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· Fachbeitrag · Medizinische Vorsorge

Patientenverfügungen richtig gestalten

von RA und Notar Dr. Hans-Joachim David, Münster

| Verständlicherweise befürchten viele Menschen, wegen der modernen technischen/medizinischen Möglichkeiten zum Spielball der Medizin zu werden. Das gilt nicht nur für lebensverlängernde Maßnahmen. Auch unabhängig davon mag es medizinisch indizierte Maßnahmen geben, die ein Patient nicht wünscht. Gleichwohl sind lebensverlängernde Maßnahmen vermutlich nach wie vor Hauptzielrichtung von Patientenverfügungen. Der folgende Beitrag zeigt, was mit einer Patientenverfügung geregelt werden kann, wie richtig formuliert wird und was darüber hinaus wichtig ist. |

1. Grundanliegen einer Patientenverfügung

95 Prozent der jährlich 860.000 Todesfälle in Deutschland erfolgen nach längerer Krankheit. 70 Prozent aller Sterbefälle ereignen sich im Krankenhaus oder Heim. Aber nur 20 Prozent der Patienten auf einer Palliativstation oder in einem Hospiz haben derzeit eine wirksame Patientenverfügung.

 

Die Patientenverfügung schützt gerade in Grenzsituationen des Lebens vor nicht gewünschter Fremdbestimmung. Sie hilft, das zum Kernbereich der grundgesetzlich geschützten Würde und Freiheit des Menschen gehörende Recht zur Selbstbestimmung über den eigenen Körper durchzusetzen, wenn der betreffende Mensch nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu bilden und umzusetzen. § 1901a BGB definiert seit 2009 erstmals die Patientenverfügung gesetzlich. Danach ist sie eine vorsorgliche Erklärung eines Volljährigen für den Fall, dass er unfähig ist, seine Einwilligung zu Untersuchungen, ärztlichen Eingriffen und Heilbehandlungen zu erteilen oder solche zu untersagen. Die Patientenverfügung ist nicht mehr beschränkt auf die Situation des Sterbevorgangs, sondern gilt für alle Lebensphasen.

2. Was bewirkt die Patientenverfügung?

Jede wirksam errichtete Patientenverfügung, die der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entspricht, ist für alle Beteiligten verbindlich. Wirksam ist die Patientenverfügung aber nur, wenn sie von einem einsichtsfähigen Volljährigen errichtet ist und wirksame Einwilligungen in bestimmte ärztliche Maßnahmen enthält. Jede ärztliche Maßnahme, die in die körperliche Unversehrtheit eines Patienten eingreift, mag zwar der Lebenserhaltung oder Lebensverlängerung oder auch nur der Schmerzlinderung dienen. Sie stellt jedoch tatbestandlich eine Körperverletzung dar und bedarf daher einer wirksamen Einwilligung, damit der Arzt straffrei bleibt.

 

Gerade in den oben beschriebenen Grenzsituationen des Lebens besteht die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient die Einwilligung in dieser Situation nicht mehr wirksam abgeben kann. Die Einwilligung ist nämlich nur unter zwei Voraussetzungen wirksam:

  • Der Patient muss einwilligungsfähig sein. Dies ist er, wenn er die natürliche Einsichts-, Urteils- und Steuerungsfähigkeit hat. Je nach Behandlungsmaßnahme können auch Minderjährige oder Betreute einwilligungsfähig sein.

 

  • Des Weiteren muss der Arzt ihn hinreichend aufgeklärt haben über
    • die medizinische Tragweite und Bedeutung der geplanten Maßnahme
    • andere Behandlungsmöglichkeiten und
    • die Folgen der Nichtbehandlung

 

  • oder der einwilligungsfähige Patient hat aus guten Gründen bewusst auf eine solche ärztliche Aufklärung verzichtet.

