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  • · Fachbeitrag · Erbschaftsteuer/Einkommensteuer

    Aktuelle rechtliche und steuerrechtliche Fragen rund um die Honorierung von Pflegeleistungen

    von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

    | Die mit einer steigenden Lebenserwartung zunehmende Pflegebedürftigkeit älterer Menschen und die mit der Unterbringung in einem Pflegeheim verbundenen hohen Kosten haben vermehrt dazu geführt, dass Pflegeleistungen auf familiärer, freundschaftlicher oder nachbarschaftlicher Ebene erbracht werden. Damit einher geht oft die Frage, ob die Pflegeleistungen unentgeltlich erbracht oder - in welcher Form auch immer - honoriert werden sollen. Liegen keine konkreten Vereinbarungen über eine Honorierung vor, ergeben sich sowohl rechtliche als auch steuerrechtliche Abgrenzungsfragen. |

    1. Honorierung von Pflegeleistungen im Erbrecht

    Im Rahmen der letzten Erbrechtsreform hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, die Honorierung von Pflegeleistungen letztlich der Testierfreiheit des Erblassers zu überlassen. Nur für den Fall der gesetzlichen Erbfolge hat der Gesetzgeber Vorgaben gemacht.

     

    1.1 Ausgleichungspflicht von Pflegeleistungen

    § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB ordnet an, dass Pflegeleistungen im Falle der gesetzlichen Erbfolge im Wege einer Ausgleichung unter Abkömmlingen zu berücksichtigen sind. Für die Anrechnung von Pflegeleistungen bei Abkömmlingen ist es aber nicht mehr erforderlich, dass die Pflege unter Verzicht auf berufliches Einkommen geleistet wurde. Nach § 21 Abs. 4 des Art. 229 EGBGB ist die geänderte Regelung für Erbfälle ab dem 1.1.10 anzuwenden. Ohne Bedeutung ist, wann die Pflegeleistungen erbracht worden sind.

     

    • Beispiel

    Die verwitwete Erblasserin wird über lange Zeit von ihrer berufstätigen Tochter gepflegt. Der Sohn kümmert sich nicht um die Erblasserin. Die Erblasserin stirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Der Nachlass beträgt 400.000 EUR. Die von der Tochter erbrachten Pflegeleistungen sind mit 30.000 EUR zu bewerten.

     

    Nach früherer Rechtslage erbten Sohn und Tochter je zur Hälfte. Nun kann die Tochter einen Ausgleich für ihre Pflegeleistungen verlangen. Vom Nachlass wird zugunsten der Tochter der Ausgleichsbetrag abgezogen und der Rest nach der Erbquote verteilt.

     

    Nachlasswert

    400.000 EUR

    Wert der Pflegeleistung

    - 30.000 EUR

    verbleibender Nachlasswert

    370.000 EUR

     

     

    Von den 370.000 EUR erhalten beide die Hälfte, die Tochter erhält zusätzlich den Ausgleichsbetrag von 30.000 EUR. Im Ergebnis erhält die Tochter also 215.000 EUR und der Bruder 185.000 EUR.

     

    Grund der zum 1.1.10 vorgenommenen Änderung ist, dass der Verzicht auf berufliches Einkommen als nicht mehr akzeptables Kriterium für die Ausgleichungspflicht angesehen wird. Auch diejenigen Abkömmlinge, die zusätzlich zu ihrer beruflichen Tätigkeit noch die Pflege eines Eltern- oder Großelternteils übernehmen, sollen begünstigt werden.

     

    1.2 Keine Ausgleichung bei gewillkürter Erbfolge

    Eine Ausgleichungspflicht gemäß § 2057a BGB besteht nur bei gesetzlicher, nicht hingegen bei gewillkürter Erbfolge. § 2057a BGB geht - ebenso wie §§ 2050 ff. BGB - von der Vermutung aus, der Erblasser habe in den dort geregelten Fällen die Ausgleichung gewollt. Für eine solche Vermutung sieht der Gesetzgeber aber keinen Raum, wenn der Erblasser sich durch eine Verfügung von Todes wegen eindeutig geäußert und das Erbe nicht der gesetzlichen Erbfolge entsprechend aufgeteilt hat.

