Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Sozialrecht als attraktive Spezialisierung

Sozialrecht als Schwerpunkt für Juristen

von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe B.A., Leipzig

| Der umkämpfte Markt der Rechtsdienstleistungen lässt viele Juristen nach Nischen und Spezialisierungsmöglichkeiten suchen. Das Sozialrecht ist ein attraktives Rechtsgebiet mit Perspektiven. Es bietet besondere Akquisechancen und entgegen vieler Meinungen auch gute Einkünfte. |

1. Welche Chancen das Sozialrecht bietet

Das Schlagwort Demografie fällt am häufigsten, wenn ein Zusammenhang mit dem steigenden Beratungsbedarf älterer Menschen hergestellt wird. Dieser Bedarf hat einen weiteren Hintergrund. Viele Senioren leben allein, haben keine Angehörigen oder nur wenig soziale Kontakte, mit denen sie sich zu Vorsorge und Lebensgestaltung austauschen können. Erkrankte Mandanten wollen informiert sein: über Entwicklungen von Behandlungsmöglichkeiten, welche Ansprüche an Kostenträger bestehen und ob bestehende Vorsorgevollmachten überarbeitet und angepasst werden müssen (Noe, SR 14, 98). Ein Sozialrechtler ist daher häufig sowohl Rechtsberater als auch Lotse. Dieser fließende Übergang von konkreter Rechtsberatung und Orientierungshilfen bei der Lebensplanung gewinnt stark an Bedeutung.

 

Checkliste / Kommt das Sozialrecht für mich infrage?

Ausgangssituation

Anforderungen

Zukunftsfähigkeit

Welche Erfahrungen bringe ich mit?

Umgang mit älteren, kranken und hilfsbedürftigen Mandanten, Notwendigkeit von Hausbesuchen

Altersstruktur der Einwohner in Region mit Kanzleisitz

Wie viele sozialrechtliche Mandate in der Vergangenheit?

Kann ich physisch und psychisch mit schweren Krankheitsbildern oder der langjährigen Betreuung schwerkranker Menschen umgehen?

Einrichtungen in Kanzleinähe (Krankenhäuser, Verbraucherzentralen)?

Wie war der Zeitaufwand?

Einarbeitung in Gerontologie und medizinische Fachgebiete

Unterspezialisierung ausbauen oder wechseln

Auswertung mit Software/Personal

Ist mein Personal medizinisch vorgebildet? Sind Schulungen sinnvoll?

Aufwand und Planung für Fortbildungen und Seminare

Erfahrung mit Gebührenvereinbarungen?

Liegen schon Ideen/Ansätze für eine Unterspezialisierung im Sozialrecht vor?

Zeit für Fortbildung und Netzwerkaustausch

Wie komme ich an Erfahrungen von Sozialrechtlern?

Nahe, bzw. regionale Ansprechpartner, denen ich mich vorstelle, um meine Rechtsdienstleistung bekannt zu machen?

Siedeln sich in den kommenden Jahren neue Einrichtungen etc. an?

Netzwerke: Stehe ich mit einem Notar in Kontakt bzw. kann ein Netzwerk mit Spezialisten zum Erb- und Nachlassrecht aufgebaut werden?

 

2. Warum eine Unterspezialisierung?

Wer sämtliche sozialrechtlichen Problematiken als „Allrounder“ bearbeitet, bewegt sich schnell in einem Bereich, der nicht mehr kostendeckend ist. Hierauf weist auch die ARGE Sozialrecht im DAV hin. Viele Kanzleien beschränken sich daher auf Rechtsgebiete und selbst hier auf bestimmte Konfliktstoffe. Widerspruchs- und Klageverfahren vor Behörden und Sozialgerichten sind oft mit einem intensiven Aktenstudium (Sachverständigengutachten) verbunden. Mandate ziehen sich nicht selten über mehrere Jahre hin, insbesondere wenn Rentenleistungen strittig sind. Daher ist neben der Unterspezialisierung von Beginn an zu überlegen, inwieweit Vergütungsvereinbarungen geschlossen werden, die dem Mandanten auch zu erklären sind.

 

Wichtig | Viele Mandanten sind verblüfft, wenn Bevollmächtigte den Gebührenrahmen nach dem RVG im Sozialrecht aufschlüsseln und zeigen, welches Honorar aus Tätigkeiten für einzelne Verfahrensabschnitte resultiert. Erkennt der Mandant dies, wird er auch Sinn und Notwendigkeit von Vergütungsvereinbarungen verstehen.

 

  • Beispiel 1

Eine Anwaltskanzlei hat ihren Sitz in einer Region, in der geschichtsbedingt Berg- und Maschinenbau verankert sind. Viele Krankenhäuser und Universitätskliniken haben Schwerpunkte in der Orthopädie und Unfallchirurgie. Entsprechende Nachfrage besteht auch an Beratungen rund um Unfallrenten oder Rehabilitationsleistungen. Die Kanzlei spezialisiert sich daher auf Rentengewährung und Versicherungsleistungen für die Wiederherstellung der Arbeitskraft.

