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· Fachbeitrag · Steuern

Steuerliche Rechte von Heimbewohnern

von RA Michael Drasdo FA Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Dr. Hüsch und Partner, Neuss

| Bewohner von Pflegeheimen sind trotz ihres Umzugs in eine solche Einrichtung weiterhin Steuersubjekte. Dies betrifft vornehmlich die Einkommensteuer. Aber auch hinsichtlich anderer Steuern kann sich das Bewohnen eines Heims oder einer vergleichbaren Einrichtung auswirken. |

1. Ausgangslage

Durch den Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim bleibt die Steuerpflicht des Betroffenen uneingeschränkt bestehen. Besonderheiten ergeben sich für ihn nicht. Insbesondere gibt es keine generellen Erleichterungen. Dennoch kann die Tatsache der Nutzung einer solchen Einrichtung steuerlich bedeutsame Konsequenzen haben. Dies ist sowohl im positiven Sinne, weil entlastend, aber auch im negativen, weil belastend, der Fall.

2. Einkommensteuer

Von steuerrechtlichen Folgen ist der Bewohner eines Alten- oder Pflegeheims in der Regel bezüglich seiner Veranlagung zur Einkommensteuer betroffen. Er unterliegt mit seinen Einnahmen der vollen Steuerpflicht und wird daher weiterhin entsprechend veranlagt. Dennoch sind, obwohl es unmittelbare einkommensteuerrechtliche Bestimmungen für Bewohner von Alten- und Pflegeheimen nicht gibt, Veränderungen in der Beurteilung seiner Situation zu verzeichnen.

 

a) Außergewöhnliche Belastungen

Die ältere Rechtsprechung ging davon aus, dass die Aufwendungen für eine altersbedingte und -gerechte Unterbringung keine außergewöhnlichen Belastungen i.S. des § 33 I EStG darstellten (BFH 24.2.00, III R 80/97, BStBl II 00, 294; BFH 15.4.10, VI R 51/09, NJW 10, 3054.). Sie waren der privaten, allgemeinen Lebensführung zuzuordnen.

 

Die neuere Rechtsprechung beurteilt dies zwischenzeitlich anders. Aufwendungen, die mit der Unterbringung in ein Alten- oder Pflegeheim in Zusammenhang stehen, können durchaus als außergewöhnliche Belastungen in Betracht zu ziehen sein (BFH 11.11.10, VI R 17/09, DStRE 11, 189). Soweit eine Pflegeversicherung oder ein sonstiger Träger von Sozialleistungen Kosten übernimmt, sind diese jedoch nicht abzugsfähig, weil nur die Beträge, die der Steuerpflichtige selber tragen muss, außergewöhnliche Belastungen sein können (BFH SR 14, 55, Abruf-Nr. 141043).

 

  • Für die Anerkennung solcher Leistungen ist die Eintragung in einen Schwerbehindertenausweis nicht erforderlich. Zudem können möglicherweise auch noch Pauschbeträge für die Kosten im Zusammenhang mit den Dienstleistungen, die einer pflegebedürftigen Person zu Gute kommen, unter den Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG geltend gemacht werden. Diese Konstellation wird insbesondere bei Ehegatten, von denen nur einer letztlich die Pflege und Betreuung benötigt, auftreten.

 

  • Der Ansatz einer außergewöhnlichen Belastung kommt auch in Betracht, wenn der Steuerpflichtige nicht pflegebedürftig im engeren Sinne ist. Eine Beurteilung nach dem Pflegeversicherungsgesetz mit einer damit verbundenen Einstufung in eine bestimmte Pflegestufe ist somit ebenfalls nicht Voraussetzung (BFH NJW 07, 2799).