     

    Die Beschränkung einer Ausgleichungspflicht auf die Fälle der gesetzlichen Erbfolge beruht auf der Vorstellung, dass sich der Erblasser als Empfänger der Pflegeleistungen mit deren Honorierung durch Schenkung zu Lebzeiten oder durch entsprechende letztwillige Verfügung auseinandersetzt. Daraus folgt zum einen, dass der Erblasser es selbst in der Hand hat, im Rahmen einer letztwilligen Verfügung Pflegeleistungen z.B. durch Zuwendung eines erhöhten Erbteils oder eines Vermächtnisses an den Pflegenden zu honorieren, zum anderen aber auch aus der Sicht der pflegenden Person das Risiko, dass eine über Jahre hinweg erbrachte Pflegeleistung am Ende doch nicht honoriert wird.

     

    • Beispiel

    Wird testamentarisch geregelt, dass die Tochter für die jahrelange liebevolle Pflege und Betreuung des Erblassers eine Eigentumswohnung im Wege des Vorausvermächtnisses erhält, werden die Erwartungen der Tochter nur erfüllt, wenn diese Regelung im Zeitpunkt des Todes noch Bestand hat. Ändert der Erblasser das Testament zum Nachteil der Tochter - z.B. weil er sich mit ihr kurz vor seinem Tode zerstritten hat -, wird die Erwartung der Tochter enttäuscht.

     

    Am ehesten könnte den Interessen des Erblassers und der pflegenden Person durch einen beide Seiten bindenden Erbvertrag entsprochen werden. Auch eine vorweggenommene Erbfolge kommt in Betracht, birgt aber für den Erblasser zumindest das Risiko, dass die Pflege nicht so erbracht wird, wie er sie erwartet hat. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Übergabevertrag dann rückgängig gemacht werden kann, erscheint hinsichtlich der Durchsetzbarkeit solcher - oft moralisch begründeter Ansprüche - rechtlich zumindest problematisch.

    2. Honorierung von Pflegeleistungen und Erbschaftsteuer

    Die Honorierung von Pflegeleistungen kann erbschaftsteuerlich unter dem Gesichtspunkt des Abzugs einer Nachlassverbindlichkeit beim Erben und der Gewährung einer Steuerbefreiung für den Begünstigten von Bedeutung sein (H E 7.4 Abs. 1 ErbStH „Übernommene Pflegeleistungen als Gegenleistung“).

     

    2.1 Pflegeleistungen als erbschaftsteuerliche Nachlassverbindlichkeit

    Hat der Erblasser dem Erben selbst versprochen, ihn wegen seiner Dienstleistungen zum Erben einzusetzen, kann eine Erblasserschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 berücksichtigt werden (BFH 9.11.94, II R 110/91, BStBl II 95, 62; BFH 28.6.95, II R 80/94, BStBl II 95, 784). Dieser Schuldenabzug geht der Berücksichtigung der Steuerbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG vor (BFH 9.11.94, II R 110/91, BStBl II 95, 62). Außerdem entfällt die Voraussetzung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, dass die Pflege unentgeltlich erbracht sein muss (BFH 28.6.95, II R 80/94, BStBl II 95, 784).

     

    Die praktische Schwierigkeit des Abzugs einer Erblasserschuld liegt bei Erwerben von Todes wegen darin, dem FA ein entsprechendes Vertragsverhältnis und die tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen nachzuweisen. Nach Auffassung des FG Köln (22.10.10, 9 K 3267/09, DStRE 12, 173) können vom Erben erbrachte Unterhalts-, Hilfs- und Pflegeleistungen nur Erblasserschulden i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sein, wenn zwischen dem Erben und dem Erblasser ein Schuldverhältnis, z.B. ein Dienstvertrag, bestand, aufgrund dessen der Erblasser berechtigt war, vom späteren Erben diese Leistungen zu fordern. Als gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähige Erwerbskosten sind Pflege- oder Unterhaltsleistungen anzusehen, die der Erbe zu Lebzeiten des Erblassers für eine vertraglich vereinbarte Erbeinsetzung erbracht hat.

