Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Beratungspflichten

Weiterbeschäftigungsantrag: Hinweispflicht des Anwalts bei der Vertretung in Rentensachen

| „Darauf hätten Sie mich hinweisen müssen“, sagt der Mandant. Gilt das auch für einen Aspekt, der ein anderes Rechtsgebiet und nicht die Rentensache betraf, mit der der Anwalt betraut war? Nein, sagt der BGH anwaltsfreundlich. Gleichzeitig definiert er Ausnahmen, wann den Anwalt solche Hinweispflichten doch treffen (21.6.18, IX ZR 80/17, Abruf-Nr. 202467 ). |

 

Sachverhalt

Die Mandantin hatte ihre Anwältin beauftragt, für sie bei der Deutschen Rentenversicherung eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit durchzusetzen. Mit (Teilabhilfe-)Bescheid wurde ihr eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 1.10.12 bis zum 30.9.15 bewilligt. Die Anwältin leitete sowohl den Bescheid als auch ein Schreiben der Versicherung an die Mandantin weiter, in dem auch stand, dass teilweise Erwerbsgeminderte aufgrund tarifvertraglicher Regelungen (z. B. § 33 Abs. 3 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst) einen geeigneten Teilzeitarbeitsplatz erhalten können. Die Anwältin wies die Mandantin zwar darauf hin, dieses Schreiben ihrem Arbeitgeber vorzulegen. Sie belehrte die Klägerin allerdings nicht, dass sie den Antrag auf Weiterbeschäftigung binnen 2 Wochen stellen muss, nachdem der Rentenbescheid zugestellt wurde. Ihr Arbeitgeber bot ihr deshalb keinen Teilzeitarbeitsplatz an.

 

Die Mandantin klagte auf Schadenersatz und hatte in der Berufungsinstanz auch Erfolg. Der BGH hingegen hob das Urteil auf und wies die Sache an das Berufungsgericht zurück.

 

Entscheidungsgründe

Umfang und Inhalt der vertraglichen Pflichten eines Rechtsanwalts richten sich nach dem jeweiligen Mandat. Die hier versäumte Frist des § 33 Abs. 3 TVöD-S betraf nicht den Rentenanspruch der Klägerin. Die Vorschrift regelte die Wahrung der Rechte eines teilweise erwerbsgeminderten Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Hierauf erstreckte sich das Mandat aber nicht. Der Anwalt kann zwar auch über das eigentliche Mandat hinaus zu Hinweisen verpflichtet sein, wenn

  • ihm dem Mandanten drohende Gefahren bekannt oder diese offenkundig sind oder sich ihm bei der Bearbeitung aufdrängen und

 

Das war hier nicht der Fall. Auch wenn die Anwältin das Schreiben mit dem Hinweis auf die Frist weiterleitete, war vorliegend nicht klar, dass sie die Gefahr kannte, die aus der kurzen Frist resultiert. Es gehöre nicht zum juristischen Allgemeinwissen jedes Anwalts, dass es tarifvertraglich notwendig ist, einen Antrag auf Weiterbeschäftigung binnen zwei Wochen ab Zustellung eines Rentenbescheids über teilweise Erwerbsunfähigkeit zu stellen.

 

 

Relevanz für die Praxis

Der BGH stellt zwar in ständiger Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Anwalts, grenzt aber auch klar ab, was ein Anwalt mandatsbezogen wissen muss und was nicht, wenn ein konkreter Mandatsauftrag vorliegt. Ob der Anwalt über das Mandat hinaus bzw. auf juristische Besonderheiten hinweisen muss, hängt vom Einzelfall ab. Sind die vom BGH genannten Voraussetzungen erfüllt und ist der Mandatsauftrag entsprechend beschränkt, muss der Anwalt sich auch keinen Pflichtenverstoß vorhalten lassen. Eine Art juristisches „Allroundwissen“ muss ein Anwalt nicht haben (vgl. auch BGH 17.3.16, IX ZR 142/14).

 

Dass der Mandant bei einem behaupteten Verstoß beweispflichtig ist, führt häufig zu der falschen Annahme, dass der Anwalt sich darauf beschränken kann, einen Verstoß oder Fehler zu bestreiten oder allgemein zu behaupten, er habe seinen Mandanten ausreichend beraten.

 

PRAXISTIPP | Der Anwalt muss auf den Vorwurf näher eingehen und auch den Ablauf der Besprechung im Einzelnen schildern und konkret benennen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie der Mandant hierauf reagiert hat. Das fällt aus der Erinnerung oft schwer. Daher empfiehlt sich, in entsprechenden Aktenvermerken den jeweiligen Gesprächsinhalt kurz festzuhalten, um im „Ernstfall“ darauf zurückgreifen zu können.

 

Weiterführender Hinweis

  • Ärztliche Aufklärungsgespräche: So bereiten Sie Mandanten darauf vor, SR 17, 179
Quelle: Ausgabe 01 / 2019 | Seite 6 | ID 45631799