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  • Nachricht · FG-Verfahren

    Ein Finanzgericht darf Beweismittel nur ablehnen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind

    von RR Dr. Stephan Peters, Münster

    Der BFH (16.12.16, X B 41/16, Beschluss) hat ein Urteil des FG Hessen (11.11.15, 12 K 791/11) aufgehoben und die Sache an das Gericht zurückverwiesen, weil ein von der Klägerin benannter Zeuge nicht gehört wurde: Die Beweiserhebung sei damit nicht ordnungsgemäß erfolgt. Und es liege ein Verstoß gegen die Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen vor.

     

    Sachverhalt

    Auslöser war eine Hinzuschätzung der Betriebsprüfung wegen nicht ordndungsgemäßer Kassenführung. Die gewerblich tätigen Eheleute hatten dagegen Einspruch eingelegt und gemeinsam vor dem FG geklagt. In der mündlichen Verhandlung vor dem FG wurden fünf Zeugen vernommen. Im Rahmen des Verfahrens nahm der Ehemann seine Klage zurück. Er wurde auch als Zeuge benannt, aber nicht angehört. Die Vernehmung war nach Überzeugung des FG nicht notwendig, da die Überprüfung der Buchführungsunterlagen eindeutig ergeben habe, dass nicht sämtliche Einnahmen erklärt worden seien. Im Übrigen sei das Gericht auch nicht an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden. Das FG setzte die Hinzuschätzung weiter herab und wies die Klage im Übrigen ab. Gegen die Nichtzulassung der Revision wehrte sich die Klägerin vor dem BFH.

     

    Die Entscheidung

    Die Beschwerde hatte Erfolg! Durch die Ablehnung der beantragten Vernehmung des Ehemanns habe das FG seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt. Der BFH unterstrich zwar, dass das FG an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden sei. Dies bedeute jedoch nicht, dass das Gericht über die Erhebung von beantragten Beweisen frei entscheiden könnte. Vielmehr solle § 76 Abs. 1 S. 5 FGO den FG die Möglichkeit zur Erhebung auch solcher Beweise eröffnen, die von den Beteiligten nicht angeboten worden seien (BFH 19.12.07, X B 34/07).

     

    PRAXISHINWEIS | Wenn das Gericht vom Vorliegen einer entscheidungserheblichen Tatsache nicht überzeugt ist, ist diese Tatsache beweiserheblich (Herbert in: Gräber, FGO, § 81, Rz. 3). Da die FG den Sachverhalt gemäß § 76 Abs. 1 S. 1 FGO von Amts wegen erforschen, kommt dem aus dem Zivilrecht bekannten „Nichtbestreiten“ von Tatsachen im FG-Verfahren nur eine indizielle Wirkung zu (Herbert, a.a.O.).

     

    Auf eine beantragte Beweiserhebung können die FG im Regelfall nur dann verzichten, so der BFH weiter, wenn

    • das angebotene Beweismittel unerheblich für die zu treffende Entscheidung ist,
    • die Tatsache zugunsten des Beweisführers als wahr unterstellt werden kann oder

     

    Diese Voraussetzungen lagen nach Ansicht des BFH nicht vor. Insbesondere hatte das FG die unter Beweis gestellte Tatsache, nämlich die Frage, ob sämtliche Einnahmen ordnungsgemäß erklärt worden sind, zulasten der Klägerin als unwahr unterstellt. Hierin sah der BFH eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung.

     

    Die beantragte Vernehmung des Ehemanns war auch nicht als untauglich anzusehen, da der Ehemann nicht lediglich zur Bezeugung der Höhe des Gewinns, sondern auch zur Erfassung der laufenden Einnahmen auf den Tageseinnahmeblättern und damit zur Belegung der materiellen Richtigkeit der Buchführung benannt wurde. Die Entscheidung des FG wurde daher durch den BFH aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

     

    Praxishinweis

    Hätte der Ehemann seine Klage nicht in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen und damit seinen Status als Beteiligter aufgegeben, hätte er nicht als Zeuge, sondern nur als Beteiligter vernommen werden können. Die förmliche Beteiligtenvernehmung in der Beweisaufnahme ist von der bloßen Anhörung der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren zu unterscheiden (vgl. Herbert in: Gräber, FGO, § 82, Rz. 42). In der Praxis ist diese eher selten und „nur ein letztes Hilfsmittel“ zur Sachverhaltsaufklärung (BFH 17.8.12, III B 38/12, Beschluss), die wegen anderer Beweismittel oftmals unterbleiben kann.

     

    Auch verdeutlicht dieser Fall, wie wichtig es ist, Beweisanträge sauber zu formulieren. Hätte die Klägerin die Vernehmung des Ehemanns auf die Tatsache der „Höhe des Gewinns“ beschränkt, hätte der BFH das FG vermutlich unterstützt. So ist nach Ansicht des BFH die Benennung eines Gesellschafters zum Beweis der Höhe des Gewinns nämlich ungeeignet, da die Höhe des Gewinns nicht durch Aussagen des Gesellschafters, sondern nur durch eine ordnungsgemäße Buchführung nachgewiesen werden könne (BFH 2.6.06, I B 41/05, Beschluss).

     

    Um das Risiko einer Ablehnung der Beweisaufnahme durch das FG zu vermeiden, ist bereits bei der Formulierung von Beweisanträgen darauf zu achten, die aus Sicht des Beteiligten beweisbedürftigen Tatsachen möglichst konkret zu benennen. Insbesondere bei der Benennung von Zeugen ist zu beachten, dass diese nur Auskunft über Tatsachen und tatsächliche Vorgänge erteilen können. Wertungen oder Schlussfolgerungen sind nicht nur keine Tatsachen, sondern können im Einzelfall auch die Glaubwürdigkeit eines Zeugen verwässern (Greger in: Zöller, ZPO, § 373, Rz. 1).

     

    Dieser Artikel wurde vom Autor nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst, sondern gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Autors wieder.

    Quelle: ID 44496006