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08.01.2010

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 19.10.2000 – 13 K 774/99

Der amerikanische Studiengang der mit dem Abschluss des Master of Business Administration abschließt, wird als vergleichbares wirtschaftswissenschaftliches Studium anerkannt, das zur Zulassung zur Steuerberaterprüfung berechtigt; dabei kommt es nicht darauf an, ob bei der Studiendauer eine Vorbildung angerechnet wurde, die in Deutschland staatlich nicht anerkennt wird.


Unter Aufhebung des Bescheids vom 27.2.1998 wird die beklagte Behörde verpflichtet, bei der zu erteilenden verbindlichen Auskunft davon auszugehen, daß die theoretische Vorbildung des Klägers die Zulassungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 Steuerberatungsgesetz erfüllt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die beklagte Behörde.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die beklagte Behörde darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der von der beklagten Behörde erteilten verbindlichen Auskunft, mit der diese dem Kläger mitteilte, er könne zur Steuerberaterprüfung nach § 36 Steuerberatungsgesetz nicht zugelassen werden, weil der von ihm in den USA erworbenen Mastergrad einem deutschen Hochschul- oder Fachhochschulabschluß nicht gleichgestellt werden könne.

Der Kläger legte 1991 in ... die Reifeprüfung ab. Anschließend studierte er von 1991 bis 1994 an der X-School in Deutschland und erwarb dort das Diplom „Internationaler Betriebswirt”. Die X-School ist in Deutschland staatlich nicht anerkannt. Vom August 1994 bis August 1995 studierte der Kläger an der Southern Illinois University at Edwardsville, Illinois, USA (SIUE) und erwarb dort den akademischen Grad „Master of Business Administration” (MBA).

Mit Schreiben vom 7. September 1997 bat der Kläger bei der beklagten Behörde um die Erteilung einer verbindlichen Auskunft darüber, ob er die Zulassungsvoraussetzungen zur Steuerberaterprüfung nach § 36 Abs. 1 Steuerberatungsgesetz hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Vorbildung erfülle.

Das beklagte Ministerium erteilte die erbetene Auskunft mit Bescheid vom 27. Februar 1998 dahin, daß eine Zulassung zur Steuerberaterprüfung nach § 36 Abs. 1 Steuerberatungsgesetz nicht in Betracht komme, weil der in den USA erworbene Mastergrad (MBA) in seinem Falle aufgrund eines lediglich einjährigen Studiums in den USA verliehen worden sei und deshalb einem deutschen Hochschul- oder Fachhochschulabschluß nicht gleichgestellt werden könne. Dabei ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß der von der Southern Illinois University at Edwardsville verliehene Grad des MBA in Deutschland grundsätzlich anerkannt wird.

Gegen den Bescheid vom 27. Februar 1998 richtet sich die vorliegende Klage, mit der der Kläger eine Auskunft des Inhalts begehrt, daß seine wissenschaftliche Vorbildung den in § 36 Abs. 1 Steuerberatungsgesetz genannten Voraussetzungen entspricht.

Der Kläger trägt vor, es sei zwar zutreffend, daß der Abschluß der X-School in Deutschland nicht anerkannt werde. Andererseits unterliege es aber keinem Zweifel, daß die Southern Illinois University at Edwardsville dieses Studium in Deutschland als ausreichende Vorbildung für das einjährige Aufbaustudium angesehen habe und nur deshalb der Erwerb des MBA an dieser Universität aufgrund des einjährigen Studiums möglich gewesen sei. Grundsätzlich würden nach der Studienordnung der SIUE ausländische Studenten nur dann für das mit dem MBA-Abschluß endende Aufbaustudium zugelassen, wenn sie einen „Bachelor-Grad” oder einen Grad, der mit einem US-Bachelor-Grad vergleichbar ist, erworben haben. Der Bachelor-Abschluß entspreche gewöhnlich vier Studienjahren an einem College und damit insgesamt 16 Jahren formaler Ausbildung. Der Kläger habe aus der Sicht des SIUE die 16 Jahre durch 13 Jahre Schule und drei Jahre X-School erfüllt. Nicht nur in Amerika, sondern auch in Deutschland sei es möglich, daß Bewerbern, die auf andere Weise als durch ein Hochschulstudium besondere Fähigkeiten und Kenntnisse erworben haben, Semester sowie Studien- und Prüfungsleistungen nach dem Ergebnis einer Einstufungsprüfung erlassen werden können und sie sodann in einem dem Prüfungsergebnis entsprechenden Semester zugelassen werden (vgl. § 29 Hessisches Hochschulgesetz in der Fassung vom 3.11.1998, GVBl. I S. 431- und jetzt § 30 und § 63 Abs. 5 HHG i.d.F. vom 31.07.2000, GVBl. I S. 374 (383)). Entsprechendes gelte auch in den USA. Insoweit werde auf die Ausführungen von Herrn ... von der Hochschulrektorenkonferenz vom 12.2.2000 verwiesen, die der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 14. März 2000 eingereicht hat.

Der Kläger beantragt,

die beklagte Behörde unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids zu verurteilen, daß ihm in der verbindlichen Auskunft die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nicht deswegen verweigert wird, weil er die theoretische Ausbildung nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 Steuerberatungsgesetz nicht nachgewiesen habe.

