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  • 20.05.2009 · IWW-Abrufnummer 091722

    Bundesfinanzhof: EStG vom 26.03.2009 – VI R 15/07

    1. Ein Raum ist als häusliches Arbeitszimmer von anderen beruflich genutzten Zimmern im häuslichen Bereich abzugrenzen.



    2. Räumlichkeiten, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, sind auch dann nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen, wenn sie ihrer Lage nach mit dem Wohnraum des Steuerpflichtigen verbunden und so in dessen häusliche Sphäre eingebunden sind.



    3. Ist eine Zuordnung zum Typus des häuslichen Arbeitszimmers nicht möglich, sind die durch die berufliche Nutzung veranlassten Aufwendungen grundsätzlich unbeschränkt als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar.


    VI R 15/07

    Gründe:

    I.

    Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Diplom-Ingenieur für die Firma A (Arbeitgeber) nichtselbständig tätig. Er ist dort für die Beratung, den Verkauf und die Betreuung zuständig. Seine Tätigkeit führt er ausschließlich von seinem Wohnsitz aus. Dabei handelt es sich um ein Zweifamilienhaus in der Größe von 216 qm, dessen Obergeschoss die Kläger zu Wohnzwecken nutzen.

    Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2003) machten die Kläger neben Kosten für Arbeitsmittel (2 310 ¤) auch Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in Höhe von 3 325 ¤ als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Bei dem Arbeitszimmer handelt es sich um die im Erdgeschoss des Zweifamilienhauses gelegenen Räume. Die ca. 70 qm große Etage, die bis 2001 von der Mutter des Klägers bewohnt worden war, besteht neben einem Eingangsbereich (3,6 qm) und Treppenhaus (8,4 qm) aus weiteren fünf Räumen, nämlich einem Büro (15,60 qm), einem Kaminzimmer (9,45 qm), einem Besprechungszimmer (13,50 qm), einem Archiv (9,80 qm) und einem Bad (9,90 qm).

    Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Kosten für das Arbeitszimmer gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) nur in Höhe von 1 250 ¤. Die Aufwendungen für Arbeitsmittel ließ das FA in Höhe von 677 ¤ zum Abzug zu. Im Einspruchsverfahren vertraten die Kläger die Auffassung, dass die das Arbeitszimmer betreffenden Kosten unbeschränkt abziehbar seien, da der Kläger das gesamte Erdgeschoss ausschließlich beruflich nutze. Anlässlich einer Ortsbesichtigung stellte das FA fest, dass eine private Nutzung des Erdgeschosses ausscheide. Ein überwiegender Wohncharakter sei in den Räumen nicht erkennbar.

    Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.

    Die Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ Aufwendungen für das Arbeitszimmer in Höhe von 1 271 ¤ zum Abzug als Werbungskosten zu. Es kam zwar zu dem Ergebnis, dass das häusliche Arbeitszimmer entgegen der Auffassung des FA den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung des Klägers darstelle. Es sei jedoch nur bezüglich der als Büro und Archiv bezeichneten Räume davon überzeugt, dass diese ganz überwiegend als Arbeitszimmer beruflich genutzt würden. Hinsichtlich der übrigen Zimmer habe eine ausschließlich beruflich veranlasste Nutzung nicht festgestellt werden können, weil diese zahlreiche bürofremde Ausstattungsmerkmale aufwiesen, die Ausstattung somit in ihrem Gesamtcharakter einer typischen Büroausstattung nicht entspreche. Der Eingangsbereich und das Treppenhaus gehörten nicht zu den als Arbeitsraum genutzten Räumen. Denn sie dienten auch dem Zugang zum privaten Bereich im Obergeschoss. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 746 veröffentlicht.

    Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

    Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 17. September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 2005 dahingehend zu ändern, dass zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 3 572 ¤ bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.

    Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

    II.

    Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

    Die Feststellungen des FG ermöglichen keine Entscheidung dazu, ob die Aufwendungen für die nicht als häusliches Arbeitszimmer qualifizierten Räume gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbare Werbungskosten sind.

    1. Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach Satz 3 der letztgenannten Vorschrift dann nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

    a) Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zufolge erfasst die Bestimmung das häusliche Büro, d.h. einen Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteile vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; vom 20. November 2003 IV R 30/03, BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775; vom 18. August 2005 VI R 39/04, BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428; vom 22. November 2006 X R 1/05, BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304). Der Nutzung entsprechend ist das häusliche Arbeitszimmer typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück darstellt (BFH-Urteile vom 16. Oktober 2002 XI R 89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185; vom 20. November 2003 IV R 3/02, BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203).