     

    • Beispiel (nach FG Köln 22.10.10, a.a.O.)

    N ist der Neffe der verstorbenen Erblasserin F. Ausweislich des notariell beurkundeten Testaments wird N Alleinerbe seiner Tante. In seiner Erbschaftsteuererklärung gibt N an, dass er seine Tante, für die er eine Vorsorgevollmacht gehabt hat, betreut und für sie den größten Teil aller von ihr benötigten Dienstleistungen erbracht habe. Er begehrt daher den Abzug der hierfür entstandenen Aufwendungen als Nachlassverbindlichkeit.

     

    Das FG Köln (22.10.10, 9 K 3267/09, DStRE 12, 173) erkannte die von N geltend gemachten Aufwendungen für die Erblasserin nicht als Nachlassverbindlichkeit i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 3 ErbStG an, da von N weder ein Dienstvertrag nachgewiesen, noch ein Erbvertrag vorgelegt werden konnte. Zum Abzug kam lediglich der Pflegekostenpauschbetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Auch wenn N das erbschaftsteuerlich geführte Verfahren verloren hat, bleibt festzuhalten, dass die Wertung des FG wegen der einkommensteuerlichen Folgen im Falle der Anerkennung eines Dienstvertrags im Ergebnis durchaus vorteilhaft sein kann.

     

     

    2.2 Freibetrag für Pflegeleistungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG

    § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG befreit einen steuerpflichtigen Erwerb bis zu 20.000 EUR, der Personen anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist (R E 13.5 ErbStR 2011).Die Steuerbefreiung steht jedoch nicht jedem Erwerber zu. Nach dem Ergebnis der Erörterung durch die für die Erbschaftsteuer zuständigen Referatsleiter der obersten Finanzbehörden der Länder (z.B. Finanzbehörde Hamburg 18.5.12, 53-S3812-007/09, DStR 12, 1661) geht die Finanzverwaltung davon aus, dass der Freibetrag nicht bei Erwerbern in Betracht kommt, die gesetzlich zur Pflege (z.B. Ehegatten nach § 1353 BGB, Lebenspartner nach § 2 LPartG) oder zum Unterhalt (z.B. Ehegatten nach § 1360 BGB oder Verwandte in gerader Linie nach § 1601 BGB, Lebenspartner nach § 5 LPartG) verpflichtet sind (R E 13.5 Abs. 1 ErbStR 2011 und auch bereits R. 44 Abs. 1 ErbStR 2003). Danach kann der Freibetrag Kindern, die ihre Eltern gepflegt haben, nicht gewährt werden. Für sie besteht zwar keine gesetzliche Verpflichtung zur Pflege, aber eine gesetzliche Unterhaltspflicht. Es reicht aus, wenn eine dieser Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt ist, um die Gewährung des Freibetrags auszuschließen.

     

    Nach einer ergänzenden Verfügung des LfSt Bayern (12.3.14, S 3812.1.1 - 1/12 St 34) ist Voraussetzung für die Entstehung der Unterhaltspflicht gemäß § 1601 BGB und somit für die Inanspruchnahme für Aufwendungen für Pflegeleistungen die Bedürftigkeit i.S. des § 1602 BGB der zu pflegenden Person. Diese ist dann gegeben, wenn der Pflegebedürftige vermögenslos ist bzw. es ihm an - ausreichendem - eigenem Einkommen mangelt. Handelt es sich bei dem Erblasser um einen Verwandten in gerader Linie des Erwerbers, dem dieser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege gewährt hat und ist der Erblasser nicht bedürftig i.S. des § 1602 BGB, bestand keine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Erwerbers gemäß § 1601 BGB. In diesem Fall ist nach Auffassung des LfSt Bayern die Inanspruchnahme eines Freibetrags gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG möglich.

