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  • · Fachbeitrag · Private Grundstücksverkäufe

    Der normale Wahnsinn des § 23 EStG: Selbst ein einfacher Fall erfordert zahlreiche Prüfschritte

    | Wer innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 23 EStG ein Grundstück anschafft (ggf. noch bebaut) und veräußert, muss sich mit der Frage auseinandersetzen, ob diese Veräußerung steuerpflichtig ist und falls ja, wie der Veräußerungsgewinn zu ermitteln ist. Der praktische Fall zeigt, dass selbst einfache Sachverhalte komplexe Berechnungen erforderlich machen können. |

    1. Sachverhalt

    Der Steuerpflichtige A erhält zum 1.1.10 ein bis zum 31.12.09 vermietetes und seitdem leer stehendes Zweifamilienhaus (Baujahr 1975) von seinem Vater V gegen Zahlung eines Gleichstellungsgeldes (200.000 EUR) an seine Schwester B. Das Zweifamilienhaus hatte V für 100.000 EUR hergestellt und linear abgeschrieben. Der Verkehrswert des Objekts liegt im Übertragungszeitpunkt bei 400.000 EUR. Davon entfallen 80.000 EUR auf den Grund und Boden.

     

    Noch in 2010 führt A diverse Modernisierungsmaßnahmen durch, indem er das Dach erneuert und eine neue Heizung einbauen lässt. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 80.000 EUR (zuzüglich 15.200 EUR USt).

     

    Ab 1.1.11 vermietet A die gleich großen Wohnungen. Zum 1.1.14 wird die Obergeschosswohnung unentgeltlich der zum Zeitpunkt des Einzugs 18-jährigen studierenden Tochter des A zu Wohnzwecken überlassen. A veräußert das Grundstück zum 1.7.16 für insgesamt 480.000 EUR.

     

    Frage: Muss A einen Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG versteuern und wenn ja, wie ist dieser zu ermitteln?

    2. Lösung

    Bei Beantwortung der Frage sind folgende Prüfungsschritte erforderlich:

     

    2.1 Kommt § 23 EStG grundsätzlich zur Anwendung?

    Was die rein zeitliche Komponente betrifft, liegt unstreitig ein Fall des § 23 EStG vor, da A ein bebautes Grundstück innerhalb von zehn Jahren angeschafft und wieder veräußert hat. Für die Berechnung der Zehnjahresfrist kommt es jeweils auf das obligatorische Rechtsgeschäft an, d. h., maßgebend ist, dass die rechtsgeschäftlichen Erklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist bindend abgegeben worden sind (BFH 8.4.14, IX R 18/13).

     

    Beachten Sie | Dies würde selbst bei einem nach § 158 Abs. 1 BGB aufschiebend bedingten Rechtsgeschäft gelten. Der außerhalb der Veräußerungsfrist liegende Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung wäre für die Besteuerung nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG insoweit unerheblich (BFH 10.2.15, IX R 23/13).

     

    2.2 Ist der Veräußerungserlös in vollem Umfang zu versteuern?

    Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG sind Wirtschaftsgüter von der Besteuerung ausgenommen, die im Zeitraum zwischen Anschaffung/Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.

     

    Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt auch vor, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld oder einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG hat, unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen hat (BMF 5.10.00, IV C 3 - S 2256 - 263/00, Rz. 23). Dies ist vorliegend der Fall: A überlässt die Obergeschosswohnung seiner bis zum Zeitpunkt der Veräußerung in Ausbildung befindlichen (studierenden) Tochter unentgeltlich zur Nutzung. Im Veräußerungszeitpunkt hat sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet.

     

    Die Befreiungsregelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG findet hinsichtlich der Obergeschosswohnung auch Anwendung, da die unentgeltliche Überlassung im Jahr der Veräußerung (2016) und in den beiden vorangegangenen Jahren (2014 und 2015) erfolgte und dies zu einem zusammenhängenden Zeitraum innerhalb der letzten drei Jahre geführt hat. Es ist nicht erforderlich, dass dieser Zeitraum volle drei Kalenderjahre umfasst (BMF a. a. O., Rz. 25).

     

    Kurzum: Eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns erfolgt somit nur hinsichtlich der Erdgeschosswohnung.

     

    PRAXISHINWEIS | Nur der entgeltliche Erwerb stellt eine Anschaffung im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG dar. Bei einem unentgeltlichen Erwerb ist dem Einzelrechtsnachfolger die Anschaffung des Wirtschaftsguts durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG).

