibt, verlangt werden. Hierunter lässt sich ohne Weiteres auch ein zusätzlicher Werklohn aufgrund eines wirksamen Leistungsverlangens des Auftraggebers verstehen ...“

     

    Wichtig | Der BGH macht aber auch klar, dass es Aufgabe des Auftragnehmers (hier also des Planers) ist, die Anspruchsgrundlage für einen zusätzlichen Vergütungsanspruch und damit für das Sicherungsverlangen darzulegen; ob es also wirksame Leistungsvereinbarungen oder Anordnungen des Auftraggebers gegeben hat: „Sind die tatsächlichen Voraussetzungen der schlüssig dargelegten Vergütung streitig und führt dies zu einer Verzögerung bei der Durchsetzung des Sicherungsanspruchs, so ist dem Sicherungsverlangen des Unternehmers deshalb stattzugeben, wenn nicht der Streit bereits anderweitig rechtskräftig geklärt ist ... Steht danach fest, dass eine Vergütung für Nachträge geschuldet ist, folgt hieraus allerdings, dass hinsichtlich ihrer Höhe ein schlüssiger Vortrag des Auftragnehmers ausreicht, um hierfür einen Anspruch auf Sicherheit zu begründen.“

     

    4. BGH: Gericht darf keinen Schätzabschlag vornehmen

    Zur Höhe der Sicherheit reicht ein schlüssiger Vortrag Ihrerseits aus. Die Höhe darf vom Gericht nicht geschätzt und mit einem Schätzabschlag versehen werden. Das hat der BFH entschieden und damit die Entscheidung der Vorinstanz kassiert (BGH, Urteil vom 17.08.2023, Az. VII ZR 228/22, Abruf-Nr. 237388).

     

    5. OLG Celle: Schlüssige Darlegung reicht aus

    Ähnlich sieht es das OLG Celle. Ihr Sicherungsverlangen ist berechtigt, wenn Sie den Anspruch schlüssig darlegen. Ob die diesbezüglichen tatsächlichen oder rechtlichen Annahmen zutreffen, ist im Sicherungsverfahren nicht zu klären (OLG Celle, Urteil vom 27.04.2022, Az. 14 U 96/19, Abruf-Nr. 229582.

     

    Im konkreten Fall war ein Planer mit Architektenleistungen beauftragt worden. Dann zerstritt man sich, die Situation eskalierte. Der Auftraggeber kündigte den Planervertrag außerordentlich aus wichtigem Grund und verlangte Rückzahlung zu viel gezahlten Honorars. Der Planer erhob Widerklage und forderte den Auftraggeber auf, ihm eine Sicherheit nach § 648a Abs. 1 BGB (jetzt § 650f BGB) zu stellen. Dazu machte er geltend, dass ihm ein Honorar auf Grundlage der HOAI-Mindestsätze oberhalb des vereinbarten Pauschalhonorars zustehe.

     

    Das OLG gab dem Planer Recht. Seine Darlegungen zur Höhe der Sicherheit (unter Berücksichtigung erhaltener Abschlagszahlungen) seien ausreichend gewesen. Im Sicherheitenprozess stehe im Vordergrund, dem Unternehmer zu einer schnellen Sicherheit zu verhelfen. Rechtlich anspruchsvolle Fragen seien dort dagegen nicht aufzuklären.

    Was Sie zur Bauhandwerkersicherung noch wissen sollten

    Die Sicherheit ist für Sie nicht kostenlos. Sie müssen Ihrem Auftraggeber dessen Kosten bis maximal zwei Prozent pro Jahr erstatten. Ausnahme: Müssen Sie die Sicherheit aufrechterhalten, obwohl Einwendungen Ihres Auftraggebers gegen Ihren Vergütungsanspruch unbegründet sind, dann muss er diese Kosten tragen.

     

    Wenn der Auftraggeber die Sicherheit nicht stellt

    Leistet Ihr Auftraggeber die Sicherheit nicht innerhalb der Frist, können Sie die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen (§ 650f Abs. 5 BGB). Entscheiden Sie sich für die Leistungsverweigerung, kommen Sie während dieses Zeitraums nicht in Verzug. Eine Kündigung sollten Sie erst dann in Erwägung ziehen, wenn Sie geprüft haben, ob die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Insbesondere müssen Sie nachweisen können, dass Sie vom Auftraggeber berechtigt eine Sicherheit gefordert haben (Zugang) und eine angemessene Frist zur Sicherheitsleistung abgelaufen ist.

     

    Kündigungsrecht bei nicht gestellter Sicherheit ist interessante Option

    Die Folgen einer Kündigung nach § 650f Abs. 5 BGB sind dieselben wie bei einer freien Kündigung des Auftraggebers. Sie müssen eine zweigeteilte Abrechnung aufstellen, und erhalten

    • für erbrachte Leistungen die volle Vergütung sowie
    • für nicht erbrachte Leistungen die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitigen Erwerbs.

     

    PRAXISTIPPS |

    • Das Kündigungsrecht ist eine interessante Option, wenn
      • Sie es mit einem schwierigen Auftraggeber zu tun haben und/oder
      • in einem Projekt stecken, das Ihnen rote Zahlen bescheren wird.
    • Aufpassen müssen Sie, weil gesetzgeberisch vermutet wird, dass Ihnen im Kündigungsfall vom Honorar für die nicht erbrachten Leistungen nur fünf Prozent zustehen. Diese Vermutung ist widerlegbar. Für Ihr Büro heißt es deshalb, sich von Vertragsbeginn an darauf einzustellen, dass Sie die „Vermutung“ im Kündigungsfall widerlegen und das Honorar für die kündigungsbedingt nicht mehr erbrachten Leistungen weit über diese fünf Prozent schrauben können.
     
    Quelle: ID 49860439