     

    In diesem Zusammenhang verweist das LfSt Bayern (12.3.14, S 3812.1.1 - 1/12 St 34; siehe auch LfSt Bayern 8.4.14, S 3812.1.1 - 1/15 St 34, DB 14, 925) zudem auf ein rechtskräftiges Urteil des Niedersächsischen FG (20.4.12, 3 K 229/11, ErbBstg 13, 8 f.). Das Gericht hat in einem Fall der Pflege des Erblassers durch seinen Vater entschieden, dass dem Vater der Freibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG anteilig zu gewähren sei. Auch der Vater ist gesetzlich nur zum Unterhalt und nicht zur Pflege verpflichtet. Nach Ansicht des Gerichts reiche allein die abstrakte Unterhaltsverpflichtung nicht für die Versagung des Freibetrags aus. Vielmehr sei die tatsächliche Inanspruchnahme des Unterhaltsverpflichteten erforderlich, was die fehlende Leistungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten voraussetze. Da der Erblasser aufgrund seines Vermögens in der Lage gewesen wäre, die Kosten der Pflege zu tragen, kann der Vater den Freibetrag demnach beanspruchen.

     

    2.3 Bewertung der Pflegeleistungen

    Die Pflegeleistungen werden von der Finanzverwaltung mit ihrem Kapitalwert im Zeitpunkt des Eintritts des Pflegefalls bewertet (H E 7.4 Abs. 1 ErbStH „Übernommene Pflegeleistungen als Gegenleistung“). Dieser ist auf den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) abzuzinsen. Der Vervielfältiger für die Abzinsung ist der Tabelle 1 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.10 (BStBl I 10, 810) zu entnehmen. Bei Pflegebedürftigkeit i.S. des § 15 SGB XI, kann der Jahreswert der Leistung (§ 15 BewG), soweit sich aus der vertraglichen Vereinbarung nichts anderes ergibt, mit dem Zwölffachen der in der gesetzlichen Pflegeversicherung vorgesehenen monatlichen Pauschalvergütung bei Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen (§ 36 Abs. 3 SGB XI) angesetzt werden.

     

    • Pflegestufen

    ab 1.1.2010
    ab 1.1.2012

    Pflegestufe I

    440 EUR

    450 EUR

    Pflegestufe II

    1.040 EUR

    1.100 EUR

    Pflegestufe III

    1.510 EUR

    1.550 EUR

     

     

    In besonders gelagerten Einzelfällen ist nach § 36 Abs. 4 SGB XI in der Pflegestufe III ein Betrag von 1.918 EUR anzuwenden.

     

    Diese Beträge sind allerdings zu kürzen, soweit

     

    • Sachleistungen durch professionelle Pflegekräfte in Anspruch genommen werden und der Pflegende die Kosten hierfür nicht zu tragen hat oder

     

    • die pflegebedürftige Person Pflegegeld aus der Pflegeversicherung oder einer Pauschalbeihilfe nach den Beihilfevorschriften erhält und diese zu Lebzeiten an die verpflichtete Pflegeperson weitergibt. Die Weitergabe selbst ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG von der Schenkungsteuer befreit.
     

    Wird die Pflegestufe nicht erreicht, ist der Wert der monatlichen Pflegeleistungen zu schätzen, wobei jedoch der Wert der Pflegesachleistungen nicht überschritten werden darf.

    3. Honorierung von Pflegeleistungen und Einkommensteuer

    Stellt eine Schenkung oder eine nachgewiesene und anerkannte Erblasserschuld eine angemessene Entlohnung für Dienstleistungen des Erben oder sonstigen Erwerbers dar, erzielt der Erbe im Jahr des Zuflusses grundsätzlich Einkünfte, die der Einkommensteuer unterliegen (§ 19 EStG, § 22 Nr. 3 EStG). Allerdings erfüllen Entgelte für im Rahmen einer familiären Lebensgemeinschaft erbrachten Pflegeleistungen nach Auffassung des BFH nicht den Tatbestand der Einkünfteerzielung i.S. des § 2 EStG (BFH 14.9.99, IX R 88/95, BStBl II 99, 776). Der BFH hat allerdings offen gelassen, ob bei außergewöhnlich hohen Zahlungen die Grenze zur Einkünfteerzielung überschritten sein kann.

