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  • · Nachricht · Nichtzulassungsbeschwerde

    Der steinige Weg zum BFH

    | Gegen Urteile der Finanzgerichte ist die Revision an den BFH nur zugelassen, wenn sie vom FG oder - auf eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung - vom BFH zugelassen wird (§ 115 Abs. 1 FGO). Das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist dabei in der Praxis für den steuerlichen Berater häufig eine unüberwindbare Hürde, weil das Verfahren strenge Regeln für die Zulässigkeit und Begründetheit vorsieht, die es unbedingt zu beachten gilt. Der Beitrag macht auf die vielfältigen Fallstricke aufmerksam und gibt Hilfen für eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde (NZB). |

    1. Vorbemerkung

    Im Ausgangspunkt sollte sich der steuerliche Berater klar machen, dass die NZB nur dazu dient, die Zulassung der Revision zu erreichen. Es wird in keinem Fall die inhaltliche Richtigkeit des FG-Urteils vom BFH überprüft. Aus diesem Grund erübrigen sich auch Ausführungen zu ggf. unrichtigen Rechtsanwendungen des FG in der Beschwerdeschrift. Im NZB-Verfahren geht es ausschließlich um die Frage, ob einer der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO genannten Zulassungsgründe vorliegt. In sehr vielen Fällen haben NZBs keinen Erfolg, weil sie inhaltlich in diesem Punkt nicht den an eine Darlegung dieser Gründe gestellten Anforderungen genügen. Bei der Abfassung der Beschwerdeschrift sollte der steuerliche Berater also hierauf sein Hauptaugenmerk richten (siehe hierzu unter 3.).

     

    Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (Zulassungsgrund: Verfahrensmangel) vor, kann der BFH in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO). Davon abgesehen wird bei Stattgabe der NZB das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es dann nicht mehr.

     

    PRAXISHINWEIS | Mit der Zustellung der Entscheidung über die NZB beginnt aber für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist zu laufen, d.h. die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung beim BFH zu begründen (§§ 116 Abs. 7 S. 2, 120 Abs. 2 FGO).

     

    2. Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Einlegung der NZB

    Die in der Praxis wichtigsten Zulässigkeitsvoraussetzungen werden im Folgenden kurz erläutert:

     

    2.1 Anwendungsbereich der NZB

    Lehnt das FG die Zulassung einer Revision ausdrücklich ab oder - was in der Praxis häufig der Fall ist - enthält das Urteil keine Aussage zur Revisionszulassung, kann eine Hemmung der Rechtskraft des FG-Urteils (sog. Suspensiveffekt) nur durch Einlegung der NZB erreicht werden (§ 116 Abs. 4 FGO). Hier liegt der gesetzlich eingeschränkte Anwendungsbereich der NZB (§ 128 Abs. 3 S. 1 FGO). Das bedeutet, dass in den Fällen, in denen in einer ablehnenden Entscheidung des FG über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 FGO oder über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 FGO die Beschwerde zum BFH nicht ausdrücklich zugelassen wird, die Zulassung nicht mit der NZB erstritten werden kann (BFH 18.1.06, XI B 135/05, BFH/NV 06, 959).

     

    PRAXISHINWEIS | Im Verfahren der NZB ist nach herrschender Meinung auch eine unselbständige Anschlussbeschwerde (ähnlich der Anschlussrevision) nicht zulässig (Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz. 3).

     

    2.2 Beschwerdebefugnis

    Zur Einlegung der NZB ist grundsätzlich nur derjenige befugt, der im Fall der Zulassung berechtigt wäre, Revision einzulegen. Das sind die am FG-Prozess Beteiligten (§ 57 FGO): Kläger, Beklagter und Beigeladener (§ 60 FGO)

     

    Sind im Falle einer Teilstattgabe mehrere Beteiligte durch das erstinstanzliche Urteil beschwert, ist jeder berechtigt, im Rahmen seiner Beschwer selbstständig eine Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben. Im Erfolgsfall wirkt die Zulassung dann für alle übrigen Beteiligten.

     

    2.3. Fristgerechte Erhebung und Begründung

    Die NZB ist fristgebunden. Sie kann nur innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des vollständigen Urteils eingelegt werden (§ 116 Abs. 2 S. 1 FGO).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Frist zur Einlegung der NZB ist nicht verlängerbar. Bei unverschuldeter Versäumung dieser Frist bleibt nur der unverzügliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO).