     

    Im Praxisfall hat A das Zweifamilienhaus zum 1.1.10 teilentgeltlich erworben, indem er seine Schwester B in Höhe des hälftigen Verkehrswerts ausgezahlt hat. Die Veräußerung in 2016 hat für den unentgeltlich erworbenen Teil keine steuerlichen Auswirkungen, da die Anschaffung/Herstellung durch den Vater weit außerhalb des Zehnjahreszeitraums liegt.

     

    2.3 Ermittlung des Veräußerungsgewinns

    Da nur die Erdgeschosswohnung in die Besteuerung nach § 23 EStG einzubeziehen ist und diese nur zur Hälfte entgeltlich erworben wurde, unterliegt der Veräußerungserlös nur zu einem Viertel (= 120.000 EUR) der Besteuerung.

     

    Von dem Veräußerungserlös sind die Anschaffungskosten des A abzuziehen (§ 23 Abs. 3 S. 1 EStG). Die an seine Schwester gezahlten 200.000 EUR entfallen jedoch zur Hälfte auf die nicht der Besteuerung unterliegende Obergeschosswohnung, sodass nur 100.000 EUR abziehbar sind. Gleichzeitig ist jedoch zu beachten, dass sich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um die AfA mindern, soweit sie bei der Einkunftsermittlung abgezogen worden sind (§ 23 Abs. 3 S. 4 EStG).

     

    Abziehbar sind allerdings auch nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten (BMF a. a. O., Rz. 28). Die A in 2010 entstandenen Modernisierungsaufwendungen (95.200 EUR brutto) entfallen zur Hälfte auf die Erdgeschosswohnung (47.600 EUR). Insoweit ist nun zu prüfen, ob ein Fall des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG (= anschaffungsnaher Aufwand) vorliegt.

     

    Anschaffungsnaher Aufwand kann jedoch nur im Verhältnis zum entgeltlichen Teil des Erwerbsvorgangs entstehen (R 6.4 Abs. 1 S. 2 EStR). Da A die Erdgeschosswohnung zur Hälfte entgeltlich erworben hat, geht auch nur die Hälfte der Modernisierungsaufwendungen (= 23.800 EUR) in die Prüfung des anschaffungsnahen Aufwands ein. Der restliche Betrag der auf das Gesamtobjekt entfallenden Modernisierungsaufwendungen (71.400 EUR) ist in 2010 sofort als (vorweggenommene) Werbungskosten abziehbar.

     

    • Prüfung des anschaffungsnahen Aufwands

    Anschaffungskosten Erdgeschosswohnung

    (100.000 EUR abzüglich 20%iger Anteil für Grund und Boden)

     

    80.000 EUR

    davon 15 %

    12.000 EUR

    anschaffungsnahe Aufwendungen (netto)

    20.000 EUR

     

    Da der Grenzbetrag von 12.000 EUR überschritten wird, sind die Modernisierungsaufwendungen i. H. von 23.800 EUR (brutto) der AfA-Bemessungsgrundlage (80.000 EUR) zuzurechnen. Diese beträgt daher 103.800 EUR.

     

    Die jährliche Abschreibung von 2.076 EUR (2 % nach § 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG) ist für die Jahre 2010 bis 2015 mit 12.456 EUR zu ermitteln. Zuzüglich der halben Jahres-AfA für 2016 (1.038 EUR) beträgt das in Anspruch genommene AfA-Volumen daher 13.494 EUR.

     

    • Endgültige Berechnung des Veräußerungsgewinns

    Veräußerungserlös

    120.000 EUR

    Anschaffungskosten

    100.000 EUR

    zuzüglich anschaffungsnahe Herstellungskosten

    + 23.800 EUR

    abzüglich AfA

    ./. 13.494 EUR

    verbleiben

    110.306 EUR

    ./. 110.306 EUR

    zu versteuernder Veräußerungsgewinn

    9.694 EUR

     

    Weiterführende Hinweise

    • Vorsicht Falle: Ein bindendes Angebot kann ein privates Veräußerungsgeschäft auslösen (MBP 15, 157)
    • Besteuerung privater Grundstücksgeschäfte: Steuerfallen und Vermeidungsstrategien (MBP 14, 122)
    • Anschaffungsnaher Aufwand: BFH präzisiert Begriffsdefinition zulasten der Steuerpflichtigen (MBP 16, 202)
    Quelle: Ausgabe 04 / 2017 | Seite 64 | ID 44375923

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