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· Fachbeitrag · Schenkungsteuer

Rückforderungsrecht bei Verzicht auf Wohnrecht

von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

| Mit Urteil vom 17.4.18 hat sich der BGH mit der Frage des Umfangs eines Rückforderungsanspruchs des Schenkers wegen Verarmung im Falle eines Verzichts auf ein vorbehaltenes Wohnrecht auseinandergesetzt. |

 

Sachverhalt

Die Eltern übertrugen ihrer Tochter im Jahre 1995 ihr Hausgrundstück. Bei der Übertragung behielten sie sich aber ein unentgeltliches lebenslanges Wohnrecht vor. In 2003 verzichteten die Eltern auf das Wohnrecht und bewilligten dessen Löschung im Grundbuch. Fortan vermietete die Tochter den Eltern die Wohnung gegen eine monatliche Kaltmiete von 340 EUR.

 

Im Jahr 2010 verstarb der Vater. Die Mutter lebte seit August 2012 in einer Alten- und Pflegeeinrichtung. Ihre Wohnung stand zunächst leer; die Tochter vermietete sie ab September 2013 gegen eine Kaltmiete von 360 EUR monatlich. Der Sozialleistungsträger übernahm die Kosten der Pflege von 22.000 EUR. Diesen Betrag forderte der Sozialleistungsträger nun von der Tochter aufgrund des übergeleiteten Rückforderungsrechts wegen Verarmung des Schenkers. Gegenstand des Rückforderungsrechts war hier nicht mehr die Immobilie ‒ hier war die Frist des § 529 BGB bereits abgelaufen ‒, sondern der nachträgliche Verzicht auf das Wohnrecht.

 

  • 1. Zur Bestimmung des Umfangs des Rückforderungsanspruchs des Schenkers wegen Verarmung ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Herauszugeben ist nicht nur der ursprünglich geschenkte Gegenstand. Bei einem wirtschaftlich nutzbaren Gegenstand, der das Vermögen des Beschenkten auch mit der Möglichkeit bereichert, Nutzungen daraus zu ziehen, sind vielmehr auch die seit der Schenkung gezogenen Nutzungen herauszugeben.
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  • 2. Hat der Schenker dem Beschenkten den Verzicht auf ein auf dem Grundstück des Beschenkten lastendes Wohnungsrecht zugewandt, ist für die Höhe des Rückforderungsanspruchs bei Verarmung des Schenkers als Wertersatz für den geschenkten Gegenstand der Betrag maßgeblich, um den sich der Verkehrswert des Grundstücks bei Eintritt der Bedürftigkeit des Schenkers durch den Wegfall der dinglichen Belastung erhöht hat.
 

Entscheidungsgründe

Dem Sozialleistungsträger steht gegen die Tochter aus übergeleitetem Recht ein Anspruch gem. § 528 Abs. 1 S. 1 BGB, § 818 Abs. 2 BGB auf Ersatz des Werts der durch die Löschung des dinglichen Wohnrechts erlangten Bereicherung zu. Die unentgeltliche Aufgabe des Wohnrechts ist eine Schenkung gewesen, da die Aufgabe der dinglichen Belastung des Grundstücks zu einem Vermögenszuwachs bei der Tochter geführt hat.

 

Soweit ‒ wie hier ‒ die Herausgabe des geschenkten Gegenstands selbst nicht möglich und stattdessen deshalb gem. § 818 Abs. 2 BGB dessen Wert zu ersetzen ist, kommt es für die Bestimmung der Anspruchshöhe auf den objektiven Wert dieses Gegenstands an. Bei Verzicht auf ein Wohnrecht ist deshalb die hierdurch eintretende Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks auszugleichen: Zum Zeitpunkt des Verzichts sind die Verkehrswerte der Immobilie mit Belastung und ohne Belastung mit dem Wohnrecht zu ermitteln. Die Differenz stellt die Bereicherung dar.

 

Dabei kommt es nicht darauf an, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang der Grundstückseigentümer die ihm zugeflossene Werterhöhung „realisiert“ hat. Der objektive Wert eines Hausgrundstücks ist grundsätzlich davon unabhängig, ob der Eigentümer es selbst nutzt, vermietet oder leer stehen lässt. Entscheidend ist allein der objektive Wert. Dieser ist bei einer unbelasteten Immobilie höher. Die objektive Werterhöhung stellt die Bereicherung dar. Darüber hinaus schuldet die Tochter nach Auffassung des BGH auch die Herausgabe der Bereicherung, die sich aus der mit der Schenkung eingetretenen wirtschaftlichen Möglichkeit zur Nutzung des geschenkten Gegenstands ergeben hat ‒ Gegenstand der Herausgabepflicht sind also auch die gezogenen Früchte durch die Vermietung seit dem Vollzug der Schenkung.

 

Relevanz für die Praxis

Motiv für den Verzicht war wohl, dass damals unklar war, ob in den Fällen der Vereinbarung eines Wohnrechts die Zehnjahresfrist des § 529 BGB (Widerruf der Schenkung aufgrund Verarmung des Schenkers) zu laufen beginnt oder wie im Fall des § 2325 Abs. 3 BGB (Pflichtteilsergänzung wegen lebzeitiger Schenkung) eine vollständige wirtschaftliche Ausgliederung notwendig ist. Diese Streitfrage hatte der BGH mit Urteil vom 19.7.11 (X ZR140/10, ErbBstg 11, 271) geklärt: Der Beginn der in § 529 Abs. 1 Fall 2 BGB vorgesehenen Zehnjahresfrist wird nicht dadurch gehindert, dass sich der Schenker an dem verschenkten Grundstück ein lebenslanges Nutzungsrecht vorbehält. Im Streitfall wäre also die Frist des § 529 BGB (Schenkung im Jahr 1995; Verarmung 2012) bereits abgelaufen gewesen. Ein Schenkungswiderruf wäre trotz der Vereinbarung des Wohnrechts nicht möglich gewesen.

 

Auch hätten die dem Wohnrecht unterliegenden Räume nicht ‒ z. B. durch Fremdvermietung ‒ verwertet werden müssen (BGH 9.1.09, V ZR 168/07, NJW 09, 1348). Selbst wenn dies nicht ausdrücklich bei der Bestellung des Wohnrechts vereinbart wird, kommt der BGH mittels Auslegung aufgrund des hypothetischen Parteiwillens zu diesem Ergebnis. Nach Auffassung des BGH wird eine Verpflichtung des Eigentümers, die Wohnung zu vermieten oder deren Vermietung durch den Wohnungsberechtigten zu gestatten, dem hypothetischen Parteiwillen im Zweifel nicht entsprechen. Gleichwohl empfiehlt es sich in solchen Fällen, das Wohnrecht auflösend bedingt zu vereinbaren, wonach es erlischt, wenn es vom Berechtigten nicht mehr geltend gemacht wird.

Quelle: Ausgabe 02 / 2019 | Seite 26 | ID 45716337