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19.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121878

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 21.02.2012 – 10 K 2504/10 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Düsseldorf

10 K 2504/10 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

T a t b e s t a n d :

Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer für die Streitjahre 2004 und 2005.

Die am 12. Juni 1929 geborene Klägerin wurde zusammen mit ihrem am 26. Februar 2005 verstorbenen Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Er wurde von seinen Kindern ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts vom 27. Juni 2005 (Az.: 45 VI 88/05) gemäß Erbvertrag zu je einem Drittel beerbt. Im Dezember 1997 erlitt die Klägerin eine Gehirnblutung, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Infolge dessen wurden der Klägerin mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 24. November 1998 ein Grad der Behinderung von 100 v. H. sowie die Merkzeichen G (Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt), aG (außergewöhnlich gehbehindert), B (Notwendigkeit ständiger Begleitung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel) und H (Hilflosigkeit) zuerkannt. Zudem ist sie aufgrund ihrer Erkrankung als pflegebedürftig im Sinne der Pflegestufe III anerkannt worden. Zunächst wohnten die Klägerin und ihr Ehemann zusammen weiterhin in ihrer gemeinsamen Ehewohnung. Am 26. März 2003 schlossen die Eheleute mit einem Seniorenstift einen sogenannten Wohnstiftsvertrag über die Vermietung eines aus drei Zimmern bestehenden Apartments von 74,54 qm beginnend ab April 2003. Der Umzug in das Seniorenstift erfolgte im November 2003. Das monatliche Entgelt betrug zunächst 3.532,65 EUR und setzte sich aus dem Bestandteil Wohnen (2.527,00 EUR), Verpflegung (400,00 EUR) sowie Betreuung (605,65 EUR) zusammen. Pflegeleistungen sind nicht Gegenstand des Wohnstiftsvertrages. Zusätzlich schloss die Klägerin einen Pflegevertrag über die Erbringung von Pflegeleistungen durch einen ambulanten Pflegedienst ab (Vertrag vom 2. April 2004), in dem sich der Pflegedienst zur Erbringung von Pflegesachleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Elftes Buch (XI) – Soziale Pflegeversicherung – und zur häuslichen Krankenpflege nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – verpflichtete. Die Entgelte hierfür wurden nach Abzug der anzurechnenden Leistungen der Pflege- und Krankenversicherung der Klägerin gesondert in Rechnung gestellt.

In den Einkommensteuererklärungen wurden Aufwendungen, die mit dem Einzug in das Seniorenstift und der Pflegebedürftigkeit der Klägerin im Zusammenhang stehen, als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht, und zwar insgesamt für 2004 solche von 41.272 EUR und für 2005 von 49.235,22 EUR. Der Beklagte erkannte außergewöhnliche Belastungen jeweils vor Abzug der zumutbaren Belastung für 2004 in Höhe von 4.101 EUR (Bescheid vom 21. November 2008) und für 2005 von 18.828,00 EUR (Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung vom 14. November 2008) an. Im Einspruchsverfahren änderte der Beklagte die angefochtenen Einkommensteuerbescheide zuletzt mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 und berücksichtigte für die Unterbringung der Klägerin in der Senioreneinrichtung einen Tagessatz von 50 EUR abzüglich einer Haushaltsersparnis von 7.680 EUR/Jahr sowie die nicht von der Pflegekasse erstatteten Pflegekosten einschließlich Notrufkosten in voller Höhe sowie für 2005 Kosten für Rollstuhl-Taxifahrten von 566 EUR. Vor Abzug der zumutbaren Belastung ergaben sich danach Beträge von 13.747 EUR für 2004 und von 17.634 EUR für 2005.

Mit der Klage tragen die Kläger vor:

