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  • · Fachbeitrag · § 13b UStG

    Der Vertrauensschutz für Bauleistende ist umstritten

    von StB Jürgen Derlath, Münster

    | Die Rechtslage konnte im Herbst 2014 nicht verwirrender sein. Erst kippte der BFH (22.8.13, V R 37/10 ) die jahrelange Verwaltungsübung, dann verwarf der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BFH und stellte den alten Zustand (fast) wieder her. Als Ergebnis werden Bauleistende unter Umständen (nachträglich) mit Umsatzsteueransprüchen des FA konfrontiert. Der Anspruch gegen den Bauträger ist dann aber vielleicht schon verjährt. Ihr Vertrauen auf die Richtigkeit der Verwaltungspraxis, bevor der BFH sie kippte, soll jedoch nicht geschützt sein (§ 27 Abs. 19 UStG n.F). Ob das verfassungsmäßig ist, darüber scheiden sich die Geister in der Finanzrechtsprechung. ( Einspruchsmuster ) |

    1. Rechtliche Ausgangssituation

    Durch die Entscheidung des BFH (22.8.13, V R 37/10) wurden Bauleistende selbst zu Steuerschuldnern obwohl nach damals gängiger Verwaltungsmeinung der Bauträger Schuldner der Steuer war.

     

    • Beispiel

    Bauträgers B beauftragt Handwerker D damit, das Dach eines Gebäudes zu decken. Bereits vor Baubeginn wurde vertraglich festgehalten, dass B das bebaute Grundstück an ein Ehepaar verkauft.

     

    Bis 14.2.14: Nach damaliger Auffassung der Verwaltung waren auch Grundstücksgeschäfte durch Bauträger grundsätzlich als Bauleistungen anzusehen, weshalb Bauträger regelmäßig die 10 %-Grenze überschritten und zum Steuerschuldner für bezogene Bauleistungen wurden. Demnach war B für die Leistungen des D Steuerschuldner.

    Vom 15.2.14 bis zum 30.9.14: Nach den Grundsätzen des BFH erbringt B eine reine Grundstückslieferung und demnach keine eigene Bauleistung, weshalb B für die Leistung des D nicht zum Steuerschuldner wird.

     

    Ab 1.1.14: Es kommt nicht mehr auf die jeweilige Einzelverwendung der Eingangsleistung an, sondern vielmehr auf den Umstand, ob B die 10 %-Grenze mit seinen übrigen Bauleistungsumsätzen erfüllt.

    • Ist dies der Fall, muss er eine Bescheinigung beantragen und diese für sämtliche Leistungsbezüge verwenden, sodass er für sämtliche Bauleistungsbezüge zum Steuerschuldner werden würde.

    • Erbringt B hingegen keine zusätzlichen Bauleistungen und überschreitet er die 10 %-Grenze demnach nicht, liegen die Voraussetzungen des § 13b UStG nicht vor.
     

    Für den Fall, dass ein Bauträger nun nachträglich einen Korrekturantrag stellt, regelte der Gesetzgeber in § 27 Abs. 19 UStG rückwirkend (für Umsätze, die vor dem 15.2.14 ausgeführt wurden), dass die Steuer bei den leistenden Unternehmern nachzufordern ist. Ein Vertrauensschutz i.S. des § 176 AO soll dem nicht entgegenstehen. Der leistende Unternehmer kann in diesen Fällen seinen zivilrechtlichen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer gegenüber dem Leistungsempfänger an das FA abtreten, welches im Anschluss mit der Forderung des Leistungsempfängers aufrechnen wird. Demzufolge wird die Umsatzsteuer auch nicht dem Leistungsempfänger (Bauträger) erstattet.

     

    •  § 27 Abs. 19 UStG

    Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b auf eine vor dem 15. Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein. § 176 AO steht der Änderung nach Satz 1 nicht entgegen. Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt kann auf Antrag zulassen, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt. Die Abtretung wirkt an Zahlungs statt, wenn

     

    • 1. der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine erstmalige oder geänderte Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellt,
    • 2. die Abtretung an das Finanzamt wirksam bleibt,
    • 3. dem Leistungsempfänger diese Abtretung unverzüglich mit dem Hinweis angezeigt wird, dass eine Zahlung an den leistenden Unternehmer keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat, und
    • 4. der leistende Unternehmer seiner Mitwirkungspflicht nachkommt.
     