 

Eine im einwilligungsfähigen Zustand abgegebene Patientenverfügung bindet Betreuer, Vorsorgebevollmächtigte, Ärzte, nichtärztliche Betreuer sowie das Pflegeheim (§ 1901a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese handeln in Befolgung einer eindeutigen und vor allem wirksamen Patientenverfügung rechtlich einwandfrei. Sie machen sich insbesondere nicht strafbar (BGH NJW 03, 1588; NJW 05, 2385).

3. Was muss geregelt sein - was kann nicht geregelt werden?

Eine Patientenverfügung muss konkret sein. Formulierungen wie: „Ich wünsche keine ärztlichen Maßnahmen, die mein Leiden und Sterben verlängern“, binden den Arzt wegen ihres unklaren Aussagegehalts nicht. Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB: „ ob er in bestimmte, Untersuchungen … Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe einwilligt.“

 

Um mit der Patientenverfügung möglichst alle aus Sicht der betroffenen Person in Betracht kommenden Grenzsituationen zu erfassen, ist es unabdingbar, möglichst konkret die einzelnen Situationen zu beschreiben und dabei auch die zugrunde liegenden Motive und Wertvorstellungen darzulegen. Sie können wichtige Kriterien zur Auslegung unklarer Bestimmungen sein. Möglich sind auch Patientenwünsche, die nicht die Situation des Sterbens betreffen, sondern jede Situation schwerer Krankheit, in der der Patient nicht mehr selbst entscheiden kann (§ 1901a Abs. 3 BGB). Es empfiehlt sich daher, zunächst ärztliche Beratung einzuholen oder Hospizvereine bzw. Betreuungsstellen anzusprechen. Mit einer Patientenverfügung kann der Patient auch eine medizinisch indizierte Einleitung oder Fortsetzung einer lebenserhaltenden Behandlung grundsätzlich ablehnen, wie etwa

  • künstliche Flüssigkeits- oder Nahrungszufuhr durch
    • Magensonde,
    • Bauchdecke oder
    • intravenöse Bluttransfusionen,
  • künstliche Beatmung oder
  • Wiederbelegungsmaßnahmen.

4. Grenzfälle und Ausnahmen der Bindungswirkung

Aber nicht in jedem Fall, bzw. für jede in der Patientenverfügung getroffene Regelung, entfaltet die Verfügung Bindungswirkung.

a) Aktive und indirekte Sterbehilfe

Nach wie vor unbeachtlich ist ein in einer Patientenverfügung niedergelegter Wille zur aktiven Sterbehilfe. Damit ist die Verabreichung lebensbeendender Medikamente gemeint.

 

Zulässig ist demgegenüber die Verabreichung hoher Dosierungen von Schmerzmitteln, die sogenannte Vernichtungsschmerzen verhindern, auch wenn diese Schmerzmittel in ihrer Dosierung eine lebensverkürzende Wirkung haben, diese aber unbeabsichtigt ist.

 

b) Behandlungsabbruch

Es ist ein Irrglaube, „einen einmal gelegten Schlauch dürfe man nicht mehr entfernen“; darin liegt insbesondere keine aktive Tötung auf Verlangen, wie der BGH im Urteil vom 25.6.10 betont hat. Ist weder der tatsächliche noch der mutmaßliche Patientenwille feststellbar, ist dem Lebensschutz stets der Vorrang einzuräumen. Dies gilt insbesondere in Notfallsituationen. Wird jedoch der Patientenwille später ermittelt, ist die Behandlung diesem Willen entsprechend, einzustellen. Unterhalb dieser objektiven Schwelle der „Todesnähe“ besteht derzeit kein Zwang zur gerichtlichen Genehmigung eines vom Betreuer gewünschten Behandlungsabbruchs, sofern kein entsprechender Patientenwille feststellbar ist. Dies gilt insbesondere für sogenannte „Wach-Koma-Patienten“, bei denen die Rückkehr zu einem selbstbestimmten Leben zwar extrem unwahrscheinlich, aber denkbar ist.