Die vom Beklagten vorgenommene Kürzung der tatsächlichen Kosten für Wohnen, Betreuung und Pflege auf täglich 50 EUR, wobei anschließend noch die Haushaltsersparnis in Abzug gebracht worden sei, sei willkürlich und stünde im Widerspruch zur einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Bei der krankheitsbedingten Übersiedelung in ein Pflegeheim seien die tatsächlichen Kosten in voller Höhe unter Abzug der Haushaltsersparnis von 7.680 EUR/Jahr als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Die Klägerin habe eine nach SGB XI anerkannte private Pflegeeinrichtung bezogen. Soweit sie dort noch mit ihrem später verstorbenen Ehemann zusammen gewohnt habe, seien von den Entgelten nur die Zuschläge für die zweite Person in Abzug zu bringen. Die Auffassung des Beklagten schmälere im Widerspruch zur Rechtsprechung die nach dem Gesetz anzuerkennenden krankheitsbedingten Aufwendungen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 21. November 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 zu ändern und Krankheitskosten nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) über den Betrag von 13.747 EUR hinaus mit insgesamt 40.706 EUR anzuerkennen und den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 19. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 zu ändern und Krankheitskosten nach § 33 EStG über den Betrag von 17.634 EUR hinaus mit insgesamt 49.235,22 EUR zuzüglich 566 EUR Rollstuhl-Taxikosten abzüglich einer Haushaltsersparnis von 7.680 EUR anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Die auf den verstorbenen Ehemann der Kläger entfallenden Kosten für seinen Einzug in das Seniorenstift, die bisher nicht dargelegt worden seien, könnten nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Unterbringungskosten der Klägerin könnten nur Berücksichtigung finden, soweit sie notwendig und angemessen seien. Im Übrigen berücksichtige die Finanzverwaltung bei krankheitsbedingten Aufwendungen nicht immer die tatsächlichen, sondern die angemessenen Aufwendungen. Hierzu sei der Finanzverwaltung ein eigenes Prüfungsrecht zuzuerkennen. Der über 50 EUR pro Kalendertag hinausgehende Betrag für Unterbringung und Verpflegung der Klägerin sei nicht notwendig und angemessen; die Pflegekosten habe der Beklagte in tatsächlich angefallener Höhe berücksichtigt. Bei einem Seniorenstift, bei dem mehr Wert auf Komfort und Ausstattung gelegt werde, sei die Situation nicht mit einem "klassischen" Pflegeheim im herkömmlichen Sinne vergleichbar. Daher sei von dem Mietentgelt ein hälftiger Abzug vorzunehmen, was im Ergebnis zu einem geringeren Betrag als bei einem Tagessatz von 50 EUR führe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO-).

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Neben der Klägerin, die zusammen mit ihrem verstorbenen Ehemann in den Streitjahren 2004 und 2005 zur Einkommensteuer veranlagt worden ist (§§ 26, 26 b EStG), sind auch die Kläger zu 2 bis 4 als Gesamtrechtsnachfolger gemäß § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) des verstorbenen Ehemannes klagebefugt i. S. d. § 40 FGO.

Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 2004 und 2005 sind rechtmäßig. Die Kläger sind durch sie nicht dadurch in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als der Beklagte nur Aufwendungen wie anerkannt als außergewöhnliche Belastung im Zusammenhang mit der pflegebedingten Unterbringung der Klägerin berücksichtigt hat.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur der Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (vgl. hierzu z. B. BFH-Urteile vom 18. April 2002 III R 15/00, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2003, 70; vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BStBl II 2007, 764; vom 15. April 2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794).

Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altenheim. Dagegen sind Aufwendungen für die Pflege eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen ebenso wie Krankheitskosten eine außergewöhnliche Belastung i. S. d. § 33 EStG aus tatsächlichen Gründen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BStBl II 2010, 280). Allerdings kann auch im Falle der Heimunterbringung der Tatbestand des § 33 EStG erfüllt sein, wenn der dortige Aufenthalt ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist. Denn zu den Krankheitskosten gehören nicht nur die Aufwendungen für medizinische Leistungen im engeren Sinne, sondern auch solche für eine krankheitsbedingte Unterbringung (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BStBl II 2000, 294), wenn der Betroffene infolge einer Krankheit pflegebedürftig geworden ist (BFH-Urteile vom 18. April 2002, a.a.O.; vom 15. April 2010, a.a.O.).

Die Klägerin ist als pflegebedürftige Person nach ihrer Krankheit der Pflegestufe III zugeordnet worden (§§ 14, 15 SGB XI). Ebenfalls hat die Hausärztin der Klägerin mit Attest vom 21. November 2003 bescheinigt, dass aus ärztlicher Sicht bei ihr eine intensive Betreuung z. B. in einem Seniorenstift notwendig ist. Damit sind dem Grunde nach die Kosten der Unterbringung in einer Senioreneinrichtung als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG berücksichtigungsfähig.

Der Höhe nach sind die Aufwendungen jedoch nicht über den bereits vom Beklagten anerkannten Betrag hinaus berücksichtigungsfähig. Nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung gelten für den Abzug von Aufwendungen für die Heimunterbringung als Krankheitskosten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (so zuletzt BFH-Urteil vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BStBl II 2011, 1010). Danach kommt ein Abzug als außergewöhnliche Belastung nur insoweit in Betracht, als die Aufwendungen der Art und der Höhe nach zwangsläufig, nämlich den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG; vgl. dazu Schmidt, EStG, 30. Aufl., § 33 Rz 30).