    Räumlichkeiten, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, sind auch dann nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen, wenn sie ihrer Lage nach mit dem Wohnraum des Steuerpflichtigen verbunden und deswegen in dessen häusliche Sphäre eingebunden sind. Dies trifft u.a. auf als Lager, Werkstatt, Arztpraxis oder Ausstellungsraum genutzte Räume zu (BFH-Urteile vom 19. März 2003 VI R 40/01, BFH/NV 2003, 1163; in BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203; vom 5. Dezember 2002 IV R 7/01, BFHE 201, 166, BStBl II 2003, 463; vom 26. Juni 2003 VI R 10/02, BFH/NV 2003, 1560; in BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185; in BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775). Im Einzelfall ist das häusliche Arbeitszimmer von anderen beruflich oder betrieblich genutzten Zimmern im häuslichen Bereich abzugrenzen.

    b) Ob ein Raum als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden (BFH-Urteil in BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185). Ist eine Zuordnung zum Typus des häuslichen Arbeitszimmers nicht möglich, so sind die durch die berufliche Nutzung veranlassten Aufwendungen grundsätzlich unbeschränkt als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar. Nach allgemeinen Grundsätzen ist aber zusätzlich erforderlich, dass die betreffenden Räumlichkeiten nahezu ausschließlich beruflich genutzt werden (BFH-Urteile in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203; in BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304).

    Begehrt der Steuerpflichtige den Werbungskostenabzug für mehrere in seine häusliche Sphäre eingebundene Räume, ist die Qualifizierung als häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich für jeden Raum gesondert vorzunehmen. Eine gemeinsame Qualifizierung kommt dann in Betracht, wenn die Räume eine funktionale Einheit bilden. Diese liegt aber nur vor, wenn verschiedene Räume nahezu identisch genutzt werden (BFH-Urteile in BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775; in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203). Insoweit kann insbesondere auch ein als Archiv genutzter Raum unter Berücksichtigung seiner Ausstattung, Lage und Funktion als Teil des häuslichen Arbeitszimmers anzusehen sein (BFH-Urteil in BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139).

    2. Das FG ist teilweise von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.

    a) Das FG ist aufgrund der Würdigung aller maßgeblichen Umstände zu dem Ergebnis gekommen, dass der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung des Klägers zu Hause ist. Diese dem FG obliegende Tatsachenwürdigung (vgl. dazu Schmidt/ Drenseck, EStG, 27. Aufl., § 19 Rz 60 Stichwort Arbeitszimmer) lässt keinen Rechtsfehler erkennen; sie ist daher für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).

    Nach den weiteren Feststellungen des FG, die von den Klägern insoweit nicht in Frage gestellt werden, sind die nicht als häusliches Arbeitszimmer gewerteten und noch strittigen Räume nicht mit typischen Büromöbeln ausgestattet und erfüllen deshalb jeweils nicht die Funktion, die typischerweise einem häuslichen Arbeitszimmer zukommt, so dass ein Abzug der entsprechenden Kosten nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG ausscheidet. Die Feststellungen des FG erlauben aber keine Entscheidung dazu, ob die auf diese Räume entfallenden Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar sind. Dieser Frage ist das FG nicht nachgegangen.

    b) Wie dargestellt, kommt eine gemeinsame Qualifizierung mehrerer Räume als häusliches Arbeitzimmer nur in Betracht, wenn die Räume eine funktionale Einheit bilden. Das ist hier nicht der Fall. Der Senat kann allerdings nicht beurteilen, ob die in Frage stehenden Zimmer, wie von den Klägern geltend gemacht, anderweitig so gut wie ausschließlich beruflich, d.h. insbesondere für Kundenpräsentationen und Kundengespräche, genutzt werden. Das FG wird im zweiten Rechtsgang entsprechende Feststellungen zu treffen haben. Dabei wird u.a. zu berücksichtigen sein, dass Zeiten der Nichtnutzung nicht der außerberuflichen Nutzung zugerechnet werden dürfen (BFH-Urteile in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203; in BFHE 201, 166, BStBl II 2003, 463).

    Zur Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen kann sich das FG aller verfahrensrechtlich zulässigen Beweismittel bedienen. Die Feststellungslast tragen, soweit es um den Aspekt der beruflichen Nutzung der Räume geht, die Kläger, denn es handelt sich im Hinblick auf den begehrten Abzug der durch die Nutzung veranlassten Werbungskosten um eine steuermindernde Tatsache (BFH-Urteil in BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304). Die Feststellungslast für eine mehr als unerhebliche außerberufliche Nutzung trägt indes die Finanzbehörde (BFH-Urteil in BFHE 201, 166, BStBl II 2003, 463).

    c) Wird festgestellt, dass die noch im Streit befindlichen Räume so gut wie ausschließlich beruflich genutzt werden, sind die durch die Nutzung veranlassten Aufwendungen einschließlich der noch im Streit befindlichen Kosten für die Arbeitsmittel als Werbungskosten abziehbar. Für die Berechnung der Raumkosten sind grundsätzlich die nicht unmittelbar zuzuordnenden Kosten im Verhältnis der Fläche dieser Räume zur Gesamtwohnfläche des Gebäudes unter Außerachtlassung der auf die häuslichen Arbeitszimmer entfallenden Fläche zu verteilen. Allerdings wird das FG zu prüfen haben, ob in Abhängigkeit vom Umfang der Nutzung der Räume für die variablen Kosten ein anderer Aufteilungsmaßstab erforderlich ist.

    RechtsgebietUrteilVorschriftenEStG § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG § 9 Abs. 5 EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b