 

c) Sonstige Fälle gerichtlicher Genehmigung

Willigt der Betreuer/Bevollmächtigte in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, einer Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff ein, bedarf dieser nur der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der

  • Betreute aufgrund der Maßnahme stirbt oder
  • einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.

 

Nur wenn bei einem Aufschub Gefahr droht, darf die Maßnahme ohne Genehmigung des Betreuungsgerichts durchgeführt werden (§ 1904 Abs. 1 BGB).

 

Die gerichtliche Genehmigung zum Behandlungsabbruch ist auch ohne eine entsprechende Patientverfügung nach Auffassung des BGH zu erteilen, wenn

  • das Grundleiden nach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar ist und
  • einen tödlichen Verlauf angenommen hat und
  • der Tod in kurzer Zeit eintritt.

5. Was passiert ohne wirksame Patientenverfügung?

Liegt keine wirksame Patientenverfügung vor, die die betreffende Situation - sei es ausdrücklich oder schlüssig - regelt, oder passt die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation nicht auf die Regelungen in der Patientenverfügung, muss der tatsächliche Patientenwunsch bzw. der mutmaßliche Patientenwille ermittelt werden. Die Auslegung muss nach § 1901a Abs. 2 BGB „der Betreuer“ vornehmen. Hat der Patient zuvor einen Bevollmächtigten bestellt etwa durch Vorsorgevollmacht oder durch Betreuungsverfügung, muss dieser die Auslegung durchführen. Dies folgt aus § 1901a Abs. 5 BGB. Der mutmaßliche Wille des Patienten ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere

  • frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen,
  • ethische oder religiöse Überzeugungen
  • und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten (§ 1901a Abs. 2 S. 2 und S. 3 BGB).

 

Gemäß § 1901b Abs. 1 prüft der behandelnde Arzt, welche ärztliche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer bzw. Bevollmächtigte erörtern diese Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die nach § 1901a BGB zu treffende Entscheidung. Bei der Feststellung des Patientenwillens soll nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist (§ 1901b Abs. 1 und 2 BGB).

 

Ist der mutmaßliche Patientenwille nicht feststellbar, muss der Arzt dem Lebensschutz den Vorrang einräumen. Wenn der Arzt für eine lebensverlängernde Maßnahme keine Indikation sieht, wird er die Behandlung beenden.

6. Welche Form muss/sollte die Patientenverfügung haben?

Die Patientenverfügung ist gemäß § 1901a Abs. 1 BGB ab dem 1.9.09 schriftlich abzufassen. Es reicht aus, wenn sie gedruckt ist. Der Aussteller muss sie nur eigenhändig unterzeichnen oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens bekräftigen. Ort-, Datumsangabe und eigenhändige Unterschrift sind aus Beweisgründen empfehlenswert, wenngleich nicht zwingend erforderlich.

 

Damit der Arzt jedoch keine Zweifel daran hegt, dass der Unterzeichner der Patientenverfügung zum Zeitpunkt der Unterzeichnung geschäftsfähig war, sollte ein Arzt dies durch Gegenzeichnung bestätigen. Gleiches kann aber auch durch eine notarielle Beurkundung der gesamten Patientenverfügung erreicht werden, bei der der Notar die Geschäftsfähigkeit der unterzeichnenden Person festzustellen hat. Der Notar trägt dann zusätzlich für eine eindeutige Formulierung Sorge. Das ist bei der bloßen Unterschriftsbeglaubigung nicht der Fall. Dabei bestätigt der Notar nur die Identität des Unterzeichners, befasst sich aber nicht mit dem Inhalt des Schreibens.

7. Dauerwirkung der Patientenverfügung

Die wirksam abgegebene Patientenverfügung wirkt bis zum Tod fort. Sie ist aber jederzeit widerrufbar. Nach der Gesetzessystematik ist die Einwilligungsfähigkeit des Widerrufenden im Zeitpunkt des Widerrufs nicht erforderlich (§ 1901a Abs. 1 S. 1 und S. 3 BGB).

