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08.01.2010

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 08.11.2000 – 6 K 4774/96

-Zur Abgrenzung einer nachhaltig ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit und einer aus privaten Gründen betriebenen Betätigung ist insbesondere auf die Dauer und Intensität der Tätigkeit, die Zahl der Kunden, die Höhe der Einnahmen, die Beteiligung am Markt und das Vorhalten eines Geschäftslokals abzustellen.


-Der An- und Verkauf von Wein stellt nur dann eine unternehmerische Tätigkeit dar, wenn sich die Betätigung deutlich von einer privaten Versorgung des Bekannten- und Freundeskreis abhebt.


-Bei einem Weineinkauf von rund 120 Flaschen jährlich spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen das geschäftsmäßige Betreiben eines Weinhandels.


Die Klage wird abgewiesen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin für das Streitjahr 1991 der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung eines Mercedes PKW für einen in geringem Umfang betriebenen Weinhandel zusteht.

Die Klägerin ist verheiratet mit einem Piloten und Mutter einer 1981 geborenen Tochter. Ihrer früheren Tätigkeit als Stewardess ging sie 1991 nur noch an 2 Tagen nach.

Zwischen dem 1.4.1991 bis zum 31.8.1994 meldete sie beim Beklagten (dem Finanzamt –FA ) einen Weinhandel an. Der Wareneinkauf und die Nettoerlöse betrugen in

WareneinkaufNettoerlöse
19912.083,14968,08
1992299,16692,81
1993648,521.136,78
199400
Summe3.030,822.797,67


Nach den eingereichten Gewinn und Verlustrechnungen betrugen die Verluste

1991:-18.480 DM
1992:- 8.119 DM
1993: - 5.137 DM
1994: - 5.189 DM
- 63.524 DM


Die wesentlichen Betriebsausgaben beruhten auf PKW-Kosten (1991: 5.116 DM, 1992: 9.337 DM, 1993: 7.503 DM und 1994: 7.605 DM), Telefonkosten (1991: 1.731 DM, 1992: 2.284 DM), sowie auf einem vom Ehemann überlassenen Computer.

In ihrer Umsatzsteuererklärung 1991 machte sie neben Umsätzen von 968 DM u.a. den Vorsteuerabzug in Höhe von 8.378,54 DM aus der Anschaffung eines am 3.9.1991 zum Preise von 58.691,71 DM netto gekauften Mercedes 230 TE sowie eines Reifensatzes geltend. Ein Eigenverbrauch wurde für 1991 nicht, für 1992 -1994 in Höhe von ca. 35 % der Kosten erklärt. Der Kaufpreis des Fahrzeugs wurde mangels eigener Mittel vom Ehemann getragen. Am 15.3.1993 erließ das FA einen Umsatzsteuerbescheid für 1991, in dem es einen Eigenverbrauch für private Nutzung des Telefons und des PKW von 35% (zusammen 3.238 DM) hinzuschätzte. Den hiergegen eingelegten Einspruch nahm die Klägerin später zurück. Die Einkommensteuerbescheide ergingen hinsichtlich der geltend gemachten Verluste aus dem Weinhandel vorläufig.

Am 14.9.1995 erließ das FA einen Änderungsbescheid, in dem es die Vorsteuern aus dem Kauf des Mercedes und der Reifen kürzte und den zunächst hinzugeschätzten Eigenverbrauch (für private PKW- und Telefonnutzung) wieder beseitigte, so daß die Umsatzsteuer von -8.260 DM auf -199 DM erhöht wurde. Zur Begründung führte das FA aus:

Der PKW sei nicht dem Unternehmensvermögen zurechenbar, weil der Anteil der unternehmensbezogenen Fahrten für den Weinhandel unter 10 % liege. Für den Ankauf einiger Flaschen Wein schaffe man sich keinen PKW der gehobenen Klasse an. Laut Einkaufsbelegen habe nach der Anschaffung des PKW in 1991 nur noch eine einzige Einkaufsfahrt stattgefunden. Für 1992 habe die Klägerin erklärt, keine Belege vorlegen zu können. Bei einem Wareneinkauf von nur 299 DM gehe das FA für 1992 deshalb allenfalls von einer einzigen Einkaufsfahrt und in 1993 von 2 Fahrten aus. Der Warenverkauf habe ausschließlich in der Wohnung stattgefunden.