     

    Gesetzlich festgeschrieben ist neben der Einlegungsfrist auch eine Begründungsfrist: Der Beschwerdeführer muss die schriftliche Begründung der NZB innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen FG-Urteils einreichen (§ 116 Abs. 3 S. 1 und 2 FGO). Die Besonderheit der Begründungsfrist liegt darin, dass sie als selbstständige Frist unabhängig von der Einlegungsfrist läuft. Dies hat zur Folge, dass die Begründung auch dann innerhalb der Zweimonatsfrist beim BFH vorliegen muss, wenn wegen der Versäumung der Einlegungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden ist.

     

    PRAXISHINWEIS | Ist antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt worden und ist daraufhin ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt worden, steht dem Beschwerdeführer nach Gewährung der Wiedereinsetzung für die Begründung der NZB eine weitere Frist von einem Monat zu. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses über die Wiedereinsetzung (Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz. 20a).

     

    Die Begründungsfrist kann im Unterschied zur Einlegungsfrist auf Antrag - einmalig! - von dem Vorsitzenden Richter maximal um einen weiteren Monat verlängert werden (§ 116 Abs. 3 S. 4 FGO, § 54 Abs. 2 FGO i.V. mit § 222 ZPO). Der Verlängerungsantrag ist vor Ablauf der regulären Frist beim BFH zu stellen (Eingang beim BFH entscheidend!) und die Verlängerungsgründe sind hierin substantiiert vorzutragen.

     

    Innerhalb der Begründungsfrist sind die Zulassungsgründe möglichst substantiiert und vollständig darzulegen (zu den Einzelheiten siehe unter 3.).

     

    PRAXISHINWEIS | Nach Fristablauf erstmals vorgetragene Zulassungsgründe werden zurückgewiesen. Einzig sind nach Ablauf der Begründungsfrist noch Erläuterungen oder Vervollständigungen zulässig.

     

    3. Die einzelnen Zulassungsgründe und deren Anforderungen

    Die FGO kennt nur die in § 115 Abs. 2 abschließend aufgezählten Gründe für die Zulassung der Revision. Vor Einlegung einer NZB sollte sich der steuerliche Berater intensiv mit den Anforderungen, die von der Rechtsprechung an die substantielle Darlegung der angeführten Gründe gestellt werden, befassen. Nur oberflächliche Ausführungen hierzu mindern die Erfolgschancen der NZB erheblich, denn der BFH neigt dazu, hier sehr hohe Anforderungen zu stellen.

     

    3.1 Grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)

    Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (BFH 19.1.11, X B 43/10, BFH/NV 11, 636). Eine Rechtsfrage ist immer dann klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es insbesondere dann, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in Übereinstimmung mit der allgemeinen Meinung in der Literatur getan hat (BFH 22.1.15, X B 118/14, n.v.; 27.4.05. II B 76/04, BFH/NV 05, 1627).

     

    PRAXISHINWEIS | Die schlüssige Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer bestimmten Rechtsfrage erfordert ein konkretes und substantiiertes Eingehen darauf, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (BFH 5.5.11, X B 149/10, BFH/NV 11, 1348; 18.5.11, X B 124/10, BFH/NV 11, 1838). Insbesondere ist auch eine Auseinandersetzung mit der bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich!

     

    Naturgemäß bereitet die Erfüllung dieser Anforderungen dem steuerlichen Berater große Schwierigkeiten, weil diese wenig greifbar und einzelfallabhängig sind. Eine Hilfestellung kann hier (nur) in Form einer Negativausgrenzung gegeben werden. Keine ausreichende Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung hat der BFH bei folgenden Fällen bzw. Behauptungen angenommen:

     

    • der BFH habe über einen vergleichbaren Fall oder eine bestimmte Rechtsfrage noch nicht entschieden (BFH 5.12.07, VIII B 79/07, BFH/NV 08, 732: keine Aussage über die Klärungsbedürftigkeit)
    • beim BFH ist in einem ähnlich gelagerten Fall bereits ein Revisionsverfahren anhängig (BFH 18.3.05, IX B 193/04, BFH/NV 05, 1342)
    • eine Entscheidung des BFH über die bezeichnete Rechtsfrage sei für eine größere Anzahl von Fällen bedeutsam (BFH 3.5.94, VII B 22/94, BFH/NV 95, 79)