 

  • Das FG Düsseldorf wollte im Hinblick auf die Zwangsläufigkeit die ansatzfähigen Kosten auf die sich aus den Regelungen des SGB XI ergebenden Beträge Bezug nehmen (FG Düsseldorf 21.2.12, 10 K 2504/10 E, BeckRS 12, 95357). Dies wäre für die Bewohner wegen der Vereinfachung der Bemessung der Kostengröße erleichternd gewesen. Es geht davon aus, dass die Notwendigkeit der Kostenentstehung sich letztlich aus dem Umstand der Erkrankung ergibt. Dabei sind unstreitig großzügige Maßstäbe anzulegen (Schmidt/Lohschelder, EStG, § 33 Rn. 30). Bei der Angemessenheit sollen die sich aus dem Sozialversicherungsrecht ergebenden Beträge zu Grunde gelegt werden.

 

  • Die Begrenzung auf angemessene Ausgaben ist im Hinblick auf das entsprechende Tatbestandsmerkmal in § 33 Abs. 1 S. 1 EStG sicherlich zutreffend. Denn anders als etwa bei Betriebsausgaben hat der Gesetzgeber eine Grenze ausdrücklich damit festgeschrieben. Dennoch erscheint eine objektivierende Bezugnahme auf die Vorgaben des SGB XI nicht vollkommen sachgerecht. Aufwand, der durch die Unterbringung entsteht, ist immer von persönlichen Umständen beeinflusst. Diese müssen im Rahmen der Angemessenheit sachgerecht berücksichtigt werden. Auch erscheint es zweifelhaft, ob die Kalkulationen des Sozialversicherungsträgers im Hinblick auf zahlreiche Mehrbetragszahlungen tatsächlich objektiv einen Bedarf abdecken können. Es muss daher eine Flexibilität verbleiben, die jedoch nicht alle Ausgaben abdecken kann. Nur dies kann den Grundsätzen der steuerlichen Gleichbehandlung unter Berücksichtigung der jeweils individuellen sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden Rechte zur Gestaltung des eigenen Lebensumfelds gerecht werden. Damit sind nicht nur medizinisch notwendige Aufwendungen zwingend zu berücksichtigen (BFH 14.11.13, VI R 20/12, Abruf-Nr. 141043).
  • Sie dürfen nur nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den erforderlichen Kosten stehen. Dies hat das FA und dem folgend auch das FG beachtet, indem weitergehende Ausgaben für die Unterkunft und Verpflegung der nichtpflegebedürftigen Klägerin anerkannt wurden.
  • PRAXISHINWEIS | Demzufolge wird man zu den sich aus der Anwendung des SGB XI ergebenden Sätzen immer noch einen wiederum angemessenen Zuschlag machen dürfen und können, der den Rahmen der außergewöhnlichen Belastung erweitert.

     
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  • Dieser Auffassung entsprechend hat der Gesetzgeber in Art. 2 Nr. 7 Steuervereinfachungsgesetz 2011 reagiert (Drasdo, NJW-Spezial 12, 450; Gerlich, DStR 12, 1490). Zum Nachweis der Notwendigkeit bzw. einer Zwangsläufigkeit ist nunmehr erforderlich, dass eine
    • Verordnung eines Arzts,
    • Heilpraktikers für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V)
    • ein amtsärztliches Gutachten oder
    • die ärztliche Bescheinigung eines MDK (§ 275 SGB V)
  • vor Beginn der jeweils ergriffenen Maßnahme vorliegt. Damit stellt er letztlich nicht auf allgemeine Maßstäbe des SGB XI, sondern auf die persönlichen Umstände, die in der Bescheinigung dokumentiert werden ab.