 

Entgegen einer verbreiteten Meinung muss die Patientenverfügung auch nicht regelmäßig, etwa jährlich neu unterschrieben werden. Es entsteht vielmehr Unklarheit, wenn sie nach mehreren jährlich wiederholten Unterschriften ein oder zwei Jahre nicht mehr neu unterschrieben wurde. Hat der „Patient“ dies nur vergessen oder wollte er, dass die Verfügung nicht mehr gilt? Deshalb empfiehlt es sich aus Klarheitsgründen, die Patientenverfügung nicht regelmäßig neu zu unterschreiben. Eine erneute Unterschrift bietet sich nur an, wenn zwischenzeitlich Situationen aufgetreten sind, die für einen unbefangenen Dritten konkrete Anhaltspunkte dafür schaffen könnten, dass die Person die Patientenverfügung widerrufen hat.

8. Wo findet man Muster

Muster für Patientenverfügungen existieren in großer Zahl, was eher zu Verwirrung führen kann, als Hilfestellung zu geben. Es gilt der Grundsatz: Je detaillierter die Texte ausgearbeitet sind und auf das konkrete Krankheitsbild eingehen, umso beachtlicher ist der darin zum Ausdruck kommende Wille.

 

Ausführliche und empfehlenswerte Handreichungen enthält die Broschüre des Bayerischen Justizministeriums „Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter“ (Beck-Verlag, 14. Aufl., 4,90 EUR). Die Homepage der „Deutschen Stiftung Patientenschutz“ www.stiftung-patientenschutz.de und die Homepage www.medizinethik.de/Verfuegungen.htm verweisen auf weitere Serviceangebote, z.B. ein bundesweites kostenfreies Patientenschutztelefon. Die Stiftung Patientenschutz unterhält auch eine Schiedsstelle, die bei Konflikten um Patientenverfügungen vermittelt. Auch Notare halten Muster bereit.

9. Notarielle Patientenverfügung: Kosten und Aufbewahrung

Die Kosten einer notariellen Patientenverfügung sind gering: Es handelt sich bei notarieller Beurkundung um eine sogenannte „einseitige Erklärung“ (einfache Gebühr aus dem Regelwert von 5.000 EUR, sodass etwa Kosten von 60 EUR, zuzüglich Umsatzsteuer und Schreibgebühren, anfallen).

 

Die Bundesnotarkammer führt für die Aufbewahrung von Patientenverfügungen ein Vorsorgeregister. Dort werden nicht nur Vorsorgevollmachten eingetragen, sondern auch Patientenverfügungen. Die Veröffentlichung im Register dient dazu, dem Vormundschaftsgericht gegebenenfalls die Suche nach einem Bevollmächtigten zu erleichtern und zu verhindern, dass das Vormundschaftsgericht vorschnell einen gesetzlichen Betreuer bestimmt. Es empfiehlt sich daher, die Patientenverfügung möglichst mit einer Vorsorgevollmacht zu kombinieren. Dies hilft, die Umsetzung der Patientenverfügung zu sichern.

 

FAZIT | Der Sinn einer Patientenverfügung liegt darin, dass der Patient im geschäftsfähigen Zustand Anweisungen für die Durchführung bzw. Nichtdurchführung bestimmter Behandlungen geben kann. Diese sind dann für Pfleger, Betreuer und Ärzte, die ihn später in einem nicht mehr einwilligungsfähigen Zustand nicht nur am Lebensende betreuen, verbindlich. Sie sollte möglichst zusammen mit einer Vorsorgevollmacht beurkundet und mit dieser beim Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer aufbewahrt werden.

 

Weiterführender Hinweis

  • Zur Vorsorgevollmacht, David, SR 14, 63 und 85
Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 98 | ID 42718146