     

    3.2 Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO)

    Bei diesem Zulassungsgrund handelt es sich um einen speziellen Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Voraussetzung einer Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts ist, dass der Streitfall Veranlassung gibt, Leitsätze zur Auslegung des Gesetzes aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Das bedeutet aber auch, dass substantiiert vorgetragen werden muss, die Rechtsfortbildung liege über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse und die Frage nach dem „Ob“ und ggf. „Wie“ der Rechtsfortbildung sei klärungsbedürftig. Für seine Darlegung gelten daher regelmäßig dieselben Anforderungen, die an eine auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gestützte Beschwerdebegründung zu stellen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH 30.11.10, VI B 100/10, BFH/NV 11, 574; 13.12.12, X B 104/12, BFH/NV 13, 559).

     

    Danach ist ausführlich darzustellen, inwiefern die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Insbesondere ist unter Wiedergabe der hierzu in der Rechtsprechung und/oder der Literatur vertretenen Auffassungen zu begründen, weshalb die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist. Hat der BFH die Rechtsfrage bereits entschieden, ist auszuführen, aus welchen Gründen es einer erneuten Entscheidung des BFH bedarf (BFH 14.12.11, X B 116/10, n.v.; Gräber/Ruban, § 116 FGO Rz 31 f., 38). An einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit der bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt der steuerliche Berater auch hier nicht vorbei.

     

    3.3 Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO)

    Der Beschwerdeführer muss bei diesem Zulassungsgrund darlegen, inwieweit über die entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder weshalb aus sonstigen Gründen eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist es insbesondere erforderlich, einen tragenden abstrakten Rechtssatz des angefochtenen FG-Urteils sowie einen tragenden abstrakten Rechtssatz einer genau bezeichneten divergierenden Entscheidung herauszuarbeiten und so gegenüberzustellen, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird. Ferner ist darzulegen, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind (BFH 22.10.14, I B 169/13, BFH/NV 15, 234).

     

    PRAXISHINWEIS | Keine Abweichung in diesem Sinne liegt vor, wenn das FG erkennbar von den in der Rechtsprechung des BFH entwickelten und auch den (mutmaßlichen) Divergenzentscheidungen zugrunde liegenden Rechtsgrundsätzen ausgeht, diese aber (möglicherweise) fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalls angewendet hat (BFH 13.1.10, X B 113/09, BFH/NV 10, 600).

     

    Eine unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall könnte allenfalls dann zur Zulassung der Revision führen, wenn der Fehler von erheblichem Gewicht und zudem geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen oder aber, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich ist. In diesem Sinne greifbar gesetzwidrig ist eine Entscheidung dann, wenn sie objektiv willkürlich und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (st.Rspr., etwa BFH 17.1.11, X B 225/10, BFH/NV 11, 2083).

     

    3.4 Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)

    Bei den zu rügenden Verfahrensmängeln kommen nur solche als Zulassungsgrund in Betracht, auf denen die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Dazulegen ist hier, welche Verfahrensvorschrift das FG verletzt hat und dass das Urteil ohne deren Verletzung möglichweise anders ausgefallen wäre (BFH 14.12.11, V B 21/11, n.v.). Aus der Fülle der möglichen Verfahrensmängel lassen sich der aktuellen Rechtsprechung folgende Beispiele entnehmen:

     

    3.4.1 Unterlassene oder nur ungenügender Sachaufklärung durch das FG

    Praxisrelevant ist in diesem Zusammenhang etwa eine unterlassene oder nur ungenügende Sachaufklärung durch das FG. Nach § 76 Abs. 1 S. 1 FGO hat das FG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und die erforderlichen Beweise zu erheben (§ 81 Abs. 1 S. 2 FGO).

     

    Insoweit kann das Übergehen eines gestellten Beweisantrags zu einem Verfahrensfehler führen. Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die infrage stehende Tatsache zu Gunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (BFH 30.4.08, VI B 131/07, BFH/NV 08, 1475).

     

    Hat das Gericht einen Zeugen zur mündlichen Verhandlung geladen und will es von der Vernehmung des Zeugen absehen, muss es die Beteiligten vor Erlass des Urteils unmissverständlich darauf hinweisen und einen solchen mündlich erteilten Hinweis als wesentlichen Vorgang der Verhandlung in das Protokoll aufzunehmen (BFH 19.9.14, IX B 101/13, BFH/NV 15, 214).

