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· Fachbeitrag · Vorsorgevollmacht

Unterschriftsbeglaubigung und Befreiung von § 181 BGB unverzichtbar

von RA Thomas Stein, FA Erbrecht und Familienrecht, Limburg/Lahn

| Immer mehr Menschen stellen Vorsorgevollmachten aus. Muster dafür gibt es in großer Anzahl, sei es aus dem Internet, vom Hausarzt oder von den verschiedensten Institutionen. Dabei genügt der Inhalt nicht immer allen Qualitätsanforderungen. Wie wichtig fachmännische Beratung ist, zeigt der folgende Beitrag anhand von zwei Beispielsfällen. |

1. Erbausschlagung mit Vorsorgevollmacht

Die Erbausschlagung ist ein wichtiges Instrument des Erben zur Haftungsbegrenzung. Kann sie auch aufgrund einer Vorsorgevollmacht erklärt werden?

 

  • Beispiel 1 (theoretischer Fall):

Vater V und Mutter M haben als einziges Kind eine Tochter T. V und M stellen T eine in der Unterschrift wirksam beglaubigte Vorsorgevollmacht aus. In einem gemeinschaftlichen Testament haben V und M gegenseitig den Längstlebenden zum alleinigen Erben und T zur Schlusserbin des Längstlebenden eingesetzt. V muss plötzlich wegen Demenz in einem Pflegeheim untergebracht werden. Darüber verstirbt aus lauter Gram die M, der das wesentliche Vermögen der Familie gehört. T ist verzweifelt, denn sie sieht die Gefahr, dass bei langjährigem Heimaufenthalt des V das Vermögen der Familie aufgezehrt wird.

 

a) Lösung

Die Empfehlung für T ist für Kundige einfach: Über § 1945 Abs. 3 BGB kann sie mit der Vorsorgevollmacht für V die Erbausschlagung beim Nachlassgericht erklären. Sie muss nur die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB von sechs Wochen wahren. Im Gegensatz zu Vormund, Betreuer oder Pfleger benötigt sie für die Erbausschlagung noch nicht einmal eine gerichtliche Genehmigung (§ 1822 Nr. 2, § 1908i, § 1915 BGB).

 

Die Ausschlagungsberechtigung ist eine allein in das freie Belieben der Erben gestellte Entscheidung (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 1945, Rn. 2). Damit ist die Ausschlagungserklärung der T als Bevollmächtigte des V in keiner Weise anfechtbar, auch nicht sittenwidrig oder aus sonst irgendeinem Grunde unwirksam, selbst, wenn V dadurch im Heim auf Sozialhilfeleistungen angewiesen ist. Man mag dieses Ergebnis unter Umständen als moralisch bedenklich empfinden, die Rechtsordnung gibt es allemal her, zumal für T natürlich die Gefahr besteht, über den Elternunterhalt zu Leistungen für die Heimunterbringung des V herangezogen zu werden.

 

Selbst wenn V im Zeitpunkt der Erbausschlagung durch T per Vorsorgevollmacht Sozialhilfeleistungen bezogen hätte, hätte der Sozialhilfeträger keine Möglichkeit gehabt, das Recht zur Erbausschlagung gemäß § 93 Abs. 1 SGB XII durch Verwaltungsakte auf sich überzuleiten. Der Gesetzgeber hat bei der letzten Neufassung von § 93 Abs. 1 SGB XII nur Ansprüche für überleitbar erklärt. Die Erbausschlagung ist aber kein Anspruch, sondern ein Gestaltungsrecht. Im Übrigen werden Handlungen eines Sozialleistungsbeziehers grundsätzlich nicht als sittenwidrig angesehen, es kann in diesem Kontext verwiesen werden auf die Entscheidung des BGH (NJW 11, 1586), in der er feststellt, dass der Pflichtteilsverzicht eines behinderten Sozialleistungsbeziehers grundsätzlich nicht sittenwidrig ist.

 

b) Abweichende Entscheidung des OLG Zweibrücken

Das OLG Zweibrücken hat in der Entscheidung NJW-RR 08, 239, verneint, dass das Ausschlagungsrecht mittels einer privatrechtlich erteilten Vollmacht für den Vollmachtgeber ausgeübt werden könne. Hierbei hat das Gericht nicht hinreichend differenziert zwischen der Möglichkeit,

  • das Ausschlagungsrecht als solches zu übertragen (eine Möglichkeit, die allseits verneint wird) und
  • der vom Gesetz ausdrücklich zugelassenen Befugnis zur Vertretung bei der Ausschlagung (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 1945 BGB, Rn. 4).

 

Das Nachlassgericht entscheidet nicht über die Wirksamkeit der Erbausschlagung, die T muss vielmehr einen Erbscheinsantrag mit ihr als Alleinerbin beantragen, in diesem Verfahren wird dann die Wirksamkeit geprüft.