     

    PRAXISHINWEIS | Ist im Einzelfall eine Einkommensteuerpflicht zu befürchten, könnte es im Hinblick auf die Steuersätze bei der ESt und ErbSt günstiger sein, bei einer Schenkung keine bereicherungsmindernde Gegenleistung bzw. im Erbfall keine Nachlassverbindlichkeit anzustreben, wenn darin ein Entgelt für erbrachte Dienstleistungen gesehen werden könnte, sondern stattdessen die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG in Anspruch zu nehmen.

     

    Da hinsichtlich der Frage der einkommensteuerlichen Wertung eine gewisse Vorsicht geboten ist, zeigt ein aktuelles Urteil des BFH (20.3.13, X R 15/11, BFH/NV 13, 1548), mit dem der BFH eine zuvor ergangene Entscheidung des Niedersächsischen FG (17.2.11, 10 K 258/10, EFG 11, 1605) bestätigt hat. Im Streitfall kam der BFH zu dem Ergebnis, dass ein Steuerpflichtiger Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, wenn er aufgrund eines gegenseitigen Vertrags für einen anderen auf dessen Lebenszeit - wenn auch begrenzt auf eine Höchstdauer, die dessen mittlere statistische Lebenserwartung deutlich übersteigt - hauswirtschaftliche und pflegerische Leistungen erbringt, ohne dabei weisungsgebunden zu sein, und dafür als Gegenleistung ein Hausgrundstück übertragen erhält. Dem Urteil lassen sich wichtige Hinweise für die einkommensteuerliche Wertung entnehmen.

     

    3.1 Sachverhalt des Verfahrens (BFH 20.3.13, a.a.O.)

    Die Klägerin K schloss im Januar 2002 mit ihrem 80 Jahre alten Nachbarn N, der nicht mit ihr verwandt war, einen notariell beurkundeten „Übergabevertrag nebst Pflegevereinbarung”. In der Präambel heißt es, K habe N seit Mitte 1997 versorgt und dafür bisher kein Entgelt erhalten. Die Parteien seien sich darüber einig, dass der Wert der von K erbrachten Leistungen mindestens 500 DM monatlich betrage, für die vergangenen 4 ½ Jahre also 27.000 DM. K habe N versprochen, ihn auch weiterhin zu versorgen, sodass er erst in ein Pflegeheim aufgenommen werden müsse, wenn dies nach ärztlicher Beurteilung unerlässlich sei.

     

    Mit Rücksicht auf diese Zusage und die bisherige Pflege habe N sich entschlossen, sein mit einer Doppelhaushälfte bebautes Grundstück, dessen Verkehrswert er auf 90.000 DM schätze, K unter Nießbrauchsvorbehalt zu übertragen. Nach § 1 des Vertrags sollte die Übertragung Gegenleistung für die bisher erbrachten und die künftig zu erbringenden - von den Parteien mit durchschnittlich 900 DM monatlich bewerteten - Versorgungs- und Pflegeleistungen sein. N behielt sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor, das allerdings ersatzlos enden sollte, wenn er auf Dauer in ein Alten- oder Pflegeheim aufgenommen werden müsse (§ 3 des Vertrags). Mit Beendigung des Nießbrauchs sollten der unmittelbare Besitz sowie die Nutzungen und Lasten des Grundstücks auf K übergehen, wobei der mittelbare Besitz bereits mit Ablauf des 31.12.01 auf die K übergegangen sein sollte (§ 2 des Vertrags).