Mit diesen Grundsätzen ist die Ansicht der Kläger, dass sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit dem Bezug einer Senioreneinrichtung anfallen, stets als außergewöhnliche Belastung ohne Rücksicht auf ihre Höhe berücksichtigungsfähig sind, nicht vereinbar. Diese, auf die subjektiven Bedürfnisse des Steuerpflichtigen abstellende Betrachtungsweise würde gegen den auch im Steuerrecht zu beachtenden Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen.

Anzuknüpfen ist vielmehr an die Rechtsprechung des BFH, wonach als Krankheitskosten i. S. d. § 33 Abs. 1 EStG die Aufwendungen für die Heimunterbringung in einem Alters- oder Pflegeheim abziehbar sind (vgl. nur BFH-Urteil vom 13. Oktober 2010, a.a.O.). Eine Heimdefinition fehlt sowohl im EStG als auch in den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR). Wenn das Einkommensteuerrecht z. B. in § 33 b Abs. 7 EStG i. V. m. § 65 Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) auf die Einstufung in eine Pflegestufe nach SGB XI als Nachweis für die Voraussetzungen der Inanspruchnahme bestimmter Pauschbeträge zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen Bezug nimmt, bietet es sich an, auch für die Ermittlung steuerlich berücksichtigungsfähiger Heimunterbringungskosten die Vorschriften des SGB XI heranzuziehen.

Nach SGB XI werden Pflegeeinrichtungen in ambulante Pflegeeinrichtungen oder Pflegedienste (§ 71 Abs. 1 SGB XI) und stationäre Pflegeeinrichtungen oder Pflegeheime nach § 71 Abs. 2 SGB XI unterschieden. Ambulante Pflegeeinrichtungen sind solche, die den Pflegebedürftigen in seiner Wohnung pflegen und hauswirtschaftlich betreuen. Abrechnungsgrundlage, auch mit den Pflegekassen, ist eine Vergütungsvereinbarung bzw. eine Gebührenordnung (§ 89 und § 90 SGB XI) für die erbrachten Einzelleistungen. In der stationären Pflegeeinrichtung werden Pflegebedürftige gepflegt (§ 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI), daneben untergebracht und verpflegt (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI). Bei stationären Pflegeeinrichtungen geschieht die Abrechnung nicht nach für den einzelnen Pflegebedürftigen individuell erbrachten und ihm in Rechnung gestellten Einzelleistungen, sondern nach pauschalierten Pflegesätzen gemäß §§ 84 bis 88 SGB XI. Bei ambulanter Pflege wird ein (ambulanter) Pflegevertrag über die Pflegeleistungen abgeschlossen, bei stationärer Pflege wird ein sogenannter Pflege-Wohnvertrag abgeschlossen, in dem darauf hingewiesen wird, dass die stationäre Pflegeeinrichtung durch Abschluss eines Versorgungsvertrages gemäß § 72 SGB XI mit den Pflegekassen zur Erbringung vollstationärer Pflegeleistungen zugelassen ist und mit den Pflegekassen eine Pflegesatzvereinbarung gemäß §§ 84, 85 SGB XI abgeschlossen wurde. Der Inhalt des Versorgungsvertrages, die Bestimmungen der Pflegesatzvereinbarungen sowie die Regelungen des (für die Vertragsbeziehungen zwischen Pflegekassen und Pflegeeinrichtungen verbindlichen) Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI sind verbindlich und bilden durch Bezugnahme die Grundlage des Pflege-Wohnvertrages (Heimvertrages) mit dem Pflegebedürftigen (vgl. zum Heimvertrag auch Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 8. November 2001 III ZR 14/01, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen – BGHZ – 149, 146 – 158, m. w. N.).

Vorliegend hat die Klägerin, zusammen mit ihrem verstorbenen Ehemann, (lediglich) einen sogenannten Wohnstiftsvertrag abgeschlossen, in dem die obigen zwingenden Bezugnahmen auf die gesetzlichen Bestimmungen des SGB XI fehlen. Vertragsgegenstand sind Wohnen, Betreuung und Verpflegung, keine Pflegeleistungen. Diese können separat mittels Zusatzleistungen in Anspruch genommen werden. Letzteres hat die Klägerin nach Abschluss eines zusätzlichen Pflegevertrages getan. Der Klägerin ist von der Pflegeeinrichtung ausweislich der von ihr eingereichten Rechnungen auch kein pauschales Pflegesatzentgelt in Rechnung gestellt worden, sondern u. a. das Stiftsentgelt für Wohnen, Verpflegung und Betreuung und daneben ambulante Pflegekosten, soweit sie nicht von der Pflegekasse übernommen worden sind.