 

  • Soweit der Steuerpflichtige wegen eines Umzugs in ein Alten- oder Pflegeheim den Mietvertrag über seine bisherige Wohnung kündigt, wird das Vertragsende oftmals nicht zeitgleich mit dem Bezug der Einrichtung zusammentreffen. Die Fortzahlung der Miete bis zur Beendigung des Vertrags stellt keine außergewöhnliche Belastung dar (FG Rheinland-Pfalz 17.12.12, 5 K 2017/10, BeckRS 13, 94492; Drasdo, NJW-Spezial 13, 355). Diese anfallende Mehrbelastung ist nämlich keine Folge der Betreuungsnotwendigkeit, sondern folgt aus der, der allgemeinen Lebensführung zuzurechnenden, Wohnungsanmietung.
  • Nur wenn die Höhe der zu entrichtenden Miete weit über dem Durchschnitt liegt und wegen des Gesundheitszustands des Steuerpflichtigen die Fortzahlung nahezu unvermeidbar ist, kann ebenfalls auch wegen dieser Aufwendungen im Einzelfall eine außergewöhnliche Belastung gegeben sein (FG Düsseldorf 13.12.07, 14 K 6385/04, BeckRS 07, 26026425).

 

b) Haushaltsnahe Dienst- und/oder Handwerkerleistungen

Bewohner von Alten- und Pflegeheimen können auch die Kosten für haushaltsnahe Dienst- und Handwerkerleistungen nach § 35a EStG steuermindernd geltend machen (BFH NJW 09, 1837). Dafür muss allerdings in der Einrichtung von ihnen ein eigenständiger und abgeschlossener Haushalt geführt werden (Körper, SteuK 10, 136; Plenker/Schaffhausen, DB 09, 191). Ein solcher eigenständiger Haushalt liegt in einem Alten- oder Pflegeheim vor, wenn die Räumlichkeiten des Bewohners eine für seine Führung erforderliche Ausstattung aufweisen. Die Finanzverwaltung verlangt dafür entsprechende Nachweise; zumindest sind die Umstände glaubhaft zu machen (BMF 10.1.14, IV C 4 - S 2296/b/0/700003: 004, BStBl I 14, 75).

 

PRAXISHINWEIS | Bei der Beurteilung ist an dem Heimbegriff i.S. des WBVG und der heim- und pflegerechtlichen Gesetze der Länder für die Anwendung des § 35a EStG nicht zwingend festzuhalten. Auch sonstige Wohnformen des alters- oder pflegegerechten Zusammenlebens, wie etwa sogenannte Seniorenresidenzen, können den Heimbegriff i.S. des § 35a EStG erfüllen ( FG Nürnberg 13.2.14, 6 K 1026/13).

 

Zu den nach § 35a EStG zu berücksichtigenden Dienstleistungen rechnen auch die Kosten eines ambulanten Pflegediensts für alte und kranke Menschen (FG Hamburg 5.5.08, 6 K 175/05, FD-DStR 09, 275803). Die Abzugsfähigkeit der Kosten i.S. des § 35a EStG scheidet aber aus, wenn der Steuerpflichtige den Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 EStG in Anspruch nimmt (Habermann, SteuK 14, 133).

 

Die Kosten i.S. des § 35a EStG mindern unmittelbar die Steuerschuld und nicht wie Werbungskosten oder Betriebsausgaben das zu versteuernde Einkommen. Dies hat aber für den Fall, dass Steuern nicht entrichtet werden, nicht die Konsequenz, dass gegenüber der Finanzverwaltung bis zur Höhe des Maximalbetrages der Abzugsmöglichkeiten ein Auszahlungsanspruch in Form einer „negativen Einkommensteuer“ entsteht (BFH 29.1.09, VI R 44/08, NJW 09, 1837, Abruf-Nr. 091160).

3. Zweitwohnungssteuer

Bei der Zweitwohnungssteuer handelt es sich um eine örtliche Aufwandssteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2a GG, die von den Gemeinden auf Grund einer entsprechenden Regelung durch eine kommunale Satzung erhoben werden darf (BVerwG NVwZ 05, 828, BFH NJW 03, 2336). Durch sie soll den Gemeinden die Möglichkeit gegeben werden, die Vorhaltekosten für bestimmte Einrichtungen zu finanzieren, die auch den Nutzern von Zweitwohnungen zugute kommen können. Wie bei Steuern allgemein üblich, muss der steuererhebungsberechtigte Träger keine bestimmte Gegenleistung erbringen.