    2. Die Entscheidungen der FG

    Die Frage, um die es im Kern geht: Durfte der Gesetzgeber den Vertrauensschutz aushebeln oder liegt hier ein Fall von echter und damit verbotener Rückwirkung vor?

     

    2.1 Pro unzulässige Rückwirkung

    Die FG Berlin-Brandenburg (3.6.15, 5 V 5026/15) und Münster (12.8.15, 15 V 2153/15 U) gewährten einstweiligen Rechtsschutz, weil sie von einer verbotenen Rückwirkung ausgehen. Das FG Niedersachsen (3.7.15, 16 V 95/15) teilt prinzipiell diese Bedenken. Jedoch war in diesem Fall § 176 Abs. 2 AO nicht einschlägig, weswegen sich das Rechtsproblem anders stellte.

     

    Das FG Berlin-Brandenburg argumentiert: Der Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO greift bei der Änderung eines Steuerbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen, wenn ein oberster Gerichtshof des Bundes entscheidet, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung nicht mit dem geltenden Recht in Einklang steht. Der Ausschluss dieses Vertrauensschutzes in § 27 Abs. 19 UStG verstößt möglicherweise gegen das grundgesetzliche Verbot der Rückwirkung von Gesetzen, da der Gesetzgeber in die im Zeitpunkt seiner Verkündung bereits entstandene Steuerschuld nachträglich eingegriffen hat (unzulässige echte Rückwirkung). Dem Betroffenen droht auch ein erheblicher Vermögensschaden, da er die Steuer wegen der zivilrechtlichen Verjährung seinem Vertragspartner nicht nachträglich in Rechnung stellen kann. Das FG Münster befürchtet, dass möglicherweise die Übergangsregelung außerdem mit den europarechtlichen Vorgaben der Klarheit und Voraussehbarkeit von Rechtsvorschriften unvereinbar sein könnte.

     

    2.2 Contra unzulässige Rückwirkung

    Die FG Düsseldorf (31.8.15, 1 V 1486/15) und Köln (1.9.15, 9 V 1376/15) argumentieren im Kern mit der Abtretungsmöglichkeit.

     

    Das FG Düsseldorf (31.8.15, 1 V 1486/15) geht davon aus, dass sich das FA zu Recht auf § 27 Abs. 19 UStG berufen kann. Insbesondere Vertrauensschutzaspekte stünden der Nachbelastung von Umsatzsteuer nicht entgegen, da diese durch die Neuregelung eingeschränkt seien. Hierin dürfte auch keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung liegen. Vielmehr habe der Gesetzgeber das Vertrauensschutzprinzip im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit in noch zulässiger Weise zugunsten der Rechtsrichtigkeit eingeschränkt.

     

    PRAXISHINWEIS | Das FG Düsseldorf hebt hervor, dass das Gesetz dem Betroffenen insbesondere die Möglichkeit biete, den zivilrechtlichen Anspruch gegenüber dem Bauträger auf die (noch ausstehende) Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt abzutreten. Das FA sei „nach summarischer Prüfung - unabhängig von der Werthaltigkeit des Anspruchs - zur Annahme der Abtretung verpflichtet.“

     

    Das FG Köln (1.9.15, 9 V 1376/15) argumentiert vom Ergebnis kommend: Die Vollziehungsaussetzung aller nach § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheide hätte die faktische Außerkraftsetzung dieser formell ordnungsgemäß erfolgten Gesetzesänderung und damit eine erhebliche Breitenwirkung zur Folge. Die Leistungen eines ganzen Wirtschaftszweiges würden im Ergebnis über mehrere Jahre nicht der Umsatzsteuer unterworfen, obwohl der umsatzsteuerliche Tatbestand unstreitig erfüllt sei. Dem hierdurch für den öffentlichen Haushalt entstehenden fiskalischen Risiko von mehreren Milliarden EUR stünden keine nicht wieder gutzumachenden Nachteile des Antragstellers entgegen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Bauleistende ja die Möglichkeit habe, die Steuererhöhung ihm gegenüber zu verhindern, indem er den Bauträgern die Umsatzsteuer nachträglich in Rechnung stellt und die entsprechenden Zahlungsansprüche an den Fiskus abtritt.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Umsatzsteuer - § 13b UStG bei Bauleistungen: Der Gesetzgeber stellt den alten Status quo wieder her (Meurer, MBP 14, 158)
    Quelle: ID 43617928