     

    PRAXISHINWEIS | Um einen solchen Verfahrensfehler geltend zu machen, sollte der steuerliche Berater am Schluss der mündlichen Verhandlung gestellte, aber übergangene Beweisanträge wiederholen und dafür Sorge tragen, dass dies im Sitzungsprotokoll vermerkt wird (vgl. BFH 8.10.14, X B 31/14, BFH/NV 15, 207 zur Benennung des Beweisantrags).

     

    Es liegt ebenso ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht des FG vor, wenn Akten nicht beigezogen werden, bei denen es nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich aus ihnen weitere, bislang nicht berücksichtigte Erkenntnisse für das Gericht oder für den Kläger hätten ergeben können (BFH 25.10.12, X B 22/12, BFH/NV 13, 226).

     

    3.4.2 Nichtberücksichtigung des Inhalts der Akten

    Nach § 96 Abs. 1 S. 1 FGO hat das FG seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zu Grunde zu legen. Insbesondere sind der Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 S. 1 FGO ist ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (BFH 10.2.15, V B 87/14, n.v.).

     

    PRAXISHINWEIS | Die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels wegen Nichtberücksichtigung des Inhalts der Akten erfordert u.a. die genaue Angabe der jeweiligen Schriftstücke und Seitenzahlen aus den Akten und die sich ergebenden wesentlichen Tatumstände, die das FG nicht berücksichtigt hat.

     

    Geht das FG von einem falschen Sachverhalt aus, kann es sich um einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten handeln, der unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels zur Aufhebung des FG-Urteils führen kann (BFH 26.10.11, X B 224/10, ZSteu 11, R1238-R1239).

     

    3.4.3 Verletzung rechtlichen Gehörs

    In diesen Kontext gehören Gehörsverletzungen durch verfrühte Sachentscheidungen der FG. Die Gerichte müssen selbst gesetzte Äußerungsfristen beachten und mit der Entscheidung bis zum Ablauf der Äußerungsfrist warten, auch wenn sie die Sache für entscheidungsreif halten oder innerhalb der Frist ein Schriftsatz eingegangen ist, die Frist aber noch nicht abgelaufen ist. In einem solchen Fall gilt hinsichtlich der sog. Beruhensfrage die Kausalitätsvermutung des § 119 Nr. 3 FGO einschränkungslos. Entscheidet das FG gleichwohl, liegt hierin eine Verfahrensmangel (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör), der zur Aufhebung des Urteils führt (BFH 3.2.15, V B 101/14, n.v.).

     

    3.4.4 Prozessurteil statt Sachurteil

    Ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist auch zu bejahen, wenn das FG über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entscheidet (BFH 15.1.15, I B 45/14, n.v.). Ein solcher Fall kommt z.B. dann zum Tragen, wenn das FG mangels Vorliegen einer Klagebegründung eine Ausschlussfrist gemäß § 65 FGO zur Bezeichnung des Klagegegenstandes setzt und die Klage nach Ablauf der Frist - zu Unrecht - wegen Versäumung der Ausschlussfrist als unzulässig abweist.

     

    3.4.5 Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme

    Das FG verstößt gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn es ein Protokoll über eine - in anderer Besetzung durchgeführte - Zeugenvernehmung aus einem anderen Verfahren verwertet, in dem der dortige Senat den Zeugenaussagen „nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck“ ohne nähere Beschreibung dieses Eindrucks nicht gefolgt ist, und sich der anders besetzte Senat nunmehr ohne eigene Beweisaufnahme dieser Würdigung anschließt (BFH 16.12.14, X B 114/14, BFH/NV 15, 511).

    4. Fazit

    Die Anforderungen an eine formal und inhaltlich ordnungsgemäße Beschwerdeschrift machen deutlich, wie schwer es ist, über eine erfolgreiche NZB die begehrte materiell-rechtliche höchstrichterliche Überprüfung des Urteils erreichen zu können. Ggfs. ist ratsam, bereits in Rahmen des FG-Verfahrens deutlich zu machen, warum man die Zulassung der Revision beantragt bzw. welcher Zulassungsgrund als gegeben angesehen wird. Dies könnte das FG zu einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit der Problematik veranlassen und im Zweifel eine Zulassung fördern.

     

     
    Quelle: ID 43314115