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· Fachbeitrag · Berufsunfähigkeitsversicherung

Gesundheitsfrage: Wer nicht fragt, bleibt dumm

| Der Versicherer beschränkt die Gesundheitsfragen auf vier explizit genannte Erkrankungen, fragt aber nicht nach einer Multiplen Sklerose. Deshalb gibt der Antragsteller sie auch nicht an. Muss er auch nicht, so das OLG Karlsruhe. Aber: Kreuzt er im Formular an, seiner Tätigkeit uneingeschränkt nachgehen zu können, dann täuscht er arglistig, wenn er seine krankheitsbedingten Einschränkungen kennt. |

 

Sachverhalt

Am 1.4.10 hatte der Orthopädietechniker (Kläger) eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) abgeschlossen. In einem Formular war zuvor explizit nach vier Erkrankungen gefragt worden (Tumorleiden (Krebs), HIV-Infektion (positiver AIDS-Test), psychische Erkrankung sowie Diabetes). Der Kläger litt an keiner dieser Krankheiten, allerdings an einer bereits diagnostizierten Multiplen Sklerose, die er aber nicht angab. Er kreuzte außerdem an, vollständig seiner Berufstätigkeit nachgehen zu können. Am 30.8.12 beantragte er BU-Leistungen, die auf eine erstmals 2002 diagnostizierte MS-Erkrankung zurückgingen. Der Versicherer focht den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an, das LG gab ihm Recht. Mit seiner Berufung zum OLG Karlsruhe scheiterte der Kläger, denn er habe bewusst falsch angegeben, seinem Beruf in vollem Umfang nachgehen zu können (20.4.18, 12 U 156/16, Abruf-Nr. 201036).

 

Entscheidungsgründe

Der Kläger habe zwar nicht arglistig über seine MS-Erkrankung getäuscht. Denn ihm wurden mittels Formular unstreitig nur Fragen zu seinem Gesundheitszustand gestellt, die diese Erkrankung nicht erfassten. Zudem hatte der Versicherer verlangt, nur dann einen ausführlicheren Fragenkatalog (dann auch mit nachgefragten neurologischen Krankheitsbildern) zu beantworten, wenn die vertragliche BU-Rente über 12.000 EUR lag. Für einen durchschnittlichen Versicherten sei dies so zu verstehen, dass diese zusätzliche Erklärung nicht notwendig war, wenn die vereinbarte BU-Rente unter 12.000 EUR liegt.

 

Dem Kläger war allerdings bewusst, dass er sich im BU-Antrag zu seiner Arbeitsfähigkeit falsch erklärte. Er kannte seine aus der MS-Erkrankung resultierenden Einschränkungen. Bereits 2007 waren verlangsamte alternierende Bewegungen (Handdrehen) sowie eine Störung der Fingerfeinmotorik festgestellt worden. Seine Einschränkungen konnten dem Kläger auch angesichts regelmäßiger Facharztbesuche nicht entgangen sein. Der Kläger wollte durch die Falschangabe auch bewusst und willentlich auf die Entscheidung der Beklagten Einfluss nehmen.

 

Das OLG Thüringen entschied jüngst ebenfalls zur Anzeigepflicht und speziell zu dem Fall, wenn nach Antragstellung neue Krankheiten hinzutreten (29.3.18, 4 U 740/13). Die Bedingungen des Versicherers regelten hier, dass dies dann nicht angezeigt werden muss. Nun geschah es, dass bei dem Versicherten eine neue Erkrankung nach dem gestellten Antrag, aber vor Vertragsannahme auftrat.

 

Der Versicherte teilte dies nicht mit. Das OLG entschied, dass er deshalb weder seine vorvertragliche Anzeigepflicht gem. § 19 VVG verletzt noch gem. § 123 BGB arglistig getäuscht hatte.

 

 

Relevanz für die Praxis

Grundsätzlich gilt: Der Versicherte muss die Erkrankungen angeben, nach denen er in Textform gefragt wird (§ 19 Abs. 1 VVG). In einer verkürzten Gesundheitsfrage können das wenige sein. Das vorinstanzliche Urteil des LG hatte für Aufsehen gesorgt, da es doch eine arglistige Täuschung bejaht hatte, weil der Versicherte seine ungefragte MS-Erkrankung verschwieg. Dies beurteilte das OLG als rechtsfehlerhaft. Dass der Versicherte letztendlich doch seine BU-Rente verlor, lag an seiner falschen Aussage, in seinem Beruf uneingeschränkt arbeiten zu können.

 

Der BGH hat ferner zuletzt zweimal entschieden, wie der Mandant mitwirken muss, wenn der Versicherer vor Zahlung der BU-Rente prüfen will, ob seinerzeit korrekte Angaben gemacht wurden. Hier gilt allerdings ein begrenzter Rahmen (BGH 22.2.17, IV ZR 289/14, Abruf-Nr. 193773). Wie weitgehend Ihr Mandant Auskunft geben bzw. Ärzte von der Schweigepflicht entbinden muss, wurde bereits erläutert (SR 18, 43).

 

MERKE | Im Streitfall muss das Gericht prüfen, ob der Versicherer bei der Erhebung der Daten gegen das Recht des Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung sowie den § 213 VVG verstößt (BGH 5.7.17, IV ZR 121/15). Das heißt: Der Versicherer darf nicht direkt eine allgemeine, also unbegrenzte Schweigepflichtentbindung vom Versicherten verlangen, sondern nur beschränkt solche, die er braucht, um den konkreten Leistungsfall zu prüfen. Ansonsten kann sich der Versicherer möglicherweise nicht auf die Erkenntnisse berufen, die er bei einer zu weiten und unzulässigen Prüfung gewonnen hat. (SR 18, 44).

 

Weiterführender Hinweis

Quelle: Ausgabe 06 / 2018 | Seite 100 | ID 45291690