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· Fachbeitrag · Hinterbliebenenversorgung

Hospiz: Nottrauung spricht für Versorgungsehe

| Eine Witwe oder ein Witwer muss widerlegen, dass eine Hinterbliebenenversorgung nicht einziger oder überwiegender Zweck der Heirat war. Entscheidend ist der Gesundheitszustand des Versicherten. Bei einer Nottrauung im Hospiz müssen besondere Umstände vorliegen, die belegen, dass keine Versorgungsehe vorlag, so das SG Dresden. |

 

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Die Klägerin und der Versicherte waren schon vom 8.6.73 bis 1.9.80 verheiratet gewesen. Seit 1992 waren sie wieder ein Paar. Am 24.12.15 machte der Versicherte der Klägerin einen Heiratsantrag. Die Hochzeit sollte im Juni 2017 sein. Ende 2016 erkrankte der Versicherte schwer. Am 16.8.17 heirateten beide im Rahmen einer Nottrauung im Hospiz. Zwei Tage später verstarb der Versicherte. Der Antrag der Klägerin auf Witwenrente wurde abgelehnt. Zu Recht, wie das SG Dresden bestätigte (12.11.19, S 33 R 754/18, Abruf-Nr. 213604).

 

Entscheidungsgründe

Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat. Ausnahme: Besondere Umstände rechtfertigen nicht die Annahme einer Versorgungsehe. Die sehr kurze Ehedauer, die Erkrankung des Versicherten sowie der Umstand, dass die Ehe in einem Hospiz geschlossen wurde, sprechen dafür, dass die Heirat im Angesicht der Sicherheit über den naheliegenden Tod stattfinden sollte. Zwar ist der Begriff der „besonderen Umstände“ ein unbestimmter Rechtsbegriff. Er ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen. Besondere Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, können sein, dass der Tod des Versicherten plötzlich und unvorhersehbar eintrat, z. B. infolge eines Arbeits- oder Verkehrsunfalls, eines Verbrechens oder einer Infektionserkrankung. Liegt bereits eine lebensbedrohliche Krankheit vor, ist in der Regel die Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt. Insgesamt gilt, dass insbesondere die (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, um so gewichtiger sein müssen, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit zum Zeitpunkt der Heirat gewesen war.

 

Relevanz für die Praxis

Kann der Anwalt für seinen Mandanten argumentieren, dass eine feste Heiratsabsicht nachweisbar schon vor einer Krankheit bestand, kann dies gegen eine Versorgungsehe sprechen (ebenso: LSG Rheinland-Pfalz 4.5.04, L 3 U 72/02; LSG NRW 30.1.01, L 15 U 27/99; LSG Baden-Württemberg 24.3.99, L 2 U 2125/96; BayVGH 3.5.04, 3 B 00.1704). Allerdings müssen ernsthafte Schritte unternommen werden, um die Heirat durchzuführen. Allgemeine Heiratsabsichten genügen nicht. Auch darf ein fester Heiratsentschluss ohne sachlichen Grund nicht in die Zukunft verschoben werden.

 

Weiterführende Hinweise

  • Kein Anspruch auf Witwenrente bei nur siebenmonatiger Ehe, SR 15, 1
  • Witwe muss geerbten Nießbrauch am Bauernhof voll versteuern, SR 19, 164
Quelle: Ausgabe 02 / 2020 | Seite 26 | ID 46276009