Nach Zurückweisung des Einspruchs mit Einspruchsentscheidung vom 11.7.1996 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie geltend macht: Nach Eröffnung des Weinladens habe die Klägerin den Mercedes PKW, ein tragbares Telefon sowie einen 1990 vom Ehemann angeschafften Personal Computer angeschafft. Die Klägerin sei unternehmerisch intensiv tätig gewesen. Sie habe Handzettel verteilt und Probetrinken veranstaltet. Als Geschäftslokal sei der Kellerraum in ihrem Wohnhaus anzusehen, wo die Weine gelagert worden seien. Das Fahrzeug sei „überwiegend” betrieblich genutzt worden für die Sache nach geeigneten Großhändlern, für Kundenbesuche, Kauf von Weingläsern, Fahrten zum Steuerberater und Fahrten zur Bank. Die Fahrten könnten nicht im einzelnen näher dargelegt werden. Nach der Lebenserfahrung entfalle auf diese Fahrten mindestens ein Anteil von 51 %. Im Frühjahr 1991 und Herbst 1992 sei sie zum Weineinkauf nach München gefahren. Die Unterhaltskosten des PKW seien teilweise durch Schenkungen ihrer Eltern getragen worden. Auch der PC sei „zumindest überwiegend” für den Gewerbebetrieb genutzt worden. Das Geschäft sei eingestellt worden, nachdem in der Nähe zwei Weindepots eröffnet hätten.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1991 vom 14.9.1995 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11.7.1996 (festgesetzte USt - 199 DM) aufzuheben und die Umsatzsteuer entsprechend der Steuererklärung (- 8.577,05 DM) festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin sei nicht nachhaltig tätig geworden und daher nicht Unternehmerin. Sie habe kein Geschäftslokal unterhalten und kein Werbung betrieben. Die geringe Menge des Wareneinkaufs lasse darauf schließen, daß sie sich wie ein Weinliebhaber verhalte, der sich selbst versorge. Ob die Verkäufe tatsächlich stattgefunden hätten, sei zweifelhaft, weil hierzu nur wenig aussagekräftige Barquittungen vorgelegt worden seien. Der PKW sei vom Ehemann bezahlt und im wesentlichen unterhalten worden. Sollte das Gericht von der Unternehmereigenschaft der Klägerin ausgehen, sei zu berücksichtigen, daß die unternehmerische Nutzung des PKW nur von ganz untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Nach der Anschaffung des PKW sei in 1991 nur noch ein einzelner Einkauf in Taunusstein belegt, 1992 könne es sich bei dem Gesamteinkauf von 299,16 DM allenfalls um eine, 1993 um zwei Fahrten gehandelt haben. Wegen des ausschließlichen Barverkaufs in der Wohnung und des geringen Umfangs des Wareneinkaufs seien Fahrten zu Kunden nicht glaubhaft. Von häufigen Besuchen beim Steuerberater sei nicht auszugehen, da keine Steuerberatungskosten geltend gemacht worden seien. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse versuche die Klägerin, einen Vorgang der privaten Lebenssphäre in den unternehmerischen Bereich zu verlagern.

An Unterlagen hat die Klägerin für 1991 zwölf Einkaufsbelege über Weine mit einem Einkaufspreis, der in der Regel zwischen 2 DM und 8 DM liegt, vorgelegt. Der Aufschlag gegenüber dem Einkaufspreis betrug ca. 2 DM pro Flasche. Die Einkaufsorte lagen in oder in der Nähe des Wohnortes (Oberursel, Taunusstein, Frankfurt). Zum Nachweis der Verkäufe hat die Klägerin „Zweckform” Quittungsbelege über Barverkäufe 1991 und 1993, auf denen teilweise nachträglich auf dem Durchschlag mit Kugelschreiber „incl. USt” vermerkt worden ist, eingereicht. Die Fahrleistung des PKW betrug zwischen der Anschaffung 9/1991 und der Betriebseinstellung 8/1994 ca. 36.100 KM, was einer Jahresfahrleistung von 12.700 KM entspricht.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