Die beklagte Behörde beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Stellungnahme des Sekretariats der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland vom 29.1.1998. Dort und in den im gerichtlichen Verfahren eingeholten ergänzenden Auskünften vom 18.08.99, 04.11.99 und 01.08.00 wird ausgeführt, der in den USA erworbene MBA sei im vorliegenden Falle nicht einem deutschen Hochschul- oder Fachhochschulabschluß gleichwertig. Der an der SIUE erworbene MBA könne hier einem deutschen Hochschul- oder Fachhochschulstudium deshalb nicht gleichgestellt werden, weil der Kläger diesen Abschluß aufgrund eines lediglich einjährigen Studiums in den USA erworben habe. Die Anrechnung des dreijährigen Studiums an der X-School komme nicht in Betracht, weil diese Studienzeit in Deutschland staatlich nicht anerkannt sei.

Dem Gericht haben die Akten des beklagten Ministeriums vorgelegen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 Steuerberatungsgesetz erfüllt sind, weil jedenfalls die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 Steuerberatungsgesetz vorliegen. Der in den USA erworbene MBA der SIUE genügt diesen Anforderungen.

Bei der Southern Illinois University at Edwardsville handelt es sich um eine (amerikanische) Universität. Die Abschlüsse dieser Hochschule werden grundsätzlich auch in Deutschland anerkannt. Bei dem hier in Frage stehenden akademischen Grad des MBA handelt es sich um einen solchen Abschluß. Bei dem Studiengang, der mit dem Master of Business Administration (MBA) abschließt, handelt es sich um ein wirtschaftswissenschaftliches Hochschulstudium. Damit stellt dieser Studiengang ein „vergleichbares Studium an einer Universität” im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 2 Steuerberatungsgesetz dar. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 Steuerberatungsgesetz ist die Länge der Studienzeit kein ausdrücklich vorgeschriebenes Merkmal der in dieser Vorschrift geforderten Vorbildung (vgl. BFH, Urteil vom 25. April 1995 VII R 12/95, BStBl II 1995, 648). Unabhängig davon hat der Kläger aber insgesamt vier Jahre studiert (nämlich drei Jahre in Deutschland und gut ein Jahr in den USA). Dabei ist es nach Auffassung des Senats nicht erheblich, daß in Deutschland das Studium in Y staatlich nicht anerkannt ist. Denn zur Prüfung steht nicht die Frage, ob der in Y erworbene Abschluß in Deutschland anerkannt wird, sondern ob der in den USA erworbene Abschluß des MBA an der SIUE in Deutschland im vorliegenden Falle anzuerkennen ist. Dabei ist unstreitig, daß der MBA der SIUE in Deutschland grundsätzlich anerkannt wird. Streitig ist lediglich die Frage, ob die Anerkennung auch im vorliegenden Falle zu gewähren ist, weil das vom Kläger in den USA durchlaufene Aufbaustudium, das mit dem MBA abschloß, dort grundsätzlich einen Bachelor-Abschluß voraussetzt und die SIUE im Falle des Klägers stattdessen dessen Schulausbildung und Studium in Y als gleichwertig anerkannt hat.

Es war Sache der amerikanischen Universität zu prüfen, ob der Kläger den Aufbaustudiengang beginnen konnte, ob er also eine dem Bachelor-Abschluß vergleichbare Ausbildung in Deutschland nachweisen konnte. Die Southern Illinois University at Edwardsville ist zu dem Ergebnis gekommen, daß diese Voraussetzungen gegeben waren. Das ergibt sich daraus, daß sie den Kläger zu dem gut einjährigen Aufbaustudium, das mit dem MBA abschloß, zugelassen hat.

Der Umstand, daß die mangelnde staatliche Anerkennung der X-School in Deutschland dazu geführt hätte, daß der Kläger hier zu diesem Aufbaustudiengang nicht zugelassen worden wäre, vermag an der grundsätzlich auch in Deutschland anerkannten Qualität des vom Kläger erworbenen Abschlusses des MBA nichts zu ändern. Es kann keine Rede davon sein, daß die SIUE dem Kläger den MBA unter Bedingungen verliehen hätte, die eine solche Erleichterung des Erwerbs bedeuteten, daß dieser grundsätzlich auch in Deutschland anerkannte Abschluß in diesem Falle nicht anzuerkennen wäre. Auch der Kläger hat die für den MBA erforderlichen Prüfungen abgelegt und bestanden und damit den gleichen Wissenstand unter Beweis gestellt, wie alle anderen Kandidaten auch. Das bedeutet, daß er das zur Verleihung des MBA der SIUE erforderliche Wissen unter Beweis gestellt hat und damit auch in seinem Falle das gilt, was grundsätzlich für diesen akademischen Grad gilt, daß er nämlich in Deutschland - auch nach den Erkenntnissen des ständigen Sekretariats der Konferenz der Kultusminister der Bundesrepublik Deutschland - eine hinreichende theoretische Vorbildung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung zumindest nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 Steuerberatungsgesetz ist.

Das gilt um so mehr, als die Zulassungsvoraussetzungen des Steuerberatungsgesetzes lediglich verhindern wollen, daß Bewerber mit einem unzureichenden Wissensstand die Prüfungsausschüsse übermäßig belasten. Da es sich lediglich um die Zulassung zu einer Prüfung handelt, die einen unter dem Schutz des Artikels 12 Grundgesetz stehenden Berufsweg eröffnet, und der Kläger erst in der Steuerberaterprüfung unter Beweis zu stellen hat, ob er die geforderte Qualifikation für den Beruf des Steuerberaters besitzt, sind diese Vorschriften auch nicht eng, sondern weit auszulegen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die beklagte Behörde, weil die Klage Erfolg hatte.

Die Revision wird zugelassen, weil der Rechtsstreit im Hinblick auf die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung.

VorschriftenStBerG § 36 Abs. 1 Nr. 1, StBerG § 36 Abs. 1 Nr. 2