Die Situation stellt sich bei der Klägerin so dar, dass sie in ihrer eigenen, von dem Seniorenstift angemieteten Wohnung durch einen ambulanten Pflegedienst versorgt wird. Nach dem Wohnstiftsvertrag ist auch die Inanspruchnahme der Dienste Dritter zulässig. Ungeachtet, dass bei der Klägerin keine Heimunterbringung vorliegt, hat der Beklagte gleichwohl bei ihr für Unterkunft und Verpflegung einen Tagessatz von 50 EUR anerkannt (bei 30 Tagen im Monat durchschnittlich also 1.500 EUR), und zwar zusätzlich zu den Pflegekosten. Durch diese Handhabung wird die Klägerin im Vergleich mit anderen Pflegebedürftigen, die auch in Pflegestufe III eingruppiert sind und in einem Heim mittels Pflege-Wohnvertrag wohnen, keinesfalls benachteiligt, sondern gegenüber diesen bevorzugt. Der Beklagte hat ausweislich der Steuerakten bei der AOK eine schriftliche Auskunft zu den Pflegesätzen vollstationärer Pflegeeinrichtungen mit Stand 15. Januar 2008 eingeholt. Danach betrugen die täglichen Kosten in einer Pflegeeinrichtung für Unterkunft und Verpflegung einschließlich Investitionskosten bei Pflegestufe III 26,20 EUR bis 50,43 EUR. Bei siebzehn verglichenen Heimeinrichtungen errechnet sich ein Durchschnittspreis von 38,47 EUR/Tag. Es bleibt der Klägerin unbenommen, ihren tatsächlichen Wohn- und Verpflegungsaufwand durch den Abschluss eines Pflege-Wohnvertrages zu senken. Eine nicht derart begrenzte steuerliche Berücksichtigung der tatsächlich entstandenen Unterbringungs- und Verpflegungskosten, die auch von der Größe der gewählten Wohnung abhängen, wäre anderen pflegebedürftigen Steuerpflichtigen gegenüber, die sich mit einer (Heim-)Unterbringung aufgrund eines abgeschlossenen Wohn-Pflegevertrages begnügen, unangemessen und nicht zu rechtfertigen. Es ist daher sachgerecht, den als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähigen Betrag für Unterkunft und Verpflegung in einer Senioreneinrichtung auf den Betrag zu begrenzen, der auch bei Abschluss eines Pflege-Wohnvertrages dafür anfällt.

Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigt, sind sie nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) sowie die sogenannte Haushaltsersparnis übersteigen. Nur in dieser Höhe entstehen dem Steuerpflichtigen hierdurch gegenüber seiner bisherigen Lebensführung zusätzliche Kosten. Entsprechend sind Unterbringungskosten um eine Haushaltsersparnis, die der Höhe nach den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten entspricht, zu kürzen (BFH-Urteil vom 18. April 2002, a.a.O.). Die Haushaltsersparnis schätzt der erkennende Senat entsprechend dem in § 33 a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen auf 7.680 EUR (BFH-Urteile vom 10. Mai 2007, a.a.O.; vom 15. April 2010, a.a.O.; vom 13. Oktober 2010, a.a.O.). Werden Pflegekosten und Kosten für Unterbringung und Verpflegung zum Abzug nach § 33 EStG zugelassen, ist in einem solchen Fall die Gewährung des Pauschbetrages nach § 33 b Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 EStG ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteile vom 24. Februar 2000, a.a.O.; vom 15. April 2010, a.a.O.).

Die Berechnung der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen durch den Beklagten, wie sie sich aus der Einspruchsentscheidung einschließlich der Anlagen ergibt, ist rechnerisch nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat sämtliche nicht von der Pflegekasse übernommenen Pflegekosten sowie Rollstuhl-Taxikosten und Notrufkosten als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. Für weitere Abzugsbeträge bleibt daher kein Raum mehr.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) hat der Senat die Revision zugelassen. Zur Frage, welche Kosten der Unterbringung und Verpflegung bei Pflegebedürftigen, die zwar in einer Senioreneinrichtung leben, aber dort keinen Pflege-Wohnvertrag abgeschlossen haben, als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind, liegt soweit ersichtlich noch keine höchstrichterliche Entscheidung vor.