 

a) Was wird besteuert?

Die Zweitwohnungssteuer ist eine Steuer auf die Einkommensverwendung. Mit ihr wird die durch den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfasst (BVerfG NJW 84, 785; BVerwG, NVwZ 05, 828). Sie stellt aber nicht auf einen bestimmten Verbrauch oder ein Vorhandenes Vermögen ab, so dass eine Vergleichbarkeit mit der Umsatz- und Vermögenssteuer nicht in Betracht gezogen werden kann (BVerwG NVwZ, 89, 565). Da sie auch nicht auf einen Ertrag oder eine Vermögenssubstanz abstellt, scheidet eine Vergleichbarkeit mit der Einkommen-, Grund- oder Gewerbesteuer ebenfalls aus (BVerfG NJW 84, 785; BVerwG NVwZ 90, 568).

 

b) Wirkungsbereich

Da es sich bei der Zweitwohnungssteuer um eine örtliche Aufwandsteuer handelt, ist der Wirkungsbereich mit dem jeweiligen Gemeindegebiet identisch. Damit liegt gleichzeitig auch eine Begrenzung auf dieses vor. Im Zweifel muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Erhebung der Steuer nach den landesrechtlichen Vorgaben in Einklang mit den für die Schaffung von Satzungen vorgesehenen Regelungen erfolgt ist (OVG Münster ZKF 09, 185; OVG Münster 2.8.11, 14 B 101/11, BeckRS 11, 53085 zur eventuellen Genehmigungspflicht durch die Aufsichtsbehörde).

 

Zudem sind allgemeine Grundsätze der Abgabenerhebung, wie Bestimmbarkeit und Eindeutigkeit der steuerlichen Belastungen zu beachten.

 

c) Definition der Zweitwohnung

Ob eine Zweitwohnung im Sinne der vorzunehmenden Besteuerung vorliegt, ist im Einzelfall zu beurteilen. Daher müssen die in Betracht kommenden Räumlichkeiten tatsächlich und rechtlich einerseits

  • zum Wohnen bestimmt und andererseits

 

Unwesentlich ist, ob der Zweitwohnsitz freiwillig begründet wurde (OVG Magdeburg 25.1.10, 4 L 108/09, BeckRS 10, 47170). Sachliche Zwänge zur Nutzung einer Zweitwohnung lassen die Steuer nur entfallen, wenn dies entweder ausdrücklich geregelt oder sich - z.B. bei auswärtigen Arbeitsplätzen von Ehegatten - aus anderen Normen ergibt. Daher kommt die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer auch von Personen in Betracht, die einen weiteren Wohnsitz in einem Alten- oder Pflegeheim, sei es auch auf Grund medizinischer oder pflegebedürftiger Notwendigkeiten, begründen (VGH Hessen 5.10.11, 5 A 1004/11, NVwZ-RR 12, 157; VG Gießen 9.3.11, 8 K 48/10).

 

Allerdings können kommunale Satzungen die Erhebung in solchen Fällen ohne Verletzung des aus Art. 3 GG abzuleitenden Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ausklammern (OVG Saarlouis 28.5.14, 1 A 432/13, BeckRS 14, 51933).

4. Ausblick

Die Rechtslage für Bewohner von Alten- und Pflegeheimen erweist sich nach einer Änderung der Rechtsprechung des BFH hinsichtlich der sogenannten außergewöhnlichen Belastungen seit einigen Jahren als wesentlich freundlicher als früher. Es bleibt zu hoffen, dass sich dies nicht durch Änderungen der gesetzlichen Vorgaben ändert. Allerdings erscheint es zumindest sozialpolitisch bedenklich, die Bewohner mit den Kosten einer Zweitwohnungssteuer zu belasten.

 

Weiterführende Hinweise

  • Zu außergewöhnlichen Belastungen, BFH erleichtert Nachweis bei Einbau eines Treppenlifts, SR 14, 91, Abruf-Nr. 141112
Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 122 | ID 42765977