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· Fachbeitrag · Berufsunfähigkeit

Versicherer darf umfassend prüfen

| Der BGH hat entschieden: Bevor eine Berufsunfähigkeitsrente gezahlt wird, darf der Versicherer umfassend prüfen, ob der Versicherte bei Vertragsabschluss korrekte Angaben gemacht hat. Werden Auskünfte bei Dritten abgefragt, muss der Versicherte mitwirken. Allerdings auch nur in zulässigem Rahmen ( BGH 22.2.17, IV ZR 289/14, Abruf-Nr. 193773 ). Wo die Grenzen sind, erklärt dieser Beitrag. |

 

Sachverhalt

Der Kläger fordert vom beklagten Versicherer eine Berufsunfähigkeitsrente. In § 22 der Versicherungsbedingungen der Beklagten waren die Mitwirkungspflichten des Versicherers festgelegt. 2011 beantragte der Kläger Versicherungsleistungen (Burnout-Syndrom). Der Versicherer bat ihn, Erklärungen zur Entbindung von der Schweigepflicht zu unterzeichnen, damit bei Dritten (Krankenkasse, Ärzte) Auskünfte eingeholt werden könnten. Damit solle auch geprüft werden, ob Vorerkrankungen bei Vertragsschluss angegeben worden sind. Der Kläger berief sich auf sein Recht der informationellen Selbstbestimmung und weigerte sich, die Erklärungen zu unterschreiben. Er widersprach zudem der Überprüfung vorvertraglicher Anzeigepflichten. Daraufhin prüfte die Beklagte nicht weiter und zahlte auch keine Rente. Die Klage auf Rentenzahlung und Freistellung von künftigen Beitragszahlungen scheiterte in den Instanzen. Der BGH wies die Revision des Klägers zurück. Dem Versicherer stehe ein Auskunftsrecht zu.

 

Entscheidungsgründe

Der BGH hat ausführlich erläutert, dass in derartigen Fällen zwei wesentliche Grundrechte des Versicherten und des Versicherers kollidieren, die auszugleichen sind (vgl. Grafik).

 

 

Grundsätzlich hat der Versicherer weitgehende Rechte, wenn er einen Leistungsfall prüft. Gemäß § 31 Abs. 1 VVG kann er vom Versicherten jede Auskunft verlangen, die notwendig ist, um den Versicherungsfall oder die Leistungspflicht zu klären. Der BGH zählt zu den notwendigen Auskünften i. S. d. § 14 Abs. 1 VVG auch solche, mit denen geklärt wird, ob der Versicherungsnehmer bereits vor Vertragsschluss falsche Angaben gemacht hat. Dabei ist es nicht erforderlich, dass ein konkreter Verdacht von falschen Angaben besteht.

 

Auch § 213 VVG steht einer Datenerhebung nicht entgegen, mit der geprüft wird, ob der Versicherte vorvertraglich Anzeigeobliegenheiten verletzt hat.

 

Relevanz für die Praxis

Der BGH hat zwar das „stufenweise Vorgehen“ bei der Informationsbeschaffung, dass die Rechte beider Parteien wahren soll, noch einmal genauer dargelegt. Zweifelhaft ist allerdings, ob ein Laie ohne juristische Unterstützung korrekt nachvollziehen kann, inwieweit der Versicherer sich dabei im legitimen Rahmen bewegt oder sich in Einzelfällen zu weit „vorwagt“. Auf keinen Fall sollte der Mandant von vorneherein jede Mitwirkung endgültig ablehnen. Denn damit beraubt er sich den Alternativen,

  • sich mit dem Versicherer über Ablauf und Umfang der einzuholenden Auskünfte zu einigen bzw.,

 

  • die gewünschten Auskünfte selbst bei den dritten Stellen einzuholen und damit auch autonom mitverfolgen zu können, welche Gesundheitsdaten der Versicherer von wo erhält.

 

Der Versicherer kann dann zu Recht die Rentenleistung verweigern, wenn der Versicherte nicht mitwirken will und damit auch signalisiert, sich im Rahmen eines kontinuierlichen Dialogs während der Leistungsprüfung gar nicht erst einigen zu wollen, wie weit welcher Personenkreis von der Schweigepflicht entbunden werden soll. Jeder Mandant, der eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen will, sollte darauf hingewiesen werden, wie wichtig genaue Angaben sind, die mitunter sogar ungefragt gemacht werden müssen. Nimmt es der Mandant damit nicht so genau, kann es ihn böse überraschen, wenn der Versicherer deshalb die Leistung verweigert.

 

MERKE | Der strafprozessrechtliche Grundsatz, dass sich keine Person selbst bezichtigen muss, kann nicht auf das Versicherungsvertragsrecht übertragen werden. Hier gilt: Fragt der Versicherer nach, hat der Versicherte ihm bekannte Tatsachen auch wahrheitsgemäß und vollständig mitzuteilen, wenn dies seinen eigenen Interessen zuwiderläuft bzw. dadurch die Gefahr besteht, dass der Versicherer keine Berufsunfähigkeitsrente leisten muss.

 

Weiterführende Hinweise

  • Auch wenn nicht explizit danach gefragt - Grunderkrankungen müssen angegeben werden, SR 17, 4
  • Erwerbsminderung bei Depressionen, SR 14, 75
Quelle: Ausgabe 07 / 2017 | Seite 112 | ID 44743191