 
  • Beispiel 2

Rechtsanwalt B hält gute Kontakte zur Verbraucherzentrale, und hält dort gelegentlich Vorträge zu verbraucherrechtlichen Fragen. Ein Mitarbeiter berichtet ihm, dass Ratsuchende immer häufiger die Themen Testament und Vorsorgevollmachten ansprechen. B entschließt sich daher in Kooperation mit einem Notar zu einer regelmäßigen „Vorsorgesprechstunde“, in der beide Juristen Senioren gezielt zu Schwerpunkten des Nachlass- und Erbrechts informieren. Das Angebot stößt auf große Resonanz, sodass es auf eine „mobile Sprechstunde“ in zwei nahe gelegenen Pflegeeinrichtungen erweitert wird.

 

3. Kanzleiorganisation und Tätigkeiten delegieren

Sozialrechtliche Mandate bieten aufgrund ihres schematischen Ablaufs dem Juristen die Möglichkeit, Aufgaben dem Fachpersonal zu übertragen: Die Fertigung von Widersprüchen, der Aufbau von Klageschriften und die Erfassung der Mandantendaten sind hier zu großen Teilen von geschulten Mitarbeitern zu bewältigen. Einzelne Rechtsanwalts- oder Notarfachangestellte haben zudem als Schreibkräfte oder Sekretäre in der medizinischen Verwaltung gearbeitet oder bei Krankenkassen gearbeitet und sind mit der medizinischen Fachsprache und Verwaltungsabläufen vertraut.

 

Die Kanzlei kann in Stellengesuchen gezielt wünschenswerte Qualifikationsmerkmale hervorheben. Die Erfassung von Gesundheitsstörungen, das Zusammenstellen von Krankengeschichten sowie die Unterstützung von Mandanten bei der Ausfüllung typischer sozialgerichtlicher Fragebögen zur Person sind klassische Fachangestelltentätigkeiten. Das Sozialrecht bietet dem Juristen umfassende Möglichkeiten, Teile der Sachbearbeitung zu übertragen und sich allein auf die juristische Arbeit zu konzentrieren.

4. Sozialrecht: Besondere Akquiseformen

Kaum ein anderes Rechtsgebiet eröffnet dieselbe Fülle von Möglichkeiten bezüglich Marketing, Mandatsgewinnung und Tätigkeitsfelder, wie das Sozialrecht. Der Grund: Viele potentielle Interessenten finden sich im Kanzleiradius (Fachärzte, Kliniken, Pflegeeinrichtungen etc.). So sind beispielsweise viele Heimleiter oder Mitarbeiter in Beratungsstellen dankbar, wenn ein Jurist anbietet, in Vorträgen oder Sprechstunden Beratungen anzubieten und zu Senioren ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Viele Mandanten offenbaren intimste Sachverhalte aus ihrem Leben und dem familiären Umfeld. Ist ein solches Vertrauensverhältnis gefestigt, wird der Mandant auch in anderen Rechtsfragen auf den Juristen zukommen. Das Sozialrecht stiftet aufgrund seiner Materie eine hohe Bindungskraft zwischen Berater und Rechtsuchenden.

 

Checkliste /  Akquisemöglichkeiten und Kontakte für Juristen

  • Verbraucherzentralen, Beratungsstellen (Caritas, Diakonie),
  • Krankenhäuser und Fachkliniken,
  • Pflegeheime, Tageseinrichtungen (Cafés, Treffpunkte, Kulturangebote),
  • Sanitätshäuser und Anbieter von Technologien und Eingabehilfen für erkrankte/eingeschränkte Mandanten (Spezialisierung auf Wiederherstellung der Arbeitskraft (Noe, SR 14, 3),
  • Selbsthilfegruppen und Verbände,
  • „sozialrechtlicher“ Newsletter, den Sie als E-Mail-Newsletter oder als DIN A4-Flyer zu einem bestimmten Thema entwerfen (z.B. wann besteht ein Anspruch auf einen Rollstuhl und wie setze ich ihn durch?).
 

Beachten Sie | Auch im Sozialrecht gilt: Der Anwalt sollte als Unternehmer aktiv den Kontakt suchen. Ob telefonisch oder persönlich: Ein aktives Zubewegen auf Mitarbeiter in Einrichtungen, Ärzten oder Verbänden. Insbesondere Fachverbände, auch für Patientenrechte, haben einen guten, auch regionalen Überblick durch ihre Landesvertretungen und geben Auskunft, wo sich eine Vorstellung lohnen kann. Nutzen Sie bei einer Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein (DAV) auch die Unterstützung der ARGE Sozialrecht (www.anwalt-im-sozialrecht.de).

 

Weiterführender Hinweis

  • Wie Sie Ihrem Fachpersonal Aufgaben übertragen und dabei die anwaltliche Sorgfaltspflicht beachten und sich vor Haftungsfallen schützen, zeigt Ihnen dieser Beitrag http://www.iww.de/sl530
Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 215 | ID 43101359