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· Fachbeitrag · Wohnformen im Alter

Häusliche Pflege und betreutes Wohnen

von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen

| So lange wie möglich in der eigenen Wohnung zu leben oder - falls dies nicht möglich ist - so selbstbestimmt wie möglich zu wohnen, ist der Wunsch vieler älterer Menschen. Um dies zu ermöglichen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. |

1. Inanspruchnahme von Sozialstationen

Dabei handelt es sich um Einrichtungen von privaten oder öffentlichen Trägern der freien Wohlfahrtspflege (z.B. Deutsches Rotes Kreuz, Caritas oder Diakonie). Zentraler Gedanke dabei ist, betreuungsbedürftigen Menschen Altenpflege und auch krankenpflegerische Leistungen in der jeweils eigenen Wohnung gegen Entgelt zukommen zu lassen. Grundlage hierfür sind das SGB V und XI. Statt des Begriffs „Sozialstation“ wird auch der Begriff „häusliche Alten- und Krankenpflege“ oder „ambulanter Dienst“ verwendet. Die auf diese Weise vermittelte Pflege und Versorgung soll erbrachte ärztliche Leistungen ergänzen. Diese Versorgungsform ist attraktiv, weil sie den eigenen privaten Bereich sowie das gewohnte Wohnumfeld sichert, was bei der Aufnahme in ein Altenpflegeheim nicht der Fall wäre.

2. Betreutes Wohnen

Auch das betreute Wohnen soll größtmögliche Selbstbestimmung im Alltag erhalten. Als Formen denkbar sind Gebäude oder Siedlungen, die Seniorenwohnungen in barrierefreier Beschaffenheit altersgerecht anbieten. Charakteristisch neben der Anmietung dieser entsprechenden Wohnungen ist der zusätzliche Abschluss von Verträgen mit ambulanten Pflegediensten oder Sozialstationen über Pflege- und Betreuungsleistungen.

 

a) Rechtliche Einordnung und Gestaltung

Seit der Novellierung des Heimgesetzes am 5.11.01 fällt das betreute Wohnen in der Regel nicht mehr unter die zusätzlichen Anforderungen des Heimgesetzes (§ 1 Abs. 2 HeimG) und unterliegt damit ebenso regelmäßig nicht den zivilrechtlichen Anforderungen des WBVG (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 WBVG; Drasdo, NZM 13, 289, 295). Im Grundsatz aber ist für diese Vertragsverhältnisse damit auch die Heimaufsicht nicht einschlägig. Vielmehr fällt das betreute Wohnen rein unter die Vorschriften des Mietrechts (Kahlen/Senden, „Betreutes Wohnen“ in der Eigentumswohnung, ZMR 07, 671).

 

Neben dem Mietvertrag schließt der Mieter einen sogenannten Grundbetreuungsvertrag ab, um die zusätzlichen Leistungen im Rahmen des betreuten Wohnens zu erhalten. Vertragspartner kann ein Wohnungsunternehmen oder ein anderer Dienstleister wie z.B. die Arbeiterwohlfahrt oder der Caritasverband sein. Dabei müssen die gezahlten Entgelte im Verhältnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung sein (§ 1 Abs. 2 S. 2 HeimG).

 

So dürfen die Kosten der Grundleistungen bzw. der allgemeinen Betreuungsleistungen nicht erheblich mehr als 20 Prozent der Bruttowarmmiete betragen. In Niedersachsen dürfen die Kosten abweichend bis zu 30 Prozent der Miete (§ 1 Abs. 5 Nr. 2b NHeimG) und in Nordrhein-Westfalen bis zu 25 Prozent der Nettokaltmiete betragen (3 Abs. 1 S. 2 WTG).

 

Die Bindung des Servicevertrags an den Fortbestand des Mietvertrags im Rahmen eines Betreuten Wohnens („Service-Wohnen“) ist grundsätzlich nicht sittenwidrig.

 

b) Ausnahme

Verpflichtet sich der Mieter allerdings vertraglich, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen, so gilt das Heimgesetz (§ 1 Ab s. 2 S. 3 HeimG/Bund, § 1 Abs. 5 NHeimG). Dabei ist der Heimvertrag grundsätzlich als ein gemischter Vertrag einzuordnen, welcher sowohl Elemente des Miet- als auch des Dienstvertrags enthält. Für die Zuordnung des endgültigen Vertragstyps ist maßgebend, in welchen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt. Diese Prüfung kann nur einzelfallabhängig an Hand des wirtschaftlichen Schwerpunkts der angebotenen Leistungen erfolgen (Geiser, Fallstricke bei der Altenheim-Vertragsgestaltung, NJW 99, 2311).

 

So betont Drasdo (Drasdo, NZM 13, 289, 295) zu Recht, dass bei allen Einrichtungen, in denen eine selbstständige, insbesondere von anderen Bewohnern unabhängige Haushaltsführung nicht möglich ist und somit ein Versorgungscharakter im Vordergrund steht, dass öffentlich-rechtliche Heimrecht und damit zivilrechtlich auch das WBVG eingreifen.

 

Vor dem Hintergrund des Heimgesetzes ist die Rechtsprechung, die Einrichtungen des betreuten Wohnens als Heimvertrag eingeordnet hat, obsolet (OVG Frankfurt/Oder NJW 00, 1435).

 

c) Keine Möglichkeit zur isolierten Kündigung

Der Mieter kann im betreuten Wohnen nicht allein den Dienstleistungsvertrag kündigen, um sich die preiswerte Wohnung in einer öffentlich geförderten Anlage zu erhalten (BGH NZM 04, 22). Isoliert kündigen kann der Mieter ebenso nicht, wenn in einer Einrichtung des betreuten Wohnens Mietvertrag und Mieterbetreuungsvertrag derart miteinander verknüpft sind, dass nur durch den Abschluss und den Bestand beider Verträge der Zweck der Einrichtung gewährleistet werden kann (AG Rendsburg NJW-RR 02, 442).

 

Zur Frage, ob die Parteien eines Vertrags, der das „Betreute Wohnen“ zum Gegenstand hat, Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters vereinbaren können, die sich tatbestandlich an die Bestimmungen des Heimgesetzes anlehnen (hier: beabsichtigte Aufgabe eines Senioren-Wohnsitzes, BGH NJW 05, 2008).

Quelle: Ausgabe 03 / 2015 | Seite 53 | ID 43238918