     

    K verpflichtete sich, N in dem Gebäude in kranken und alten Tagen zu pflegen und zu versorgen, längstens allerdings für die anderthalbfache Dauer der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegebenen mittleren statistischen Lebenserwartung des N, d.h. für höchstens 6 ½ Jahre (§ 4 des Vertrags). Für den Fall, dass K ihre Verpflichtung nicht erfüllen sollte, war sie zur Rückübertragung des Grundbesitzes verpflichtet. K erbrachte in der Folgezeit die vereinbarten hauswirtschaftlichen und pflegerischen Leistungen für N.

     

    Nach dem Vorbringen der K in der mündlichen Verhandlung vor dem FG erlitt sie allerdings im Mai 2008 einen Unfall, sodass sie N ab diesem Zeitpunkt nicht mehr versorgen konnte. Zunächst übernahm ihre Tochter T „das Nötigste”, danach wurde ein Pflegedienst beauftragt. Etwa zur gleichen Zeit verschlechterte sich der Zustand des N, sodass die Pflegeversicherung ihn als pflegebedürftig einstufte und die T zu seiner Betreuerin bestellt wurde. T erfuhr in diesem Zusammenhang erstmals von dem Übertragungsvertrag und hat K daraufhin „praktisch entlassen“. Im November 2008 wurde N dauerhaft in ein Pflegeheim aufgenommen; am 27.12.08 händigte T der K die Löschungsbewilligung für das Nießbrauchsrecht aus.

     

    3.2 Wertung des FA und der K

    Das FA unterwarf die Einkünfte von jährlich 5.521 EUR den Einkünften aus Gewerbebetrieb. K wandte hiergegen ein, sie sei nicht als Gewerbetreibende anzusehen, weil sie weisungsgebunden gewesen sei, nur einen einzigen Auftraggeber gehabt habe und nicht am Markt aufgetreten sei. Vielmehr sei sie bei N im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses angestellt gewesen.

     

    3.3 Wertung des BFH

    Der BFH geht wie die Vorinstanz davon aus, dass die Tätigkeit der K als gewerblich anzusehen ist. Das K durch ihre hauswirtschaftliche und pflegerische Tätigkeit für N Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 und 2 EStG erzielt, leitet der BFH aus den Gesamtumständen und den vertraglichen Vereinbarungen ab.

     

    Die Selbstständigkeit der Tätigkeit ergibt sich für den BFH daraus, dass der maßgebende Vertrag vom Januar 2002 keinen Hinweis auf eine Weisungsgebundenheit der K enthält. Auch aus dem Vorbringen der K zu ihrer Vertretung im Krankheitsfall, die durch ihre Tochter sowie einen Pflegedienst vorgenommen worden ist, folgert der BFH, dass K einen Erfolg und nicht lediglich ihre Arbeitsleistung schuldete. Die Ungewissheit über den im Laufe der Entwicklung des Gesundheitszustands des N möglicherweise noch erforderlich werdenden zeitlichen Aufwand für dessen Pflege und Versorgung begründet nach seiner Auffassung zudem ein erhebliches Unternehmerrisiko auf Seiten der K. K habe sich auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Auch wenn sie nur für einen einzigen Auftraggeber tätig geworden sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie zu vergleichbaren Bedingungen auch für andere Auftraggeber hätte tätig werden wollen. Zudem sei das Verhalten der K seit dem Abschluss des Übergabevertrags nebst Pflegevereinbarung erkennbar auf einen Leistungsaustausch gerichtet.

     

    3.4 Steuerfreiheit der Einnahmen gemäß § 3 EStG

    Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung bis zur Höhe des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI bleiben gemäß § 3 Nr. 36 EStG steuerfrei, wenn diese Leistungen von Angehörigen des Pflegebedürftigen oder von anderen Personen, die damit eine sittliche Pflicht i.S. des § 33 Abs. 2 EStG gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen, erbracht werden. Entsprechendes gilt, wenn der Pflegebedürftige Pflegegeld aus privaten Versicherungsverträgen nach den Vorgaben des SGB XI oder eine Pauschalbeihilfe nach Beihilfevorschriften für häusliche Pflege erhält.