1. Zwar begegnet die vom FA zunächst vertretene Rechtsauffassung, wonach der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des PKW daran scheitere, daß die Verwendung des PKW für den Weinhandel nur von völlig untergeordneter Bedeutung sei („Niemand kauft einen PKW der gehobenen Klasse, um damit gelegentlich ein paar Flaschen Wein zu transportieren”) Bedenken. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 11. Juli 1991 (C-97/90, Umsatzsteuerrundschau -UR- 1991, 291) entschieden, daß ein Steuerpflichtiger, der Gegenstände für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erworben hat, die Vorsteuer abziehen kann, „wie gering auch immer der Anteil der Verwendung für unternehmerische Zwecke sein mag”. Die frühere Rechtsprechung des BFH, wonach die Zuordnung zum Unternehmen dann ausscheidet, wenn der vorgesehenen Verwendung für das Unternehmen nur eine so unwesentliche Bedeutung zukommt, daß der Gegenstand insgesamt als Teil des unternehmensfremden Bereiches anzusehen ist (Urteil vom 25. März 1988 V R 101/83, BStBl II 1988, 649), dürfte damit überholt sein. Nach der Rechtsprechung des EuGH müßte daher in diesen Fällen geringen Bezuges zu einer unternehmerischen Betätigung der Vorsteuerabzug gewährt und die Korrektur für die nichtunternehmerische Verwendung durch Ansatz eines Eigenverbrauchs pro rata temporis (von im Streitfall schätzungsweise 98 %) durchgeführt werden. Im Ergebnis hält der Senat die Klage jedoch aus anderen Gründen gleichwohl für unbegründet.

2. Gem. § 15 Absatz 1 UStG ist der Vorsteuerabzug nur eröffnet, wenn die untergeordnete Verwendung des PKW für ein Unternehmen der Klägerin erfolgt wäre. Bleibt ungeklärt, ob es sich bei der Tätigkeit des Steuerpflichtigen um eine Unternehmen handelt, ist der Vorsteuerabzug zu versagen, weil insoweit der Steuerpflichtige die Feststellungslast trägt.

a) Unternehmer ist gem. § 2 Abs.1 S.1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht der Gewinnerzielung fehlt. Bei richtlinienkonformer Auslegung muß dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit nach Art. 4 Absatz 1, Abs.2 Satz 1 der 6 EG Richtlinie ausgeübt werden. Eine gelegentliche, nicht nachhaltig ausgeübte Tätigkeit reicht hierfür nicht aus. Für die Feststellung der Nachhaltigkeit sind nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 26.9.1996 Rs C-230/94, DStR 1986 betr. Wohnmobilvermietung), des BFH (Urteil vom 12. Dezember 1996 V R 23/93, BStBl II 1997, 368) und des Finanzgerichts des Saarlandes (Urteil vom 19.1.1999 1 K 63/98, EFG 1999, 403) dann, wenn der Gegenstand des Unternehmens Anlaß zur Prüfung gibt, ob dieses auch aus privaten Gründen betrieben sein kann, die tatsächlichen Umstände der Betätigung zu vergleichen mit denjenigen, unter denen die entsprechende Tätigkeit üblicherweise ausgeübt wird. Zu vergleichen sind insbesondere die Dauer und Intensität der Tätigkeit, Zahl der Kunden, Höhe der Einnahmen, Beteiligung am Markt und das Vorhalten eines Geschäftslokals. Hinweis auf eine aus nichtunternehmerischen Gründen betriebene Betätigung kann auch sein, daß die Betätigung nur mit jahrelangen Verlusten verbunden ist (BFH a.a.O). Maßgebend ist jeweils eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles.