 

PRAXISHINWEIS | Bei der Unterschriftsbeglaubigung ist unbedingt darauf zu achten, dass sie von einer dafür autorisierten Stelle erfolgt und zwar in erster Linie Notare und nach Landesrecht z.B. Ortsgerichtsvorsteher (Hessen) oder Bürgermeister (Rheinland-Pfalz). Das OLG Frankfurt hat kürzlich zu Recht darauf hingewiesen, dass ein städtischer Stempel mit Unterschrift einer Behördensekretärin nicht die Voraussetzung einer öffentlichen Beglaubigung erfüllt (FamRZ 12, 1676).

 

2. Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens

Der folgende Fall belegt, wie wichtig eine Befreiung von § 181 BGB ist. Gerade sie wird in der Praxis oft eher beiläufig, wenn überhaupt, eingefügt.

 

  • Beispiel 2 (konkret gelaufener Fall):

Mutter M überträgt auf ihre einzige Tochter T ihr Wohnhaus unter Vorbehalt eines lebenslänglichen Wohnungsrechts. Gleichzeitig stellt sie für T eine in der Unterschrift beglaubigte Vorsorgevollmacht mit Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) aus. Kurz danach erkrankt M schwer, eine Unterbringung in einem Alten- und Pflegeheim lässt sich nicht vermeiden. Für die dort entstehenden Kosten muss teilweise ein Sozialhilfeträger einspringen. Das T übertragene Haus beginnt allmählich zu verfallen, das Wohnungsrecht verhindert eine Vermietung ebenso wie eine Verwertung durch Verkauf. Daher würde T der M gerne das Wohnungsrecht abkaufen, hat über diese Absicht den Sozialhilfeträger informiert, mit dem sie seitdem über den Preis für das Wohnungsrecht streitet.

 

 

a) Vermietung als Lösung?

Hier verhält es sich so, dass T zwar trotz des Wohnungsrechts das Haus vermieten könnte. M hätte auch keinen Anspruch auf Auskehrung der Miete, aber jederzeit einen Anspruch auf Unterlassung der Vermietung (BGH FamRZ 12, 1708). Ob der Sozialhilfeträger diesen Unterlassungsanspruch über § 93 SGB XII auf sich überleiten könnte, ist, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden. Gleichwohl könnte der T bei bestehendem Wohnungsrecht nicht empfohlen werden, eine Vermietung zu riskieren, denn der Sozialhilfeträger könnte auf jeden Fall beim Betreuungsgericht die Installierung eines Kontrollbetreuers anregen. Würde dieser die Unterlassung der Vermietung fordern, wäre die T Mietern gegenüber schadenersatzpflichtig.

 

b) Abkauf des Wohnungsrechts

Daher bleibt, will die Tochter ihre Absicht in die Tat umsetzen, nur die Möglichkeit, das Wohnungsrecht abzukaufen. Hierbei ist es eine Frage des Einzelfalls, wie man zur angemessenen Preisbildung kommt, dabei sind die wichtigsten Parameter der übliche Quadratmeterpreis an Miete und die Lebenserwartung der Mutter nach den aktuellen Sterbetafeln.

 

Allerdings zeigt sich in der Praxis, dass nicht einfach mit dem üblichen Quadratmeterpreis und der Lebenserwartung gleichermaßen der Wert eines Wohnungsrechts hochgerechnet werden kann. Hat man z.B. relativ junge Wohnungsberechtigte, dann zeigt eine solche Hochrechnung schnell, dass der Wert eines Wohnungsrechts den des mit ihm belegten Hauses selbst übersteigen würde, mithin ein Ergebnis, welches augenscheinlich nicht zutreffend sein kann. Holt man - was im Einzelfall erforderlich sein kann - ein Sachverständigengutachten ein, stellt man fest, dass die Wohnwerte immer unter einer reinen Hochrechnung aus Quadratmeterpreis und Lebenserwartung liegen.

 

PRAXISHINWEIS | Im konkreten Fall haben die Vorstellungen der T bei 12.000 EUR und diejenigen des Sozialhilfeträgers bei 25.000 EUR gelegen. T hat dann - anwaltlich beraten - mittels der ihr erteilten Vorsorgevollmacht eine Urkunde errichtet, wonach sie

  • der M für 12.000 EUR das Wohnungsrecht abgekauft hat und
  • die M in der Urkunde Zug um Zug gegen Zahlung der 12.000 EUR die Löschung des Wohnungsrechts im Grundbuch bewilligt hat.

 

  • Die entsprechende Vereinbarung hat T zweifach unterschrieben,
    • einmal für sich selbst und
    • einmal mittels der erteilten Vorsorgevollmacht unter Befreiung von § 181 BGB für M.

 

  • Anschließend hat T 12.000 EUR an den Sozialhilfeträger gezahlt und die Vereinbarung mit der Original-Vorsorgevollmacht beim Grundbuchamt mit dem Antrag auf Löschung des Wohnungsrechts eingereicht.

 

Dort hat die Vorgehensweise der T die höchste Weihe erfahren. Das Grundbuchamt hat das Wohnungsrecht gelöscht.

 
Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 10 | ID 42471149