     

    § 3 Nr. 36 EStG begünstigt - ergänzend zu den Steuerbefreiungen gemäß § 3 Nr. 1a und Nr. 26 EStG - die Pflege im Auftrag des Pflegebedürftigen selbst. Soweit daher die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 36 EStG reicht, erübrigt sich die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die vom Pflegebedürftigen erbrachte Gegenleistung überhaupt steuerbar ist. Pflegebedürftig i.S. von § 3 Nr. 36 EStG ist, wer wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist zunächst, dass es sich um Leistungen zur Grundpflege oder zur hauswirtschaftlichen Versorgung des Pflegebedürftigen handelt. Damit gemeint sind sämtliche Leistungen im Rahmen der sogenannten häuslichen Pflegehilfe nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XI. Solche Leistungen können auch dadurch erbracht werden, dass der Pflegebedürftige in seinem eigenen Haushalt gepflegt wird.

     

    Steuerbegünstigt kann die Pflegeleistung zudem nur durch einen Angehörigen des Pflegebedürftigen oder durch eine andere Person in Erfüllung einer sittlichen Pflicht erbracht werden. Gegenleistungen des Gepflegten an andere Personen, die zu seiner Pflege sittlich nicht verpflichtet sind, sind nicht steuerbefreit. Angehörige sind gemäß § 15 AO Verlobte, Ehegatten, Verwandte in gerader Linie (also Großeltern, Eltern, Kinder und Enkel), Verschwägerte in gerader Linie (also Ehegatten mit deren Verwandten in gerader Linie), Geschwister, Kinder der Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Geschwister der Eltern, Pflegeeltern und Pflegekinder. Bei diesem Personenkreis kommt es auf das Bestehen einer konkreten sittlichen Verpflichtung zur Erbringung der Pflegeleistung nicht an.

     

    Bei anderen Personen als Angehörigen des Pflegebedürftigen ist es hingegen erforderlich, dass der Pflegende mit der Pflegeleistung eine sittliche Pflicht i.S. von § 33 Abs. 2 EStG gegenüber dem zu Pflegenden erfüllt. Dies setzt voraus, dass sich die pflegende Person aus sittlichen Gründen und damit nach dem mutmaßlichen Urteil eines billig und gerecht denkenden Menschen der Pflegeleistung nicht entziehen kann. Eine solche sittliche Verpflichtung zur Pflege ist aber - anders als im Rahmen von § 33b Abs. 6 EStG - nicht bereits dann anzuerkennen, wenn zwar eine enge, aber keine familiäre persönliche Beziehung zu der gepflegten Person besteht.

    4. Abschließende Wertung

    Entgeltlich zu erbringende Pflegeleistungen bedürfen einer eindeutigen rechtlichen Vereinbarung und führen, soweit die Grundpflege oder die hauswirtschaftliche Versorgung des Pflegebedürftigen um des Entgelts willen erbracht wird, je nach vertraglicher Ausgestaltung des Pflegeverhältnisses zu steuerbaren Einkünften aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus nichtselbstständiger Arbeit oder zu sonstigen Einkünften. Soweit die Voraussetzungen des § 3 Nr. 36 EStG erfüllt sind, bleiben die Einnahmen einkommensteuerfrei.

     

    Soweit die Pflegeleistungen nicht gegen Entgelt erbracht werden, sind sie nicht einkommensteuerbar. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Pflege aus persönlichen Gründen - etwa im Rahmen der familiären Lebensgemeinschaft - erbracht wird und mögliche Zuwendungen des Gepflegten an den Pflegenden daher lediglich eine Art Anerkennungsleistung darstellen. Aus schenkung- bzw. erbschaftsteuerlicher Sicht kommt für entsprechende Zuwendungen die Steuerbefreiung gemäß § 13 Nr. 9 ErbStGin Betracht.

     

    Liegt keine entgeltlich vereinbarte Pflegeleistung vor, trägt der Pflegende das Risiko, ob eine spätere Honorierung durch Schenkung oder Verfügung von Todes wegen erfolgt.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 228 | ID 42904333

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