b) Bei der Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles gelangt der Senat vorliegend zu dem Ergebnis, daß der Klägerin der Nachweis einer nachhaltigen wirtschaftliche Betätigung nicht gelungen ist. Insbesondere bei der hier vorliegenden Betätigung eines An- und Verkaufs von Wein muß berücksichtigt werden, daß der Einkauf von Wein häufig der Selbstversorgung dient und die Weitergabe eines Teils des Weinvorrates gegen Selbstkosten oder gegen einen Aufschlag im Bekannten- und Freundeskreis nicht unüblich ist (vgl. Urteile des FG Berlin vom 15.2.93 IX 324/92, JURIS und vom 12.12.1994 IX 138/93 -JURIS- zu einem als Nebenbeschäftigung betriebenen Weinhandel als einkommensteuerrechtliche sog. „Liebhaberei”). Eine geschäftsmäßig betriebene Betätigung eines Weinhandels als Unternehmer muß sich daher deutlich von einer privaten Versorgung des Bekannten- und Freundeskreises abheben. Mit einem unternehmerisch betriebenen Weinhandel ist die Tätigkeit der Klägerin jedoch nicht vergleichbar. Vom Umfang her betrug der Wareneinkauf in 4 Jahren insgesamt 3.030 DM, was bei einem Durchschnittspreis von 6 DM pro Flasche ca. 500 Flaschen insgesamt, 120 Flaschen jährlich oder 10 Flaschen monatlich entspricht, einer Menge, die auch im privaten Bereich nicht ungewöhnlich ist. Hierbei handelt es sich auch nicht um einen spezialisierten Einkauf besonderer Weine (Marktlücke), für den auch bei geringerer Menge möglicherweise ein gewinnbringende Marge hätte erzielen lassen, sondern um einfache Tischweine zwischen 2 - 8 DM Einkaufspreis, die sich ein Kunde ohne Schwierigkeiten leicht selbst jederzeit am Markt beschaffen kann. Mit einem Erfolg dieser Unternehmensidee war betriebswirtschaftlich somit kaum zu rechnen. Im Zusammenhang mit den aufgelaufenen erheblichen Verlusten von über 63.000 DM, die vor allem auf die Geltendmachung von Gegenständen wie PKW, Computer und Telefon als Betriebsausgaben zurückzuführen sind, deren private Nutzung sich aufdrängt, erscheint dem Senat die Betätigung der Klägerin weniger als gescheiterter Unternehmensversuch, sondern als Steuersparmodell, bei dem die Verluste mit den erheblichen Einkünften ihres Ehemannes verrechnet werden sollten. So teilt der Senat auch die Einschätzung des FA über den Vortrag des Bevollmächtigten über die Anzahl der unternehmerisch bedingten Fahrten als übertrieben und wenig glaubhaft. So will die Klägerin im Frühjahr 1991 und im Herbst 1992 zum Zwecke des Wareneinkaufs von Oberursel nach München gefahren sein. Abgesehen davon, daß die Klägerin trotz ausdrücklicher gerichtlicher Aufforderung für beide Fahrten keine Belege über Hotelübernachtungen hat vorlegen können, weil die Hin- und Rückfahrt noch am selben Tage stattgefunden haben soll, finden sich in den vorgelegten Unterlagen keine Einkaufsbelege aus München, sondern nur solche aus der Nähe ihres Wohnortes. Bei einem Gesamteinkauf von 299 DM im Jahre 1992 und Erlösen von 692 DM würde auch allein eine einzige Fahrt nach München mit Fahrtkosten von mindestens 431 DM (830 KM x 0,52 = 431 DM) angesichts des geringen Ertrages betriebswirtschaftlich kaum zu rechtfertigen sein, so daß das Gericht den Vortrag der Klägerin nicht als glaubhaft ansieht. Auch hat die Klägerin - was nicht in jedem Falle für eine Unternehmertätigkeit zu fordern ist, aber als Bestandteil einer Gesamtwürdigung mit zu berücksichtigen ist - weder ein Geschäftslokal geführt (ein Weinlager im Keller genügt hierzu nicht), noch ist sie im Branchenverzeichnis aufgeführt, noch ist die Behauptung, Handzettel in nennenswertem Umfang verteilt zu haben, bewiesen worden.

Da nach Überzeugung des Senates somit der Klägerin nicht der Nachweis gelungen ist, daß sie sich wie ein Händler am Markt verhalten hat und damit einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne der 6. EG Richtlinie nachgegangen ist, war mangels Unternehmereigenschaft der begehrte Vorsteuerabzug für den Mercedes PKW nicht anzuerkennen. Wegen des gerichtlichen Verschlechterungsverbotes verbleibt es bei der Steuerfestsetzung der USt 1991 auf - 119 DM, die auf der Anerkennung des Wareneinkaufs als Vorsteuer beruht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung.

VorschriftenUStG § 15 Abs. 1